Mit Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit an die Spitze
Im Januar 2024 hat Johan Deburchgrave das Ruder bei Vandersanden übernommen. Mit seinen mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Baubranche will Deburchgrave den Premium-Ziegelhersteller weiter auf Wachstumskurs halten. Und als neuer CEO von Europas größtem Ziegelhersteller in Familienbesitz denkt er in diesem Interview laut über seine Verantwortung gegenüber Kunden, Mitarbeitern, der Umwelt und der gesamten Baubranche nach. Seine Strategie: Nachhaltigkeit, Innovationsführerschaft und eine kraftvolle Digitalisierung.
Deburchgrave studierte Bauingenieurswesen an der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien), ergänzte sein Managementwissen durch einen MBA und diverse Managementkurse an Universitäten in ganz Europa. Seine mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Baustoffindustrie, unter anderem bei Etex Germany Exteriors (dem Hersteller von Eternit Wellplatten), will er bei Vandersanden für Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit einsetzen. Deburchgrave sieht die größte aktuelle Herausforderung in der hochkomplexen Marktsituation.
Komplexe Marktsituation
Johan, wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein?
Die große wirtschaftliche Unsicherheit macht es den Verbrauchern heute schwer, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, wo sie ihr Geld ausgeben wollen. Große Unsicherheiten gibt es durch Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, die Inflation und exorbitant hohe Energiekosten. Dadurch haben auch die Kosten für sämtliche Baumaterialien zugelegt. Modernisierungsprojekte oder der Neubau werden aufgeschoben. Nicht zuletzt ist beispielsweise auf dem deutschen Markt die politische Lage angespannt, da unterschiedlichste Umweltregularien nicht klar genug ausdifferenziert sind. Das macht den Markt zurzeit so volatil.
Aber ich denke optimistisch, auch für den deutschen Markt. Denn die Zahlen aus den Nachbarländern, wie Belgien, den Niederlanden oder gar dem Vereinigten Königreich deuten schon heute auf Aufschwung hin. Besonders in unserer Branche ist Deutschland bei konjunkturellen Aufschwüngen leider schon immer etwas behäbiger gewesen. Aber auch hier sehen wir bereits den Lichtstreif am Horizont.
Wie kommen Sie zu dieser optimistischen Einschätzung?
Das Bauen ist insgesamt teurer geworden. Für das gleiche Geld von gestern kann man heute weniger bauen. Leider sind alle Preise gestiegen. Und jetzt, da sich die Lage wieder zu normalisieren scheint, erwartet die Öffentlichkeit, dass die Preise wieder sinken. Diese Grundeinstellung führt zu einer abwartenden Haltung bei allen, die bauen wollen oder gar müssen. Dem Renovierungssektor hingegen geht es schon heute wieder gut. Denn wird der Neubau teuer, verlagert sich das ausgegebene Budget auf den Kauf und die Renovierung von Bestandsobjekten. Dort bleibt die Zahl der gewährten Hypothekenkredite stabil.
Die aktuelle Entwicklung bei den Leitzinsen sieht ebenfalls recht gut aus. Denn auf ihrer Sitzung am 6. Juni 2024 hat die EZB zum ersten Mal seit März 2016 die Leitzinsen gesenkt. Geld wird also wieder günstiger, was sich ziemlich sicher auch auf unsere Branche auswirken wird.
Ihren Job als Vandersanden-CEO haben Sie also in recht turbulenten Zeiten angetreten...
Das ist wohl wahr; allenthalben herrscht Unsicherheit. Daher halten sich die Verbraucher noch zurück. Aber ich bin sicher, dass es bald wieder losgeht. Denn in den kommenden Jahren müssen überall in Europa massiv neue Wohnungen gebaut werden, um die enorme Nachfrage zu befriedigen. Ich sehe, dass Vandersanden jetzt schon bereit ist, diese Wachstumschancen zu nutzen.
Nachhaltigkeit und Innovation
Wie hat sich Vandersanden auf die enormen zukünftigen Herausforderungen vorbereitet?
Die Lösungen für viele Fragen der Zukunft haben wir bereits in der Schublade. Vandersanden hat in den letzten Jahren sehr stark auf Neuerungen bei Produkten und Verarbeitung gesetzt. Das finde ich bewundernswert, denn die Baubranche ist ja eher für eine traditionsbedachte, vorsichtige Haltung bekannt. In dieser Hinsicht sind unsere neuen CO2-negativen Verblender Pirrouet, der klimaadaptive Pflasterklinker Drainflow und Robobrick, das vollautomatisierte Kleben von Riemchen auf Prefab-Teile, bahnbrechende Erfindungen.
Während Pirrouet den CO2-Fußabdruck der ganzen Bauindustrie drastisch reduzieren wird, ist Robobrick eine Lösung, die enorme Effizienzgewinne bringen wird. Der Einsatz von Robobrick spart gegenüber herkömmlichen Bauprozessen nicht nur massiv Zeit, womit wir dem Fachkräftemangel auf dem Bau begegnen, sondern auch bis zu 60% an Rohstoffen und Energie. Unsere versickerungsfähigen Drainflow-Pflasterklinker können wir zur Verbesserung des Wassermanagements in Städten und sogar zur Begrünung einsetzen.
Zudem halten wir natürlich an unserem Versprechen „Together to Zero“ fest. Wir müssen unsere CO2-Emissionen auf null bringen. Besser früher als später. Daran arbeiten wir mit viel Elan. Dematerialisierung, erneuerbare Energien und der damit einhergehende bewusste Umgang mit Rohstoff und Energie stehen ganz oben auf unserer Roadmap.
Und wir investieren in Lösungen für die Kreislaufwirtschaft, wie beispielsweise Trockenstapelsysteme, also Mauern ohne Mörtel. Denn Bauabfälle sind eines der größten Probleme unseres Industriezweigs. Das ist absurd, weil ein Haus im Durchschnitt 80 bis 100 Jahre hält, ein einzelner Verblender aber deutlich länger. Man könnte also mehrere Gebäude mit denselben Ziegelsteinen verkleiden. Und wir entwickeln gerade smarte Lösungen, die das auch tatsächlich möglich machen.
Nachhaltigkeit ist für Vandersanden also reiner Selbstzweck?
Da muss ich lachen. Natürlich nicht. Aber die klare langfristige Vision von Vandersanden und der Ehrgeiz, Vorreiter für Nachhaltigkeit in der gesamten Baubranche zu sein, inspiriert mich sehr. Vandersanden lässt den vielen schönen Worten nämlich dann auch konkrete Taten folgen. Logisch, wir müssen vor allem unsere Ziegel verkaufen. Die Nachhaltigkeit ist allerdings bei modernen Konsumenten und besonders bei Architekten und institutionellen Entscheidern mittlerweile ein schlagendes Argument.
Die Kunst bei Vandersanden wird darin bestehen, die richtige Balance zwischen kurzfristig und langfristig greifenden Ideen zu finden. In dieser Hinsicht sind wir ein bisschen ein Opfer unseres Innovationsdrangs: Wir denken meilenweit voraus, während wir in Sachen Kundenerlebnis, Energieeffizienz und Dematerialisierung auch kurzfristig weiter voranschreiten müssen. Aber das Team hier habe ich als so innovationsfreudig und engagiert kennengelernt, dass ich mir darum eigentlich keine Sorgen machen muss.
Das Thema Nachhaltigkeit genießt bei Vandersanden also immer noch eine hohe Priorität?
Absolut, der Übergang zur CO2-Neutralität wird in den kommenden Jahren absolute Priorität haben. Wir sehen das allerdings ganz und gar nicht als Bedrohung. Wir werden „Together to Zero“ mit einer klaren Roadmap und vielen Akteuren in unserer Branche konsequent weiter ausrollen. Damit stärken wir unsere Position als Klimavorreiter und werden in der Lage sein, rasch auf neue Entwicklungen zu reagieren. Das hilft auch dem Vertrieb.
Digitalisierung
Das waren jetzt viele Worte zur Vandersanden-Hardware. Wie steht es aber um die digitale Vandersanden-Welt? Stichwort Digitalisierung.
Vandersanden arbeitet ständig an der Digitalisierung seines Angebots. Zu den Meilensteinen der vergangenen Jahre zählt beispielsweise Brickdrive. Brickdrive erhöht die Ladeeffizienz, Geschwindigkeit und Sicherheit dank digitalem Pickup-Modul bei der Abholung unserer Produkte. Der Texturgenerator für Fassaden- wie auch für Pflastersteine war ein Novum, das besonders bei Kreativen hervorragend angekommen ist.
Und dann wäre da noch die Umstellung unserer gesamten IT auf ein hochmodernes, integriertes System, das alle internen Prozesse schlanker, übersichtlicher, quantifizier- und messbar macht. Wenn wir solche Effizienzschätze heben, profitieren auch unsere Kunden davon. Und darum geht es schließlich. Die Vandersanden-Experience als ganzheitliches Erlebnis für langfristig schöne Fassaden und Pflaster. Denn auch die Digitalisierung ist bei Vandersanden kein Selbstzweck.
Die Ideen für die zu digitalisierenden Prozesse kommen übrigens nicht von ungefähr. Es ist immer ein Impuls vom Kunden oder aus dem Team, eine kleine brillante Idee, die den Digitalisierungsstein ins Rollen bringt. Dazu passt gut: Ich glaube fest an eine partizipative Arbeitskultur; den Ideen meiner Kollegen werde ich sehr genau zuhören.
Sie werden also im größten Ziegel produzierenden Familienunternehmen in Europa auf Ihre Mitarbeiter hören?
Das ist genau mein Ziel. Denn wenn wir Ideen umsetzen und diesen guten Ideen gebührende Anerkennung zuteilwerden lassen, wirkt sich das sofort auf die Stimmung im Unternehmen aus. Und für ein prosperierendes Unternehmen bedarf es guter Stimmung bei den Mitarbeitern. Vandersanden nennt das seit je her „Kollektives Wohlbefinden“. Dazu wollen wir als Teil der Gesellschaft zum Wohlergehen aller Menschen beitragen. Der wirtschaftliche Erfolg ist ein Mittel, einen wesentlichen Beitrag zum Wohlbefinden unserer Mitarbeiter, Kunden, der Gesellschaft und der Umwelt zu leisten. Diesen Weg möchte ich mit Vandersanden unbedingt weitergehen!