Innovatherm

Das Ventil ist ein Zukunftsthema

Innovatherm im hessischen Butzbach ist ein etablierter Experte und Lieferant für Brenntechnik. Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten mit der Ziegelindustrie verbunden, war in den vergangenen 20 Jahren aber hauptsächlich in der Aluminiumindustrie tätig. Jetzt soll der Fokus wieder stärker bei der Grobkeramik liegen. Im Interview erläutern die beiden Geschäftsführer Frank Appel und Andreas Lingl die Gründe für diese Entscheidung und warum das Ventil das Zukunftsthema ist.

Wie ist Innovatherm entstanden? Und warum mit Sitz in Butzbach?

Frank Appel: Beides hängt mit Manfred Leisenberg zusammen. Dieser hat in den 1950ern die Manfred Leisenberg KG gegründet und sich mit der Entwicklung von Brennern für Schweröl und Gas in der keramischen Industrie befasst. Für Butzbach hat er sich entschieden, weil die Lage des Ortes in der Mitte Deutschlands ideal für Kundenbesuche war. Dessen Sohn, Prof. Dr. Wolfgang Leisenberg, hat dann mit meinem Vater, Klaus Appel, 1991 Innovatherm gegründet. Prof. Leisenberg wollte ein technisch innovatives Unternehmen erschaffen und hatte die Vision, hervorragende Verfahrenstechniker und Keramiker um sich zu scharen. Als Tochterunternehmen von Lingl lag der Fokus bei Innovatherm zunächst auf dem Modernisierungsgeschäft bestehender Anlagen.

Hat er die Impulsfeuerungstechnik entwickelt?

FA: Nein, das geht auf das Konto von Manfred Leisenberg. Dieser hat den Prototyp der Impulsfeuerung für Öl- und Gasbrenner und die für diesen Pulsbetrieb notwendigen speziellen Ventile entwickelt. Prof. Leisenberg und insbesondere Wolfgang Uhrig haben die Entwicklungen später weiter vorangetrieben. Im deutschsprachigen Raum war Innovatherm-Brenntechnik durchaus verbreitet. Allerdings dominierten die großen Anlagenbauer im keramischen Bereich den Weltmarkt – dort konnte Innovatherm nie wirklich Fuß fassen.

Was hat das Unternehmen dann gemacht?

FA: Innovatherm hat einen anderen Markt aufgetan und ist aufgrund des Wirkens von Herrn Detlef Maiwald zum Weltmarktführer für Anodenbrenntechnik für die Primäraluminiumindustrie aufgestiegen. Das Keramikgeschäft wurde in dieser Zeit nur opportunistisch mit Bestandskunden betrieben.

Wie kam es zur erneuten Ausrichtung auf die Keramik?

FA: Das ist unsere Entscheidung gewesen. Als Wolfgang Leisenberg 2012 aus dem Unternehmen ausschied, haben mein Cousin Andreas Lingl und ich seine Anteile als Gesellschafter übernommen. Wir waren allerdings bis 2020 noch als Gesellschafter bei Lingl eingebunden. Nach der Insolvenz von Lingl haben wir die restlichen Geschäftsanteile an Innovatherm übernommen. Seit dem 01.01.2021 ist Innovatherm ein unabhängiges und eigenständiges Unternehmen.

Was hat Ihre Entscheidung motiviert?

FA: Wir glauben, dass Innovatherm dem keramischen Bereich sehr gute, innovative Lösungen anbieten kann, die in der aktuellen Zeit gefragt sind. Außerdem verfügte das Unternehmen über einschlägige Kompetenzen, einen Kundenstamm sowie einen etablierten Namen und Produkte.

Welchen Anteil nimmt die Grobkeramik bei den Geschäftstätigkeiten  ein?

Andreas Lingl: Der Anteil liegt bei rund zehn Prozent. Das wollen wir ändern. Seit vergangenem Jahr verstärken wir unsere Präsenz in der Branche. Wir waren auf der Ceramitec, in Clemson und auf dem
Würzburger Ziegellehrgang. Unser Ziel ist, dass Leute bei Brenntechnik sofort an Innovatherm denken müssen. Dazu gehört auch, klarzumachen, dass Innovatherm ein unabhängiges Unternehmen ist. Viele Leute glauben noch, wir wären bei Lingl.

Treten Sie in direkten Wettbewerb mit den Schwergewichten des Anlagenbaus?

AL: Wir sind keine Ofen- oder Trocknerbauer, wir sind deren Lieferanten. Wir kümmern uns um die verfahrenstechnische Bestückung mit Hardware und dem Leitsystem. Die großen Anlagenbauer sollen ihre Brennertechnik künftig bei uns bestellen. Vom Produkt her sind unsere direkten Wettbewerber eher die einschlägigen Hersteller von Brennern bzw. Prozessleitsystemen.

Wie ist die Wettbewerbssituation in diesem Bereich?

AL: Qualitativ besteht kein wirklicher Wettbewerb. Brenner sind eigentlich simpel und wenig mehr als ein Rohr. Das können viele. Der Unterschied liegt an der Peripherie. Für Pulsbrenner braucht es Pulseinrichtungen. Innovatherm hat dafür eigene Produkte entwickelt. Unsere Gas-Magnetventile sind durch eine Baumusterprüfung zertifiziert. Unsere Ventile erreichen rund 500 Millionen Schaltspiele, umgerechnet entspricht dies einer Lebensdauer von bis zu 20 Jahren. Das ist bis heute unübertroffen und verschafft uns ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. In der Primäraluminiumindustrie sind unsere Ventile der technologische Benchmark, Innovatherm setzt den Weltstandard. Für die Ziegelindustrie dürften die Impulsbrenntechnik und damit unsere Ventile gerade heute interessant werden.

Was bringen Pulsbrenner in der Ziegelherstellung?

FA: Sie erhöhen die Energieeffizienz im Ofenbetrieb. Aktuell wird eine gleichmäßige Temperaturverteilung mittels Umwälzung erreicht. Dazu werden große Mengen meist kalter Luft in den Ofen geleitet, mit Heißgas-Brennern erhitzt und mit Umwälzern bewegt. Das ist ein sehr ineffizientes Verfahren. Das Institut für Ziegelforschung in Essen setzt dagegen auf stöchiometrische Verbrennungsverfahren. Auch die Roadmap des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie beruht darauf, den Luftüberschuss im Ofen zu tilgen. Wir glauben, wir haben mit dem Pulsbrenner eine passende Antwort gefunden. Denn der pulsierende Brenngasstrahl – nicht große Luftmengen – verwirbelt die Ofenluft und sorgt für eine gleichmäßige Temperaturverteilung. Im Vergleich mit herkömmlichen Anlagen sind deutliche Energieeinsparungen möglich – je nach Ausgangslage bis zu zehn Prozent und mehr.

AL: Die Temperaturverteilung im Querschnitt ist insbesondere für Dachziegel und Farbgebung wichtig. Dafür ist die Impulsbrenntechnik auch sehr gut geeignet

Lässt sich das Magnetventil noch anderweitig einsetzen?

FA: Ja, wir bringen aktuell ein neues Luftdosierventil auf dem Markt. Die heute übliche Technik steuert den Gaszufluss mit einem Magnetventil und den Luftzufluss mit einer Stellklappe. Dieses mechanische Bauteil hat eine vergleichsweise lange Stellzeit von drei bis ca. sechs Sekunden vor bzw. nach der Gastaktung. Mit einem Magnetventil für die Brennerluft sinkt die Stellzeit auf 50 Millisekunden vor bzw. nach der Gastaktung. Allein durch einen solchen Austausch lässt sich das Volumen der über die Brenner in den Ofen aufgegebenen Luft drastisch redu-zieren. Je nach Ausgangssituation kann dies zwischen sechs bis 15 Prozent Brennstoff einsparen. Wir haben dazu ein Computer-programm entwickelt, welches mit den kundenseitigen Parametern gefüttert genau berechnet, mit welcher Einsparung Kunden rechnen können, wenn sie diese Luftdosierventile einsetzen.

Dazu bieten Sie auch die passende Leittechnik an?

FA: Das möchte ich gerne ergänzen. Wir bieten dem Kunden die an seine konkreten verfahrenstechnischen Bedürfnisse angepasste Hardware an. Die Leittechnik ist das Mittel, mit dem ein optimaler Brennprozess umgesetzt wird.

Worin bestehen diese verfahrenstechnischen Bedürfnisse?

FA: Die zwei wesentlichen Variablen, die verfahrenstechnisch Berücksichtigung finden müssen, sind Brennstoff und Brenngut. Beginnen wir beim Brennstoff. Im Vergleich zu anderen Branchen weist die Ziegelindustrie ein besonderes Betriebsregime auf. Die Zementindustrie beispielsweise wählt Brennstoffe nach dem günstigsten Preis aus. Denn Zementklinker verträgt einen Brennstoffwechsel problemlos. Das gilt auch für deren Drehrohröfen. Diese sind erheblich kleiner, können somit leichter außer Betrieb und instandgesetzt werden. So flexibel ist die Ziegelindustrie nicht. Ein Brennstoffwechsel kann zu ungewollten Effekten am Brenngut wie Farbänderungen sowie zu Schäden am Ofen führen. Die Ziegelöfen sind deutlich größer und haben längere Lebensdauern, bis zu 50 Jahren. Deshalb muss es ein Matching zwischen Brennstoffangebot und -abnahme geben.

Wie sieht dieses Matching aus?

FA: In der Ziegelindustrie handelte es sich immer um individuelle kundenspezifische Lösungen. Bis zum Legen der Erdgasnetze in den 50er und 60er Jahren war es Standard, Brennstoffe nach Preis und Angebot auszusuchen: Kohle, Schwer- oder Leichtöl, Holz. Die flächendeckende Versorgung mit einem konstant verfügbaren, sauber abbrennenden und preiswerten Brennstoff, Erdgas, bedeutete einen qualitativen Sprung für die Ziegelindustrie. Das hat das Matching erheblich vereinfacht.

Welchen Einfluss hat das Brenngut?

FA: Der keramische Rohstoff hat je nach Herkunft eine unterschiedliche mineralogisch-chemische Zusammensetzung. Außerdem verwenden viele Ziegelhersteller, insbesondere von Dachziegeln und Klinkern, verschiedene Rohstoffmischungen für verschiedene Produkte, beispielsweise verschiedene Farben. Derselbe Ofen muss weißbrennende kaolinitische Rohmaterialien ebenso beherrschen können wie rotbrennende und andere. Je nach Material unterscheiden sich die Temperaturbereiche für exotherme und endotherme Reaktionen. Im Vergleich zu Zement, Glas und Metallen verhält sich Tonkeramik deshalb sehr erratisch. Aus diesem chemisch-physikalisch charakteristischen Reaktionsverlauf ergibt sich die materialspezifische Brennkurve und dadurch schließlich die Ofenbestückung mit Brennern, Umwälzungen, Absaugungen und Einblasungen.

Das klingt recht kompliziert.

FA: Ja, die verfahrenstechnische Bestückung des Ofens unterscheidet sich von Produkt zu Produkt. Dazu muss auch das chemische Verhalten des Brennguts im Ofen beachtet werden. Beispielsweise enthalten manche Tonen Alkalien, die in bestimmten Temperaturbereichen freigesetzt werden und die Schamotten angreifen können. Deshalb folgt auch die technische Ausführung des Ofens den mineralogischen Erkenntnissen. Die Kunst besteht darin, dass an der richtigen Stelle das Richtige passiert.

AL: Dabei unterscheiden sich Ziegel und Fliesen. Die Fliesenherstellung operiert mit standarisierten Massen. Die brenntechnische Behandlung, also Aufbau und Bestückung eines Fliesenofens, ist deshalb grundsätzlich einfacher. Ein Ziegelofen muss mit jedem Rohstoff zurechtkommen und im Ergebnis rissfreie Ziegel in gleichbleibender Qualität produzieren. Deshalb ist ein Grobkeramik-Tunnelofen verfahrenstechnisch viel aufwändiger als beispielsweise ein Fliesen-Rollenofen.

Sind Ihre Ventile für den Einsatz von Wasserstoff geeignet?
FA: Das sind sie. Der wesentliche Unterschied zu Erdgas besteht im deutlich geringeren Brennwert und der geringeren Dichte von Wasserstoff. Im Ergebnis muss für dieselbe Energiezufuhr zum Brenngut das sechsfache Volumen Wasserstoff durch die Rohrleitung geführt werden. Wenn Sie den Durchmesser der Leitung nicht deutlich erhöhen wollen, brauchen Sie einen höheren Druck. In der erdgasnutzenden Ziegelindustrie liegen heute übliche Betriebsdrücke bei 0,3 bar, vielleicht auch mal etwas höher. Unser neues Ventil für Wasserstoff schafft mehr als das Zehnfache und hält einen Druck bis 4 bar aus. Einer der ersten, die unser Ventil dafür einsetzen, ist das Gas-Wärme-Institut in Essen, welches Brennversuche mit Wasserstoff durchführt.

Also sind Sie auf den Brennstoff Wasserstoff vorbereitet?

FA: Das findet seit längerem bei uns statt. Unser Ziel ist, unsere Brenner und Ventile als wasserstoff-erprobt zu deklarieren. Dabei geht es auch um Zulassungsthemen. Unser keramisches Team hier in Butzbach führt bereits seit einiger Zeit entsprechende Versuche durch. Wasserstoff-Flammen sind deutlich kürzer als Gasflammen. Die chemische Reaktion von Wasserstoff erfolgt viel schneller als bei Erdgas, es brennt viel früher ab und die Flamme ist in einem kleinen Bereich heißer. Das erfordert Konstruktionsänderungen an unseren Brennern. Allerdings ist die Brennertechnologie nicht das Hauptproblem. Die eigentliche Herausforderung stellt das Verhalten von Wasserstoff im Ofen dar. Deshalb muss man den Ofenbrand mit Wasserstoff ausführlich testen.

Was folgt daraus?

FA: Das andere Brennverhalten bedeutet, dass beim Wasserstoff besonders auf die Temperaturverteilung geachtet werden muss. Das ist mit unserer Impulsbrenntechnik gut möglich. Sie können die Flamme quasi positionieren und Ofenbereiche konkret ansteuern. Lange Pulse erreichen die Tiefe des Ofenraumes, kurze Pulse erhitzen eher den Rand.

Gibt es noch andere Hürden beim Einsatz von Wasserstoff?
AL: Wasserstoffbrand führt zu anderen chemischen Reaktionen und Verhältnissen im Ofen als Erdgas. Zum Beispiel bilden sich bei der Oxidation von Wasserstoff große Mengen an überhitztem Wasserdampf im Ofen, was Auswirkungen auf die Produkte haben wird. Unterschreitet der gebildete Wasserdampf die Taugrenze, kondensiert er. Das kann die Bildung von Säuren im Ofen begünstigen. Im Fall von schwefelhaltigem Ton kann im Ofen im Kontakt mit Wasser Schwefelsäure entstehen.

Die Umstellung auf Wasserstoff wird also Zeit benötigen?

FA: Ja. Von heute auf morgen auf 100 Prozent Wasserstoff umzustellen, ist nicht realistisch. Sowohl wegen technischer Hürden als auch wegen Fragen der Verfügbarkeit. Den Anfang werden Zumischungen von Wasserstoff in Dualbrenneranlagen machen. Der Anteil dürfte zunächst nicht mehr als zehn Prozent betragen. Wenn die entsprechenden Verfügbarkeiten geschaffen sind, wird man die Brennergruppen schrittweise ertüchtigen und den Wasserstoffanteil peu à peu erhöhen.

Wie läuft die Stellenbesetzung bei Innovatherm?

AL: Das ist ein herausforderndes Thema, mit dem ich mich seit meinem Einstieg hier beschäftige. Gute Leute sind unser Kapital. Bisher hat es erfreulicherweise geklappt, Stellen zu besetzen. Allerdings ist der Aufwand, den wir dabei betreiben, erheblich. Bei nur 35 Mitarbeitern müssen Stellenbesetzungen sehr zielgerichtet und behutsam erfolgen; Fehlbesetzungen oder einen unangemessen starken Personalaufbau können wir uns einfach nicht leisten.

Auf welche Karte setzen Sie?

AL: Wir spielen recht erfolgreich die Karte des inhabergeführten Mittelstands – mit sehr flachen Hierarchien, kurzen Kommunikationswegen, breiter Verantwortungsspanne und großer Entscheidungsfreiheit. Damit einher gehen eine flexible und kooperative Arbeitsweise. Unsere Firmengemeinschaft ist intakt, familiär und vertrauensvoll, man hilft einander, unsere Mitarbeiter fühlen sich wohl. Damit gelingt es uns, hochqualifizierte und engagierte Leute für uns und die abwechslungsreiche und intellektuell fordernde Tätigkeit bei Innovatherm zu begeistern.

Meine Herren, ich bedanke mich für das Gespräch!

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