Intiative Bauen mit Backstein

Der große, leise Visionär

Erich Mendelsohn war einer der wichtigsten Vertreter der Moderne in Deutschland und gilt bis heute als einer der weltweit innovativsten Architekten seiner Zeit. Die Initiative Bauen mit Backstein würdigt Mendelsohn als Pionier der modernen Architektur mit einem besonderen Schritt: Ihr alle drei Jahre ausgelobter internationaler Architekturpreis wird in Zukunft den Namen Erich-Mendelsohn-Preis für Backstein-Architektur tragen.

„Mit der Namenswahl betonen wir den innovativen und internationalen Anspruch unseres Preises“, begründet Ernst Buchow als Vorsitzender der Initiative die Namensgebung. „Erich Mendelsohn steht in der Reihe der großen Baukünstler, denen es gelang, gestalterische und konstruktive Konventionen beim Bauen zu überwinden und zu ­transformieren.“ Seine Offenheit für Technologien und Materialien, seine Formsprache und seine fortschrittlichen Ideen zum Städtebau hätten die Architektur weltweit und bis heute geprägt. Mit der Wahl von Erich Mendelsohn als Namensgeber setzt der renommierte Architekturpreis ein Zeichen für zukunftsweisendes Bauen, das für die Herausforderungen der Zeit ästhetisch und technisch nachhaltige Antworten findet.

Schon Einstein schätzte Mendelsohn

Nur ein Jahr jünger als Mies van der Rohe und ein halbes Jahr älter als Le Corbusier besitzt Erich Mendelsohn (1887-1953) heute nicht mehr die Bekanntheit der beiden Stars unter den europäischen Architekten der Moderne. Dabei hatte ihn sein Einsteinturm schon zu Beginn der 1920er über Nacht berühmt gemacht: Das Observatorium in Potsdam zählt mit seiner neuartigen Formensprache zu den Ikonen des Neuen Bauens. Albert Einstein, Namensgeber des Werks, war es, der die frei geschwungenen Wandflächen erstmalig „organisch“ nannte.

Backstein als prägendes Element

Ein anderes Beispiel für seine Experimentierfreude mit Materialien ist die Hutfabrik in Luckenwalde, ein Wegbereiter für Industriegebäude im Sinne der Corporate Architecture. Das an einen Hut erinnernde expressive Dach krönt eine Fassade aus Backstein, die gezielt mit Glasflächen durchgebrochen wird. Hier zeigt sich erstmals die besondere Qualität des Architekten beim Umgang mit Backstein: Mendelsohn verwendet das Baumaterial als prägnantes Gestaltungselement, das die Bauvolumen in eine filigrane Haut aus horizontalen Linien zu hüllen scheint. Mendelsohns einflussreiches Berliner Architekturbüro hat wesentlich das Neue Bauen geprägt und inspirierte Architekten weltweit. Mendelsohn war zwar nicht auf ein bestimmtes Baumaterial festgelegt, aber einige seiner wichtigsten Werke, vor allem aus seiner Berliner Zeit von vor 1933, haben mit Backstein die für Mendelsohn typische, dynamische Großstadt-Architektur ermöglicht.

Innovativer Umgang mit Material und Form

Zu seinem Frühwerk in Deutschland gehört beispielsweise der Umbau des Verlagshauses Mosse mit in elegantem Schwung um die Ecke laufenden Fensterbändern. Seine ­berühmten Kaufhausentwürfe für Stuttgart, Breslau oder Chemnitz entwickeln das Thema der abgerundeten Gebäudeecke weiter bis hin zu geschwungenen Fassaden. Die organischen Rundungen werden zu seinem Wiedererkennungsmerkmal und prägen noch heute das Stadtbild Berlins, wie der in Backstein gekleidete Woga-Komplex am ­Kurfürstendamm. „Beim Woga-Komplex betonte er mit dem Material die Horizontale. Er schichtete jeweils eine Reihe glänzender Binder über einer Reihe matterer Läufer, so dass bei bestimmtem Licht eine gestreifte Struktur erscheint. Mendelsohns Umgang mit Backstein war innovativ“, fasst es Carsten Krohn, Autor der neuesten, umfassenden Mendelsohn-Monografie „Erich Mendelsohn – Bauten und Projekte“ zusammen.

Wachsendes Interesse der Nachwelt

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten folgte die Zäsur: Mendelsohn sah sich als Jude gezwungen, über London nach Israel und schließlich in die USA zu emigrieren. Sein späteres Werk bis zu seinem Tod im Jahr 1953 rückt inzwischen wieder stärker in den Fokus.

Besonders die Entwürfe aus dieser Zeit machen augenfällig, wofür Mendelsohns Werk vor allem steht: im Streben nach innovativer Architektur niemals stehenzubleiben, flexibel auf die Anforderung des Umfeldes einzugehen und dabei immer wieder überraschende Antworten zu finden. Für Ernst Buchow ist der Name Erich Mendelsohn deshalb „genau das Zeichen, das wir mit unserem Preis für Backstein-Architektur für die Zukunft setzen wollen“.

Hintergrund:

Seit 2007 zeichnet der Preis für Backstein-Architektur Projekte aus, die das Potenzial des traditionellen Baustoffs nutzen, um zeitgemäße sowie zeitlose Bauwerke zu schaffen. Die Einreichungen zum alle drei Jahre ausgelobten Preis kamen zuletzt aus über 30 Ländern. Unter den Preisträgern sind namhafte Architekturbüros wie David Chipperfield Architects, Barozzi Veiga oder Witherford Watson Mann. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit Fritz Högers hatte die Initiative Bauen mit Backstein beschlossen, dem ehemaligen Fritz-Höger-Preis einen neuen Namen zu geben, der dem internationalen und progressiven Charakter des Wettbewerbs nachhaltig Ausdruck verleiht. Den Ausschlag dafür gab eine neue, eigens in Auftrag gegebene Studie des Hamburger Historikers Prof. Thomas Großbölting.

Die Studie „Fritz Höger – eine politisch professionelle Biographie“ und weitere Informationen zur Umbenennung finden Sie unter: www.backstein-architektur.de/presse

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