Die Backsteinstadt Lüneburg im Wandel der Baustile
Die Organisatoren, der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. und das Institut für Stadt- und Kulturraumforschung der Leuphana Universität Lüneburg, konnten zur diesjährigen Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ in Lüneburg rund 70 Teilnehmer begrüßen.
Die Veranstaltung startete mit der Fachexkursion am Sonntag, 24. Juni. Zuerst stand ein Rundgang durch die Salzstadt Lüneburg mit ihren zahlreichen Backsteinbauten auf dem Programm, u.a. wurde die Nicolaikirche besichtigt. Auch die Probleme der Salzgewinnung und starke Gebietssenkungen innerhalb der Stadt waren ein Thema. Anschließend ging es in zwei Klöster: Im 1172 gegründeten Kloster Lüne konnten die Teilnehmer die in dieser Gegend allgegenwärtigen Tau-Ziegel bewundern. Hauptattraktion von Kloster Ebstorf ist die „Ebstorfer Weltkarte“, die nach einem interessanten Klosterrundgang in ihrer ganzen Pracht bewundert werden konnte, wenn auch nur als Kopie. Ein geselliges Miteinander im Gewölbekeller des „Mälzer“ bot Gelegenheit, erste Erfahrungen auszutauschen.
Den ersten Tagungstag eröffnete Martin Roth, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e.V. Er übermittelte herzliche Grüße von Präsident Jacobi, dem es sehr wichtig ist, diese Veranstaltung zu erhalten und damit auch die Ziegelgeschichte zu bewahren. Roth sieht positiv für den Ziegel in der nahen Zukunft, er erwartet eine steigende Nachfrage nach Wohnraum.
Prof. Dr. Burkhardt Funk, Leuphana Universität Lüneburg, gab in seinen Begrüßungsworten interessante Fakten zur Universität und informierte auch über den umstrittenen geplanten Bau des neues Hauptgebäudes von Stararchitekt Daniel Libeskind.
In seinem Vortrag „Die Europäische Route der Backsteingotik“ gab Dr. Edgar Ring, Stadtarchäologe Lüneburg, einen Überblick über das länderübergreifende Projekt, umfangreiche Informationen dazu sind unter www.eurob.org zu finden.
„Backsteinbauten der Renaissance in den Niederlanden“ waren das Thema von Rob Vermeulen, Voorburg, Niederlande. Er zeigte an vielen Beispielen, dass die Impulse dazu von den Niederlanden ausgingen, sich der Baustil aber in ganz Nordeuropa verbreitete.
Dr. Gerhard Zsutty, Wien, sprach über die „Neogotik in Wien“. Der für Wien eher „fremde“ Backsteinbau fand durch die Gründung der Wiener Ziegeleien und Bauten deutscher Architekten vor allem im Sakralbau Anwendung.
„Impressionen zur Lüneburger Baukultur: Eine Stadt im Spiegel der Jahrhunderte“ gab Antje Seidel, Lüneburg. Sie spannte den Bogen von der Gotik, die mit ihren Backstein-Sakralbauten eine herausragende Rolle bei der Gestaltung der Stadtlandschaft spielte, über die Renaissance, in der die für die Gegend typischen Tau-Ziegel aufkamen, bis hin zu Barock, Klassizismus, Historismus und Jugendstil. In den verschiedenen Zeiten wurde der Backstein mehr oder weniger verwendet, als verputztes Mauerwerk oder als Sichtmauerwerk.
Acht Jahrhunderte Baugeschichte – „Das Lüneburger Rathaus. Ein Backsteinbau des frühen 14. Jahrhunderts“ stellte Michael Flechtner, Hannover, vor. Vor allem die prägende Dachziegellandschaft ist etwas ganz Besonderes.
Dr. Hansjörg Rümelin, Hannover, informierte über den „spätmittelalterlichen Sakralbau in Lüneburg am Beispiel von St. Michaelis und St. Nicolai“. Letztere soll über den steilsten Kirchenraum der Gotik verfügen.
Dass Terrakotten seit 1543 in Lüneburg produziert wurden, war Bestandteil des Vortrages „Ofenkacheln und Terrakotten in Lüneburg. Eine Serienproduktion in Ton“ von Dr. Edgar Ring, Lüneburg.
In ihren Ausführungen „Die Lüneburger Ziegelproduzenten der Neuzeit und ihre Bedeutung für das Stadtbild“ informierte Antje Seidel, Lüneburg, über das Projekt „Die wirtschaftlich-kulturelle Bedeutung des Rohstoffs Ton für die Backsteinstadt Lüneburg“. In diesem Projekt wird der Zusammenhang zwischen Rohstoff – Ziegelproduzent – Produkt – städtisches Bild erforscht. Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch 14 produzierende Ziegeleien in der Gegend, heute gar keine mehr.
In seinem Impulsreferat „Bedeutung der Backstein-Architektur für das Tourismus-Marketing“ stellte Dr. Martin Pries, Lüneburg, klar, dass die Backsteinkultur zwar nicht aktiv vermarktet wird, aber immer aktuell sei.
Zum Schluss des ersten Tages gaben die Vertreter der Museen einen Überblick über die Aktivitäten ihrer Häuser. Darüber diskutiert wurde dann beim Zieglerabend in der Krone, der ehemaligen Kronen-Brauerei.
Am Dienstag startete Dr. Martin Pries, Lüneburg, mit seinem Vortrag „C. W. Hase und seine Bedeutung für das Bauen im ländlichen Raum“ in den 2. Veranstaltungstag. Hase bildete rund 3500 Schüler, davon 1000 Architekten, in seiner Hannoverschen Schule „neugotisch“ aus. Allerdings blieb die Neugotik meist auf Sakral-, Industriebauten und öffentliche Gebäude beschränkt und wurde im Wohnbau selten angewandt, wenn, dann nur als Ziegelornamentik.
Den auch beim Rathaus von Lüneburg zur Restaurierung verwendeten Hartbrandgips thematisierte Gerd Srocke, Halberstadt, in seinem Vortrag „Anwendung von in historischer Technik gebranntem Gips bei der Altstadtsanierung in Lüneburg“.
Corinna Grader, Hannover, informierte dann über erste Ergebnisse der Untersuchungen an Rohstoffen, Terrakotten und Backsteinen im Rahmen des gemeinsamen Projektes, das von Antje Seidel am Vortrag vorgestellt worden war. Es wurden bereits umfangreiche Proben analysiert, eine abschließende Aussage konnte die Forscherin in ihrem Referat „Mineralogische Zusammenhänge zwischen Rohstoff und Produkt“ noch nicht geben und vertröstete die Zuhörer auf die nächste Veranstaltung 2013.
„Die Arbeit der Denkmalpflege in Lüneburg“ stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Dr. Klaus Püttmann, Lüneburg. Er setzte sich auch mit der Frage auseinander, wie ein denkmalgeschützes Gebäude unter modernen Gesichtspunkten saniert werden sollte.
Kernaussage des Architekten Carl-Peter von Mansberg, Lüneburg, in seinem Vortrag „Modernes Bauen in der alten Backsteinstadt“ war, dass der Kostenfaktor für ein Ziegelmauerwerk meist völlig überbewertet werde, da er nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmacht. Von Mansberg betonte, dass Schönheit auch immer etwas mit Nachhaltigkeit zu tun habe, wie er an ausgewählten Projekten eindrucksvoll bewies.
In der Abschlussdiskussion dankte Dr. Wolfgang Müller, Weimar, noch einmal ausdrücklich den Organisatoren der Leuphana Universität um Antje Seidel. 2013 steht die nächste Tagung vom 30. Juni bis 2. Juli in Flintsbach auf dem Programm.