Ein Vierteljahrhundert beim Würzburger Ziegellehrgang
Joachim Deppisch ist den meisten Stammgästen des Würzburger Ziegellehrgangs (WZL) ein Begriff. Seit 1997 organisiert er mit viel Energie und großer Leidenschaft das wichtigste jährliche Treffen der der deutschen Ziegelbranche. Mit dem 60. WZL, der in diesem Jahr stattfindet, verabschiedet sich Deppisch aus seinem Amt. Im Vorfeld konnte die ZI-Redaktion mit Joachim Deppisch sprechen. Im Interview blickt er auf ein Vierteljahrhundert beim WZL zurück und schildert u. a., warum die Übernahme der Lehrgangsleitung eine Überraschung war, was den besonderen Reiz des WZL ausmacht und was er seinem Nachfolger wünscht.
Herr Deppisch, wie sind Sie Leiter des Würzburger Ziegellehrgangs geworden?
Joachim Deppisch: Ich habe die Position nicht bekommen, weil ich ein ausgesprochener Ziegelfachmann war. Das war mein unmittelbarer Vorgänger, der Leitende Baudirektor Lothar Rieseler, auch nicht. Der hatte als Prüfamtsleiter der Landesgewerbeanstalt (LGA) Bayern in Würzburg immerhin ein solides Grundwissen von Baustoffen. Bei mir war es ähnlich. Als Leiter der Materialprüfung habe ich im Rahmen von Werksüberwachungen viele Ziegelprüfungen vorgenommen. Ziegel waren mir deshalb nicht völlig fremd.
Lothar Rieseler hat mich 1996 gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Lehrgangsleitung nach seinem Eintritt in den Ruhestand zu übernehmen. Er wusste, dass ich bei der LGA gerne und viel mitorganisiert habe, zum Beispiel das Sommerfest. Ich solle mir den Lehrgang einmal ansehen, meinte er. Also saß ich am 26. November 1996 im Saal und erlebte meinen ersten WZL. Rieseler verkündete in seiner Eröffnungsrede, er höre auf und dies wäre sein letzter Lehrgang. Dann deutete er auf mich und sagte, da sitze sein Nachfolger. Das kam sehr unerwartet. Letztlich war das für mich aber ein großer Glücksgriff.
Wie blicken Sie auf die vergangenen 25 Jahre zurück?
JD: Der Lehrgang war, obwohl ich weder mit der Industrie noch dem Verband direkt viel zu tun hatte, mein Baby bei der LGA. Die Arbeit daran war stets etwas ganz Besonderes. Es hat jedes Mal Spaß gemacht und war immer hochinteressant, beispielsweise aktuell das Energiethema. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen und besonders mit dem Beirat war klasse. Die haben den Lehrgang inhaltlich ausgemacht. Ich habe „lediglich“ mit meinem Team die Organisation erledigt.
Haben Sie den Lehrgang weiterentwickelt?
JD: Ich habe versucht, im WZL-Programm alle Produkte der Ziegelindustrie zu berücksichtigen: nicht nur Mauerziegel, sondern auch Klinker und Dachziegel. Dazu muss man die richtigen Fachleute im Beirat haben. Die erstellen letztlich das Programm und haben die technische Entwicklung im Blick.
Der Beirat war, als ich einstieg, schon gut besetzt. Das haben wir fortgesetzt. Bei der Zusammensetzung habe ich versucht, neben Wissenschaftlern vor allem auch Praktiker ins Gremium zu berufen. Denn Praktiker haben große Netzwerke und wissen, wo und bei wem etwas Spannendes und Neues passiert und wer darüber Auskunft geben kann. Im aktuellen Beirat haben wir mit Ralf Borrmann oder Murray Rattana-Ngam sowie Michael Schwarz drei großartige Praktiker. In Zusammenarbeit mit dem gesamten Beirat kommt jedesmal ein interessantes Programm heraus, das die Teilnehmer anspricht. Der Erfolg lässt sich unter anderem am steigenden Platzbedarf ablesen.
Früher waren wir in den Räumen der LGA Würzburg. Dort sind ca. 100 Teilnehmer zugelassen. Zuletzt sind wir aus allen Nähten geplatzt. Im Vogel Convention Center im vergangenen Jahr haben wir über 200 Teilnehmer unterbringen können. Der Standort und die technische Ausstattung haben sich gut bewährt. Ich gehe davon aus, dass der WZL dort vorerst bleiben wird. Mit einer Kapazität bis 250 Personen ist dort auch noch ein wenig Platz für weitere Teilnehmer.
Was zieht die Teilnehmer zum WZL?
JD: Neben der Vermittlung von praxisnahem Wissen spielt für die Teilnehmer der persönliche Austausch eine große Rolle. Das habe ich schon während meines ersten Lehrgangsbesuch, als ich als zukünftiger Lehrgangsleiter präsentiert wurde, bemerkt. Dieses Motiv hat sich noch verstärkt. Denn Gelegenheiten zum Austausch oder einander in den Werken zu besuchen werden heutzutage mit eng getakteten Terminplänen immer seltener. Der WZL bietet diese Chance.
Wir versuchen auch, den Austausch zu befördern. So haben wir bemerkt, dass bei der Abendveranstaltung ein sehr großer Saal mit großen Tischen mit zehn bis zwölf Plätzen, wie früher, den Austausch eher behindert als fördert. Dagegen haben sich die kleinen Nischen und Tische im Würzburger Hofbräu hervorragend bewährt. Dort ist gleich beim ersten Mal eine dynamische Situation entstanden, in der die Leute Tische und Stühle zusammengeschoben haben und zwischen Gruppen gewechselt sind. Da habe ich verstanden, dass die Leute das so wollen. Das zu ermöglichen, zeichnet meiner Meinung nach den WZL aus.
Damit dieses Angebot auch attraktiv und leistbar bleibt, habe ich immer darauf gedrängt, dass wir kostendeckend und ohne Gewinn arbeiten, um das günstige Beitragsniveau zu halten. Das hat, glaube ich, neben den Reizen der Stadt Würzburg, auch dazu beigetragen, dass die Ziegeleibesitzer ihre Mitarbeiter gerne herschicken.
Hat sich der Bedarf nach Austausch und Information erhöht? Oder war die Branche vor 30 Jahren weniger offen?
JD: Beides trifft glaube ich zu. Die Branche war früher verschlossener, konkurrenzbedingt fand mehr Geheimniskrämerei statt. Das war auch bei den Exkursionen zu merken. Es war schwierig, in einschlägige Betriebe hineingelassen zu werden. Oftmals haben wir deshalb andere Industrien besucht.
Unter den Unternehmern hat sich das Bewusstsein inzwischen weitgehend durchgesetzt, dass es für das eigene Geschäft besser ist, wenn die Mitarbeiter informiert sind und im Austausch stehen.
An welche besonderen Momente erinnern Sie sich gern zurück?
JD: Zwei Situationen fallen mir spontan ein. Vor rund zehn Jahren lag die Organisation des Programmes wie Bestellungen von Speisen und Getränken oder Bussen hausintern in anderen Händen. Wir von der LGA in Würzburg waren nur für die Planung zuständig. Für den Abend auf der Burg hatten wir drei Busse bestellt. Nach dem Vortragsprogramm sage ich den Teilnehmern, dass sie die Busse auf den Parkplätzen gegenüber der LGA finden und einsteigen sollen. Während alle nach unten strömen, habe ich im Gebäude kontrolliert, dass keiner vergessen wird. Als ich nach unten komme, sehe ich, dass alle 150 Teilnehmer noch auf dem Parkplatz stehen. Von den Bussen keine Spur. Dann fing das Telefonieren an. Beim Busunternehmen habe ich niemanden erreicht, aber ich hatte die Nummer eines Fahrers. Der hat mir mitgeteilt, dass ein Angebot für den Buseinsatz zwar abgegeben worden wäre, aber von unserem Organisator kein Auftrag erteilt wurde, die Busse also gar nicht bestellt waren. Da ist mir kurz das Herz in die Hose gerutscht. 150 Leute wollten essen und Bier trinken. Dann habe ich den Hörer in die Hand genommen und nur telefoniert. Innerhalb von zwölf oder dreizehn Minuten hatte ich drei Busse vor der Tür stehen. Am Ende ist es gut ausgegangen.
Ein anderer schöner Moment: Irgendwer wusste, dass ich privat Musik mache und überredete mich, beim WZL aufzutreten. Eigentlich spiele ich bloß etwas Keyboard für mich selbst. Das entwickelte sich weiter. Herr Ruppik, der früher im Beirat saß, meinte, er spiele Gitarre und seine Tochter singe. Bei den Holländern hieß es, es gebe einen Schlagzeuger. Wir haben dann zusammengefunden, einmal geprobt und sind auf dem 50. oder 55. WZL als „Ziegelkombo” aufgetreten. Insgesamt war dies ein schöner und denkwürdiger Abend.
Wie wird es mit dem Würzburger Ziegellehrgang weitergehen?
JD: Mein Nachfolger, Andreas Klarmann, wird die Leitung und Organisation übernehmen. Er ist auch schon seit einigen Jahren dabei. Als Mitarbeiter in meiner Abteilung arbeitet er auch in der LGA Bautechnik und in der Materialprüfung für Ziegel. Er organisiert gerne, auch privat, bspw. im Rahmen der Jugendarbeit. Von daher ist er ideal vorbelastet. Er bringt auch die richtige Haltung mit und hat sofort zugestimmt. Denn für diese Aufgabe braucht es jemanden, der Lust darauf hat und nicht auf die Uhr schaut. Das ist für mich eine große Beruhigung, dass die Nachfolge geklärt ist und, davon bin ich überzeugt, in guten Händen liegt.
Was machen Sie jetzt?
JD: Ich bin seit dem 1. Juni Rentner, aber ganz kann ich noch nicht aufhören. Ich habe einen Zeitvertrag mit der LGA und werde den 60. WZL noch mit ausrichten.
Danach wollen meine Frau, die auch seit August im Ruhestand ist, und ich in die Natur. Das ist unser großer Traum. Vor zwei Jahren haben wir uns E-Bikes und ein Wohnmobil besorgt. Wir wollen hier bei uns mit den Fahrrädern ins Grüne und auch mal Rhein und Donau abfahren und überall dort, wo es uns gefällt, Halt machen. Sicher geht es auch mal in den Norden zu den Klinkerfassaden.
Wollen Sie Ihrem Nachfolger einen Rat mitgeben?
JD: Er soll seinen eigenen Weg finden. Konkreter kann ich das nicht sagen, weil die Lehrgangsleitung immer von der Person abhängt. Ich bin, in der Nachfolge von Rieseler, meinen Weg gegangen: Habe Gedichte geschrieben, Leute angesprochen, Besonderes organisiert und Musik gemacht. Damit bin ich gut gefahren, wie ich von den Teilnehmern weiß. Ich wünsche Andreas, dass er mit seinem eigenen Ansatz genauso viel Erfolg haben wird.
Werden Sie den Würzburger Ziegellehrgang weiterhin besuchen?
JD: Sicherlich würde ich, wenn ich in Würzburg bin, mal vorbeischauen. Da steckt so viel Herzblut drin und hängt ein ganzer Lebensabschnitt dran. Wenn die neuen Verantwortlichen mich einladen, und sei es nur zur Abendveranstaltung, ich würde gerne kommen.