Victor Kapr

Gute und praktische Lektionen für Quereinsteiger in Essen

Essen ist, dank des Instituts für Ziegelforschung (IZF), ein Fachbildungsstandort in Deutschland für die Ziegelbranche. Neben dem jährlich im Herbst stattfindenden Forschungsseminar wird seit 2023 ein Seminar für Quereinsteiger angeboten. Nach zwei sehr gut besuchten Terminen im vergangenen Jahr fand die Veranstaltung am 4. und 5. Juni 2024 erneut statt.

Mit fast 30 Teilnehmern war das Seminar voll belegt. Überraschend war für den teilnehmenden Redakteur, welch breiten Zuspruch das Veranstaltungsformat fand. Neben fachfremden Berufsanfängern im Ziegelwerk besuchten auch einige Branchenrückkehrer, die eine Zeit lang in anderen Feldern tätig waren, das Seminar. Weitere Teilnehmer kamen aus Unternehmen der Zulieferer- und Maschinenbaubranche, aus der Hoch- und Tiefbau- sowie Projektentwicklerbranche. Auch ein an Ziegeln und Ziegelei interessierter Privatmann aus Österreich war dabei.

Die fachliche Reise ging von der Grube bis zum fertigen Produkt und war in vier thematische Blöcke sowie einen praktischen Block gegliedert. 

Rohstoff und Gewinnung

Der erste Block, vorgestellt von Sandra Petereit, ging auf Ziegelrohstoffe und deren Gewinnung ein. Referiert wurde die Tonbildung aus Verwitterung und Sedimentation, die chemische Charakterisierung als Aluminiumsilikate, der kristalline Aufbau von Tonen sowie die verschiedenen Tonmineralien. Die mineralogische Zusammensetzung bestimmt die Eigenschaften des Tons. Für die Weiterverarbeitung wichtige Eigenschaften wie Plastizität, Korngrößen und -verteilung wurden erörtert. Fazit der Erörterung ist, dass Ton und Anwendungszweck aufeinander abgestimmt werden müssen.

Die Tongewinnung wurde anhand der einzelnen Schritte diskutiert: Erkundung und Genehmigung, Probebohrung, Erörterung der auffindbaren verziegel- und nichtverziegelbaren Rohstoffe. Auch die Rohstoffaufbereitung wurde angeschnitten: Zerkleinern, Mischen, Dosieren, Homogenisieren.

 

Formgebung

Der zweite Themenblock ging zunächst auf die Bedingungen der Formgebung von Tonziegeln ein. Die Eigenschaft der Bildsamkeit oder Plastizität wurde charakterisiert ebenso wie das dazu führende Verfahren des Tonaufschlusses. Auch das Verfahren zur Messung der Reststauchhöhe eines Tonkörpers nach Pfefferkorn wurde vorgestellt.

Die Formgebung selbst wurde anhand vorgestellter Verfahren und Maschinen für Hochloch- und Dachziegel beschrieben. Den Abschluss bildete eine Diskussion verschiedener typischer Formgebungsfehler (Verformung, Rissbildung, Texturbildung) und deren Ursachen. Referentin war ebenfalls Frau Petereit.

 

Trocknung

Den dritten Themenblock bestritt Eckhard Rimpel. Die Diskussion der die Trocknungsgeschwindigkeit bestimmenden Vorgänge und der Eigenschaftsänderungen im Rohling war den theoretischen Grundlagen der Trocknung gewidmet. Im Einzelnen ging es um die Anforderungen an die Trocknung sowie die Produkteigenschaften, die den Trocknungsprozess beeinflussen (Rohstoffzusammensetzung, Formgebung, Format). Ausführlich wurden die Konvektionstrocknung und der Einfluss von Vorgängen im Inneren und außerhalb des Formlings beschrieben und diskutiert. Das Phänomen der Trockenschwindung wurde betrachtet. Besprochen wurde auch, wie sich die Trockenrissanfälligkeit des Produkts durch Einsatz von Fasern in der Tonmasse verringern lässt.

Unter dem Titel Verfahrenstechnik der Trocknung stellte Rimpel die verschiedenen Belüftungs- und Regelungsarten vor. Ausführlich wurde das Mollier-Diagramm besprochen, mit dem sich Trocknungsvorgänge in Abhängigkeit von der Temperatur der feuchten Luft, dem Wassergehalt der trockenen Luft und der relativen Luftfeuchte beschreiben lassen. Besonders wurde auf Trockenausblühungen eingegangen. Verursacht von im Trockengut vorhandenem, in Wasser gelöstem und im Zuge der Trocknung auskristallisiertem CaSo4 könne ein höherer Diffusionsstrom, erreicht durch Anheben der Rohlingstemperatur oder eine niedrigere Trocknungsgeschwindigkeit, diese vermindern helfen.

Die Prozessanalyse des Trocknungsprozesses wurde anhand von Trocknermessungen diskutiert. Rimpel erläuterte, mit welchen Messgeräten und -werten sich welche Vorgänge im Inneren und außerhalb des Formlings während des Trocknungsprozesses analysieren lassen. Neben Strömungsmessung und Strömungsprofil ging er besonders auf die Berechnungsgrundlagen für Energiebilanzen und den Trocknerenergieverbrauch ein. Auch ungleichmäßige Trocknung durch Wandeinfluss, Isolationsprobleme in Kammertrocknern, Wärmebedarf bei Anfangstrocknung und die Optimierung der Wirkung von Drehlüftern wurden angesprochen. Fazit dieser Ausführungen: „Trocknungsprobleme können mannigfaltig sein. Es ist daher ratsam, dem Trockner die gleiche ‘messtechnische Aufmerksamkeit’ zu widmen, wie dem Ofen.”

 

Praxisblock

Der Praxisblock zum Abschluss der Lehre des ersten Tages bestand aus drei Stationen, wo die Seminarteilnehmer die Gelegenheit bekamen: verschiedene Tone in die Hand zu nehmen, deren Unterschiede wahrzunehmen und sich in Handformgebung zu probieren; an einer Modellstrangpresse Vakuumformgebung auszuprobieren; und zu üben, Materialkennwerte an einem Probekörper zu messen.

Der erste Tag des Quereinsteigerseminars endete, wie es auch bei den IZF-Seminaren schöne Tradition ist, mit einem gemütlichen Beisammensein.

 

Brennen

Der vierte Themenblock war dem Brennen gewidmet und das Generalthema des zweiten Seminartages. Referenten waren Alexander Winkel, Sandra Petereit und Eckhard Rimpel.

Zunächst wurde der Einfluss des Rohstoffes auf die Brennführung diskutiert. Dazu wurden die beim Brand von Ziegeln stattfindenden endo- und exothermen Reaktionen vorgestellt. Ebenso wurde erläutert, wie die unterschiedliche Reaktionswärme der Ton- und Nichttonminerale zu einer Anpassung der Brennkurve in Abhängigkeit von der Tonzusammensetzung führt. Auch wurde auf den Nutzen thermischer Analysen zur Erstellung von Brennkurven eingegangen. Die drei gängigen Verfahren wurden vorgestellt: Simultane thermische Analyse, Dilatometrie und Austreibungskurven (vgl. ZI 6/22, S.42f.).

Dem folgte eine Erläuterung des Tunnelofens als Brennaggregat. Einer allgemeinen Erörterung von Wärmeübergang (Konvektion und Strahlung) und Wärmeleitung (direkt und indirekt) schloss sich eine eingehende Diskussion der Wärmeübertragung im Tunnelofen an. Erläutert wurden, wie Brenner auf Ofenraum und Brenngut wirken, wie Verbrennungsrechnungen durchgeführt werden und, welche Unterschiede zwischen klassischen und modernen Tunnelöfen bestehen. Angesprochen wurden u. a. die Rolle des Besatzaufbaus für die Wärmeübertragung, ebenso der Orientierung der Lufteindüsung sowie des Brennerabstands.

Die Brennraumatmosphäre wurde als Verbrennungssystem vorgestellt. Dazu wurden die theoretischen Grundlagen der Verbrennung in Erinnerung gerufen, Grundbegriffe referiert und am Beispiel der verschiedenen Erdgassorten deren Auswirkungen auf die verbrennungstechnischen Eigenschaften diskutiert. Praktisch hilfreich war der Hinweis, den Brennluftstrom an den realen Bedarf des genutzten Gases anzupassen, um Energie zu sparen. Der Diskussion gaserzeugender Rohstoffreaktionen und prozessbedingter Emissionen, Fluor-, Schwefel- und Chlorverbindungen sowie Schwelgase und Geruchsemissionen, wurde viel Platz eingeräumt.

Daran schloss sich eine Diskussion der Ursachen für die Entstehung von Schäden beim Brand an. Schäden lassen sich einteilen in Risse, Abplatzer und Aufblähungen sowie Verfärbungen. Sie können entstehen durch: die Festigkeit des Rohlings überschreitende Spannungen, gasbildende Reaktionen sowie die unvollständige Oxidation organischer Bestandteile oder Reduktionserscheinungen. Dabei wurde die Schadensbildung in Abhängigkeit vom Temperaturbereich rekonstruiert und Methoden zur Vermeidung vorgestellt.

Das Thema Betriebsmessungen wurde unter den zwei Aspekten Messzweck und -gegenstand behandelt. Die Messungen helfen bei Qualitätssicherung, Feststellung des Energieverbrauchs und der -bilanz sowie beim Prozessverständnis. Gemessen werden die Temperaturen von Gas und Luft, die Drücke, die Strömungen und Volumenströme sowie die Gaszusammensetzungen. Dabei wurde auf Wärmeverlustquellen wie Abgaswärmeüberträger und Tunnelofenwagen eingegangen. Auch Durchführung und Zweck von Rauchgasanalysen, zur Optimierung der Brennereinstellungen zur Energieeinsparung, wurden besprochen.

Als letztes Thema standen Brennfarben auf der Agenda. Nach einer einleitenden Klärung der Gründe für die Farbgebung von Ziegeln ging es hauptsächlich um Wege, die Ziegelfarbe zu gestalten: über Rohstoffzusammensetzung, Zusatzstoffe, Brennprozess, brennbare Bestandteile, Brennraumatmosphäre, Engoben und Glasuren. Diese wurden im Einzelnen in ihrer Wirkungsweise erläutert.

 

Fazit

Für den teilnehmenden Redakteur (mit geringen Vorkenntnissen) hat sich das Seminar gelohnt. Der Stoff war systematisch und didaktisch gut aufbereitet, die Vermittlung trotz der teils spröden Thematik nicht ohne Humor. Seitens der anderen Teilnehmer waren ähnliche Urteile zu hören. Besonders gelobt wurden die Praxisübungen und der Fokus auf die praktische Anwendbarkeit des vermittelten Wissens.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 1/2017

IZF Seminar 2016 – „Was Sie schon immer über Trocknung wissen wollten, aber…“

Mit einem sehr umfangreichen Seminarinhalt konnte das Institut für Ziegelforschung Essen e.V. in diesem Jahr 50 Teilnehmer begeistern, nach Essen zu kommen. Institutsleiter Dr.-Ing. Ullrich Knüpfer...

mehr
Ausgabe 06/2023

IZF-Seminar 2023: Ziegelherstellung und -anwendung

Auch in diesem Jahr fand am Institut für Ziegelforschung in Essen e. V. (IZF) das traditionelle IZF-Seminar statt. Rund 50 Fachleute aus der Ziegel- und Zulieferbranche nahmen am 19. und 20....

mehr
Ausgabe 6/2018 IZF-Seminar 2018

Alles rund um die Rohstoff- und Prozessanalyse

Auch im Jahr 2018 konnte das Institut für Ziegelforschung Essen e.V. mit einem sehr umfangreichen Angebot an Vorträgen das Fachpublikum beim IZF-Seminar überzeugen. Der IZF-Institutsleiter...

mehr
Ausgabe 08/2014

IZF-Seminar 2014 – Schwerpunkt Ressourceneffizienz

Zum diesjährigen IZF-Seminar am 17./18. September begrüßte Dr.-Ing. Ullrich Knüpfer, Leiter Institut für Ziegelforschung Essen, 42 Teilnehmer aus Deutschland und der Schweiz. Der Schwerpunkt...

mehr
Ausgabe 4/2018 18./19. September 2018, Essen

33. IZF-Seminar: Rohstoff- und Prozessanalyse

Beim diesjährigen IZF-Seminar sollen Strategien vermittelt werden, die zielgerecht bei der Ursachenergründung und Minimierung von Problemen angewandt werden können. Beginnend mit der...

mehr