Händle GmbH Maschinen und Anlagenbau

„Immer einen Schritt voraus“– Führungswechsel bei Händle GmbH Maschinen und Anlagenbau

Das Traditionsunternehmen Händle GmbH Maschinen und Anlagenbau im baden-württembergischen Mühlacker genießt in der Branche einen hervorragenden Ruf. Im Oktober 2022 hat Händle unter dem Namen „Green & Energy“ eine neue Antriebstechnik mit Effizienzvorteilen bis zu 20, vereinzelt bis zu 50 Prozent vorgestellt. Aktuell steht das Unternehmen vor einem Führungswechsel. Gerhard Fischer, Geschäftsführer seit 2009, wird planmäßig Ende März 2023 in den Ruhestand treten. Die Nachfolge werden Thomas Bauer als kaufmännischer Geschäftsführer, zuständig für die Bereiche Vertrieb, Finanzen, Personal und IT, und Andreas Treut als technischer Geschäftsführer, zuständig für die Bereiche Entwicklung/Konstruktion, Einkauf und Produktion, antreten. Zwei gute Gründe für die Redaktion der ZI, Händle in Mühlacker zu besuchen. Nach einer Führung durch das Unternehmen, inklusive einer Besichtigung des Labors mit Versuchsdemonstration gab es Gelegenheit zu den Gesprächen.

Zunächst haben wir mit Gerhard Fischer über seinen Abschied von und seine Zeit bei Händle gesprochen.

Herr Fischer, Sie sind seit mehr als 40 Jahren bei Händle. Haben Sie das erwartet, als Sie im Unternehmen anfingen?

Gerhard Fischer: Wenn man als junger Mensch nach der Ausbildung bei einem Unternehmen wie Händle anfängt, weiß man natürlich nicht, wohin einen die Reise am Ende beruflich bringen wird. Ich wusste damals mit modernster Automatisierungstechnik umzugehen, Händle hatte genau solche Kenntnisse gesucht. Das Unternehmen befand sich quasi vor meiner Haustür und ich musste dort, anders als in früheren Jobs, nicht mehr auf Montage fahren.

Spielte das Produkt, Maschinen für die Ziegelindustrie, auch eine Rolle?

GF: Mich haben von Anfang an die Kundenanwendungen für unsere Maschinen fasziniert. Wir können damit tolle Baustoffe für gesundes Wohnen auf der ganzen Welt herstellen. Wir hatten in meinem Heimatort eine Lehmgrube und wir haben als Kinder dort gespielt, das Material und die Grube selbst waren faszinierend. Es ist eine besondere Leidenschaft: „Wer einmal Ton anfasst, bleibt daran kleben”!

Was hat Sie bei Händle gehalten?

GF: Ich habe über die Jahre, auch bedingt durch mein berufsbegleitendes Studium, für mich entdeckt, dass es mir unglaublich viel gibt, wenn ich Organisationen und Menschen weiterentwickeln kann. Dafür hat mir unser Unternehmen in den vergang‑
enen 40 Jahren reichlich Gelegenheit gegeben.

Den ersten PC bei Händle zum Beispiel, einen Z 80, haben wir noch per Hand in Assembler programmiert. Einige Zulieferbetriebe arbeiteten damals noch mit Transmissionsantrieben. Heutige, modernste Direktantriebe stellen eine technische Entwicklung von zehn Generationen dar. An diesem technischen Wandel teilzuhaben, und das Unternehmen dahin zu entwickeln, wo wir heute stehen, nämlich als eine moderne, innovative und international tätige Unternehmensgruppe mit einem starken Gesellschafter im Rücken, hat mich erfüllt.

Darüber hinaus haben mich die Menschen, der gegenseitige Umgang und die Strukturen eines Familienbetriebes bei Händle gehalten. Hier musst du, um einen guten Job machen zu können, nicht nur deine eigene Sachaufgabe, sondern auch die Prozesse davor und danach kennen und verantworten. Dieses Miteinander im Sozialen wie auch im Geschäftlichen kann man als DNA von Händle bezeichnen. Damit kann man es gut über 40 Jahre bei einem Unternehmen aushalten.

Werden Sie Händle nach Ihrem Ruhestand sehr vermissen?

GF: Mit der Entscheidung, aus dem operativen Geschäft auszusteigen, bin ich im Reinen. Die Verantwortung für das sehr fordernde Tagesgeschäft werde ich nicht vermissen. Auch ist das Unternehmen an einem Punkt, wo neue Gedanken und Ansichten gut sind. Der Unternehmensgruppe Steele/Händle werde ich jedoch weiterhin beratend verbunden bleiben und ich freue mich sehr auf diese kommende Zeit.

Was mir fehlen wird, sind die Menschen. Meine Frau sagt, meine erste Familie sei Händle, danach komme erst die eigentliche Familie. Ich habe hier über viele Jahre, auch als Geschäftsführer, immer ein enges und vertrauensvolles Miteinander erlebt. Mit einigen Kollegen arbeite ich seit meinem Einstieg zusammen.

Es wird etwas Zeit brauchen, im Ruhestand anzukommen. Ich habe, quasi als Herausforderung, zum ersten Mal keine Pläne gemacht. Ich möchte loslassen und sehen, was das mit mir macht. Dank der vielen unterschiedlichen Themen und Hobbies, die meine Frau und ich haben, bin ich aber sehr zuversichtlich, dass das gut klappt.

In der Rückschau, was waren für Sie die schönsten und enttäuschendsten Momente bei Händle?

GF: Besondere und wiederkehrende Freude hat mir die gute Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und Kunden an herausfordernden Projekten bereitet. Wenn alle davon getrieben sind, etwas besser machen zu wollen, und man hat gemeinsam Erfolg, dann macht es sehr viel Spaß. Als ich mitten in der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 die Geschäftsführung übernommen habe, waren die Bedingungen äußerst schwierig. Ringsum brach alles zusammen, das Geschäft lag brach. Doch 2009 und 2010 waren mit unsere besten Jahre. Mit Qualität, Knowhow, Beharrlichkeit und einem Quäntchen Glück haben wir neue Geschäftsfelder und Kunden gewonnen.

Die größte Enttäuschung für mich hängt mit der Entwicklung in Russland zusammen. Wir haben 2010 und 2012 bei St. Petersburg die beiden modernsten Ziegelwerke des Landes mit aufgebaut. Noch vor sieben Jahren wäre ich eine Wette eingegangen, dass ein großer Teil unserer weiteren Geschäftsentwicklung in einem sich demokratisierenden Russland stattfinden wird. Doch das, was letztes Jahr im Februar passiert ist, hat mich sehr erschüttert. Weniger wegen des Geschäfts als wegen des furchtbaren Leids, das über die Menschen in der Ukraine hereingebrochen ist.

Wie hat sich die Ziegelindustrie, seitdem Sie Geschäftsführer geworden sind, entwickelt?

GF: Auf der Kundenseite gab und gibt es immer noch eine starke Tendenz der Marktkonsolidierung. Auf Produktebene haben wir eine starke qualitative Entwicklung bei Oberflächen, Geometrien, Farben und Formen bei Dachziegeln und Fassaden erlebt. Auch der Anspruch seitens der Anwender an die Produkte im Mauerbereich ist deutlich gestiegen. Heutige Ziegel haben mit dem klassischen Backstein von früher nur noch wenig zu tun.

Was hat sich für Händle in der Zeit geändert?

GF: Händle hat sich im Zuge von Entwicklungstrends in sehr unterschiedlichen Regionen auf der ganzen Welt internationalisiert. Beispielsweise waren wir in Nordafrika zehn Jahre lang sehr aktiv. In Algerien haben wir mit insgesamt 250 Maschinen zum Bau von vielen neuen Ziegelwerken beigetragen. In Saudi-Arabien führen wir den Markt für Ausrüstungen im Aufbereitungs- und Formgebungsbereich mit einem Anteil von 80 Prozent an. Oder anderes Beispiel, wir haben in China innerhalb von vier Jahren 15 Extrusionsanlagen für Fassadenziegel geliefert.

Auch sich wandelnde Trends bezüglich Spezialanwendungen und -konfigurationen haben das Unternehmen stark geprägt. Händle hat die Fähigkeit, diese zu erkennen und darauf flexibel und schnell mit kundenspezifischen Produkten und Lösungen zu reagieren. So haben wir uns beispielsweise nach vielen Jahren entschieden, wieder in das Dachziegelgeschäft zurückzukehren. Denn wir können für die heutigen, hohen Anforderungen die passenden technischen Antworten anbieten.

Eine dritte Veränderung hängt mit zwei Entwicklungen auf Kundenseite zusammen: Wachsenden Ansprüchen an Automatisierungs- und Antriebstechnik stehen wachsende Schwierigkeiten bei der Personalfindung für Produktion und Instandhaltung entgegen. Serviceleistungen werden bei uns immer häufiger nachgefragt. Dieser Geschäftsbereich hat mit dem Einstieg von J. C. Steele & Sons 2000 angefangen, inzwischen ist Händle ein vorrangig servicegetriebenes Unternehmen. Mehr als zwei Drittel des Bestandsgeschäfts liegen im Service- und After-Sales-Bereich. Wir bieten Anlagen mit Lebenszyklen von 40 bis 50 Jahren sowie permanente Anpassungen an kundenseitige Produktänderungen an. Dafür braucht es einerseits einen direkten und guten Draht zum Kunden und andererseits eine ­Servicemannschaft, die das vor Ort umsetzen kann. Das ist gleichzeitig eine Riesenherausforderung und unsere Stärke. Dieser Fokus auf das Servicegeschäft zeichnet Händle aus.

Zusammen mit den beiden neuen Geschäftsführern haben wir uns über den Markt, die Herausforderungen bei Nachwuchs und Digitalisierung sowie das neue Antriebssystem unterhalten.

Wie schätzen Sie die Lage der Ziegelindustrie in Deutschland und international ein? Hat der Baustoff Ziegel Zukunft?

GF: Die Ziegelindustrie hat im Energieverbrauch und bei den Energieträgern Nachholbedarf. Wie die ganze Bauwirtschaft ist sie von fossilen Energien abhängig. Solange es keinen grünen Wasserstoff gibt, wird es schwierig bleiben. Hier sind auch Bund und Länder gefragt. Für das Gelingen der Transformation ist allerdings auch auf europäischer Ebene mehr politischer Rückhalt nötig. Da braucht es noch mehr gute Lobbyarbeit und gemeinsame Aktivitäten der gesamten Ziegelindustrie

Die deutsche Ziegelindustrie ist zwar im Vergleich zu anderen Baustoffen klein, hat aber ein hervorragendes Produkt. Wir bei Händle sind sehr optimistisch, dass Ziegel aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften als Baustoff besonders für Wohnungen nachgefragt bleiben werden. Ein schönes Beispiel dafür ist, dass hochwertige Fassaden aus Tonbaustoffen seit Jahren eine internationale Renaissance erleben. Egal ob Fassadenplatte, Klinker, Spaltklinker oder Vormauerziegel – wer langfristig denkt und es sich leisten kann, entscheidet sich dafür. Denn eine solche Fassadentechnik kann bis zu 50 Jahre ohne Nacharbeit funktionieren. Allerdings kennen sich viele Hausbauer noch nicht ausreichend mit Baustoffen und den Vorteilen von Ziegeln aus. Hier besteht Nachholbedarf in der Informationsarbeit und Architektenausbildung. Die Branche, vor allem die neue, junge Generation, hat dies erkannt und kümmert sich. Deshalb glaube ich, dass Ziegelherstellung in Deutschland, in Europa und weltweit eine gute Zukunft hat.

Fach- und Arbeitskräfte werden in Deutschland immer rarer. Wie sieht es bei Händle mit Personal und Nachwuchs aus?

GF: Händle befindet sich mit dem Standort Mühlacker in einer besonderen geographischen Position. Wir stehen hier im Wettbewerb mit den stark ingenieurgetriebenen Nachbarregionen Karlsruhe und Stuttgart und dort angesiedelten Unternehmen wie Porsche, Daimler und Bosch. Und dennoch, oder gerade deshalb, gelingt es uns, als langfristig agierendes Familienunternehmen und attraktiver Arbeitgeber, junge und gut ausgebildete Fachkräfte für uns zu gewinnen.

Andreas Treut: Händle steht, mit seiner über 150-jährigen Geschichte in der Ziegelindustrie, für Beständigkeit und Tradition. Das steht nicht im Widerspruch zu spannenden Arbeitsthemen, herausfordernden Problemstellungen und modernsten Maschinen, Prozessen und Technologien. Fachkräfte sehen und schätzen diese Chancen und begeistern uns und unsere Kunden mit Know-how und frischen Ideen. Einen wichtigen Schwerpunkt legen wir auch verstärkt auf die kaufmännische und technische Ausbildung als auch auf die Studiengänge der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und somit auf die langfristige ­Rekrutierung aus dem eigenen Nachwuchs. Wir sind stolz darauf, dass wir bereits über 1.000 junge Menschen ausgebildet haben; auch hier spiegeln sich Werte und Beständigkeit wider. Permanente Weiterentwicklung ist ebenfalls ein gutes Stichwort.  Zur weiteren Professionalisierung in den einzelnen Fachbereichen intensivieren wir in die Möglichkeiten zu gezielten Weiterbildungen.

GF: Permanente Entwicklung und Auseinandersetzung mit den bei uns arbeitenden Menschen sind wichtig bei Händle als attraktiver Arbeitgeber. Das umfasst neben der Möglichkeit, selbst mitzugestalten, auch schlanke Prozesse und funktionierende IT-Strukturen. Die Möglichkeit für flexible Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Home Office-Lösungen oder mobiles Arbeiten gab es bei uns schon lange vor Corona.

Sie können also leere Stellen besetzen?

GF: Ja, allerdings dauert die Wieder- und Neubesetzung länger und ist aufwendiger. Die Ziegelindustrie besitzt nicht mehr den einst hohen Stellenwert, Nachwuchs, aus der Region und ganz Deutschland, macht sich rar. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr entschieden, auch qualifizierte Menschen aus dem Ausland herzuholen. Wir unterstützen bei Übersiedlung, Einbürgerung, Spracherwerb und Integration. Das ist eine Investition, die sich auszahlt. So hat beispielsweise ein Mitarbeiter, den wir auf diesem Wege gewonnen haben, einen Freund motiviert auch zu uns zukommen, der an seinem Arbeitsort unzufrieden war. Internationales Recruiting spielt eine wachsende Rolle.

Diesen Ansatz umzusetzen, fiel uns nicht schwer. Im Vertrieb sprechen wir bereits sieben Fremdsprachen, weil unsere Märkte in diesen Ländern liegen. Deshalb sind wir bei Händle auch ziemlich “Multikulti”. Im Vertrieb arbeiten Menschen u. a. auch aus dem Libanon, Jordanien, Osteuropa und Portugal.

Der Fachkräftemangel wird sich noch zuspitzen, wenn die Babyboomer den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren verlassen. Dann werden wir auch Konzepte zur Zusammenarbeit, ohne Leute direkt nach Mühlacker holen zu müssen, brauchen. Wir haben zum Beispiel einen Monteur, der arbeitet bereits zu 99 Prozent von seiner Heimat in Frankreich aus. Vor fünf Jahren hätte er noch hier von Mühlacker aus arbeiten müssen. Steuerung in Mühlacker, Einsätze rund um den Globus von zu Hause aus ansteuern - vielleicht sieht so die Zukunft aus.

Braucht es nicht, um unter diesen Bedingungen Kohärenz und Verbundenheit zu gewährleisten, eine Firmenkultur?

GF: Die Mitarbeiter im Servicebereich arbeiten wie selbstständige Unternehmer. Da braucht es gute Kommunikation mit Einsatzleitung und Projektmanagement und vor allem bedingungslose Unterstützung aus dem Stammhaus. Das gewährleisten wir und es läuft hervorragend.

AT: Die Servicemitarbeiter bilden ein Team mit hoher gegenseitiger Wertschätzung, egal wo auf der Welt sie sich befinden. Das bestehende hohe Maß an Identitätsgefühl, Zusammenhalt und permanentem Austausch hat sich ganz allein gebildet.

Erfolgt die Fernwartung von Mühlacker aus oder durch Kollegen vor Ort?

AT: Es ist ein Zusammenspiel von Stammhaus, Monteuren und Fernwartung. Das Zentrum der Elektrokonstruktion für die Programmierung und der Maschinenüberwachung steht in Mühlacker. Hier schulen wir auch unsere Servicekräfte. Der Zugriff auf Maschinen kann sowohl von Mühlacker als auch durch unsere Monteure von unterwegs erfolgen. Es besteht großes Potenzial beim Kunden, Maschinen hinsichtlich Steuerung, Automatisierung und Digitalisierung weiterzuentwickeln.

GF: Hinsichtlich des Zugriffs auf ihre Datennetze sind die Kunden oftmals eher besorgt, dass unsere Mitarbeiter in Prozesse beispielsweise am Ofen oder Trockner eingreifen könnten. Wir suchen und finden immer einvernehmliche Lösungen, aber es ist manchmal nicht einfach. Häufig ist der Datenzugriff auf die Einsatzdauer beschränkt.

AT: Das ist eine Herausforderung für die Weiterentwicklung unserer Maschinen. Zur Erfassung und Optimierung des Wirkungsgrades einer Maschine, beispielsweise eines Extruders, brauchen wir Langzeitdaten zum Betrieb und zu den Verschleißzuständen. Das umfasst auch sensible Produktionsdaten wie den Durchsatz pro Stunde. Da braucht es Vertrauen des Kunden, dass kein Missbrauch stattfindet.

Thomas Bauer: Es reicht nicht, die Drehzahl und das Drehmoment des Motors zu kennen. Sie müssen auch wissen, was davor passiert ist. Da sind wir schnell bei Big Data und Informationen zu bspw. Materialbeschaffenheit etc. Das berührt schnell Betriebsgeheimnisse.

GF: Bei der Digitalisierung stehen sich viele Firmen selbst im Weg. Bei uns ist Digitalisierung intern ein Riesenthema. Diese Prozesse zum Kunden zu bringen, scheitert oft an deren Strukturen und fehlender Mitwirkung. Beispielsweise können wir Maintenance-Programme nur selten verwenden. Die Kunden sind nicht bereit, die nötigen Daten einzupflegen, weil diese sensibel sind.

AT: In solchen Fällen suchen wir vermittelnde Lösungen. Kommen wir nicht auf das Netzwerk, um beispielsweise Getriebezustände zu erfassen und zu monitoren, bieten wir komplett autarke Systeme mit SIM-Karte an. So erhalten wir die Daten des Getriebes unabhängig vom Netzwerk des Kunden. Das ist zwar umständlich, aber so lassen sich die auseinanderstrebenden Bedürfnisse unsererseits und des Kunden vereinbaren.

TB: Leider kann man von einer digitalisierten Ziegelindustrie noch nicht wirklich sprechen. Das ist schade. Angesichts der Nachwuchsgewinnung sind gerade digitale Lösungen zur Überwachung und Steuerung, aber auch zum Knowhow-Management und Nutzung von Big Data mehr als sinnvoll. Der Einsatz von intelligenten Maschinen gekoppelt mit datengetriebener Fernüberwachung und intelligentem Support und Service vor Ort wird unweigerlich die Zukunft unserer Kunden und unseres Unternehmens bestimmen. Hier sind wir Vorreiter und das unterscheidet uns von anderen.

Auf der In-House-Exhibition vergangenen Oktober hat Händle die neue Antriebstechnologie vorgestellt. Wie kam die bisher bei den Kunden an?

TB: Die Resonanz war sehr gut. Rund 15 Maschinen sind seit Oktober verkauft worden, vier davon bereits in Betrieb. Die Rückmeldungen im Vertrieb waren sehr positiv. Was als Option im vergangenen Jahr anfing, entwickelt sich immer mehr zum Standard. Das gilt innerhalb wie außerhalb Deutschlands. Aber natürlich spielt da auch mit, dass die Maschinen von Händle kommen und damit maßgeschneidert und voraussichtlich 50 Jahre nutzbar sind.

Was meinen Sie mit maßgeschneidert?

AT: Händle kann, auf der Grundlage jahrzehntelanger Forschung, die Anlagen auf die spezifischen Bedürfnisse des Kunden anpassen. Wir verstehen Verschleißteile in allen Dimensionen, Standzeit, Wirkungsgrad etc. Wir haben heute, nach über zehn Jahren intensiver, systematischer eigener Laboruntersuchung und Betriebsdatenerfassung auf Kundenseite, eine Datenbank mit über 200 Verschleißwerkstoffen, die mit allen Faktoren und Parametern erfasst sind. So umfassend, behaupte ich, hat das kein anderer Marktbegleiter. Dafür haben wir auch eigene Instrumente entwickelt. Zum Beispiel, um den für Extruder besonders relevanten Druckverschleiß zu erfassen, haben wir den Verschleißmessring erfunden. Die Untersuchungen erfolgen immer in Echtversuchen.

Wir halten nichts von Standzeitversprechen aus Hochglanzprospekten der Verschleißteilindustrie. Auch gibt es nicht „den Verschleiß”; der Druckverschleiß im Extruder z.B. ist komplett anders zu sehen als in einem Mischer oder Siebplatten. Leider gibt es in der Ziegelindustrie keine aktuellen Forschungsergebnisse, weshalb wir das gemeinsam mit den Kunden transparent und wirklichkeitsnah selbst tun.

Für die Rostplatten im Kollergang haben wir alle am Markt verfügbaren Werkstoffe einen ganzen Lebenszyklus durchlaufen lassen. Dabei haben wir gelernt, dass es den einen Werkstoff nicht gibt. Wir können heute sehr genau sagen, welcher Werkstoff für welchen Kunden für welche Art von Ton für welche Lochung optimal ist.

Auf dieser Grundlage können wir dem Kunden den für seine Zwecke passenden Werkstoff anbieten. Ob beispielsweise der Extruder eine möglichst lange Standzeit oder hohe Energieeffizienz aufweisen soll, wir kennen die beste Materiallösung für den verwendeten Ton unter dem gewünschten Druck. Wer ­beides möchte, dem können wir zum optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis Lösungen anbieten.

TB: Die Materialforschung ist damit aber nicht abgeschlossen. Wir beobachten aufmerksam die Ansätze in der Baustoff- und Ziegelindustrie für ressourcenschonende und klimaneutrale Produktion. Im Labor führen wir Untersuchungen zu neuen Materialien durch, die für die Ziegelherstellung relevant werden können, wie Sekundärrohstoffe aus Recyclingprozessen oder Geopolymerisation.

Gibt es bei der Antriebstechnologie noch Entwicklungspotenzial?

AT: Zunächst muss man die Maschine als gesamtes System verstehen. Das beginnt bei der richtigen Auslegung der Größe, dem Betrieb selbst, einer angepassten Geometrie der Verschleißteile und optimalen Verschleißschutz. Die Ergänzung mit einer modernen und zeitgemäßen Antriebstechnologie ergibt am Ende den Wirkungsgrad.  Das Ziel ist, den Energieverbrauch weiter zu senken. Im Durchschnitt benötigen Extruder am Markt derzeit 2 Kilowattstunden pro Tonne. Das konnten wir durch die vielen Betriebsdatenerfassungen ermitteln. Mit unserer Marke „Green & Energy“ haben wir es beim Extruder geschafft unter 1,0 Kilowattstunden pro Tonne zu kommen. Das war nur unter einer ganzheitlichen Betrachtung von Maschine und Prozess möglich. Ein noch geringerer Energieverbrauch sehe ich im Gesamtsystem mittelfristig als nicht darstellbar.

Zunächst wird sich aber, da bin ich sicher, die aktuelle Antriebstechnologie, in die wir drei Jahre Entwicklung investiert haben, als branchenweiter Standard durchsetzen. An dem wird sich der Wettbewerb orientieren müssen. Auch das macht Händle aus, dass wir immer einen Schritt voraus sein wollen.

Abschließend an Sie beide, Herr Treut und Herr Bauer, die Frage: Was verbindet Sie mit Händle?

AT: Wie bei Herrn Fischer sind das die gemeinsame Geschichte, die Menschen und das Ethos ständiger Weiterentwicklung. Mein 40-jähriges Berufsleben ist von Händle geprägt, da ich bereits als Auszubildender ins Unternehmen gekommen bin. Angesprochen hatte mich damals, dass Händle eine der besten und modernsten Ausbildungswerkstätten in der Region hatte. Im Anschluss konnte ich internationale Erfahrungen sammeln und übernahm, nach dem Meisterabschluss, die Leitung der Berufsausbildung. Die Verantwortung für 50 Auszubildende und den kompletten Lehrinhalt, wie Schweißen, Drehen, Fräsen etc., aber auch Steuerungstechnik, Hydraulik, Elektronik, hat mich gefordert und weitergebracht. In weiteren Führungspositionen hat mich Händle stets weiter gefördert; so auch in meinem berufsbegleitenden Studium. An neuen Aufgaben und Projekten wachsen – so ist es bis heute. Dank meiner Laufbahn verstehe ich das gesamte System Händle in allen Zusammenhängen.

TB: Ich bin seit dem 1. Mai 2020 als Geschäftsführer des Tochterunternehmens ZMB Braun an Bord. Das Thema Extrusion hatte mich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 15 Jahre in meinen vorherigen Tätigkeiten begleitet. Von daher waren mir die technischen Prozesse und Produkte vertraut. Motiviert hat mich damals die klare Kunden- und Serviceorientierung des Unternehmens. Ausschlaggebend aber war, dass ein für mich attraktiver Arbeitgeber seine Mitarbeiter fördert und fordert. Seit dem ersten Tag habe ich eine stete Entwicklung der Maschinen und Anlagen, der Kolleg*innen und des Unternehmens erlebt. Diesen Prozess weiter zu gestalten, macht Spaß und Freude.

Meine Herren, herzlichen Dank für das angenehme Gespräch. Wir wünschen Ihnen, Herr Fischer, alles Gute im neuen Lebensabschnitt und Ihnen, Herr Treut und Herr Bauer, viel Erfolg an der Spitze von Händle.

Das Gespräch führte Zi-Chefredakteur Victor Kapr.

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