Mit Volldampf gegen den Strom – Thermoplan als Vollanbieter für alle Keramikhersteller

Für das Unternehmen Thermoplan aus Olching in Bayern ist 2024 ein ganz besonderes Jahr. Nicht nur jährt sich die Gründung zum 40. Mal. Das Unternehmen hat auch Teile seines Namens geändert. Schließlich ist das Unternehmen auf Expansionskurs. Ende vergangenen Jahres hat das Unternehmen in Brilon einen Standort eröffnet und Mitarbeiter und Geschäftsfelder von Rumke integriert. Ein weiterer Standort entsteht derzeit in Pressath, wo die Lippert GmbH vor wenigen Monaten geschlossen wurde. Das alles in einer Phase sinkender Nachfrage nach Grobkeramik und entsprechend schwacher Auftragslage für Maschinenbauer und Zulieferer.

Warum dieser antizyklische Ansatz, hat ZI-Redakteur Victor Kapr bei einem Kaffee in Nürnberg den Geschäftsführer der Thermoplan, Christian Nether, gefragt. Nethers kurze Antwort lautet, dass er vermutlich etwas verrückt sei. Die lange Antwort zu seinen Motiven und Plänen lesen Sie im Folgenden.

1. Pläne und Gelegenheiten

Herr Nether, Thermoplan geht derzeit einen dem Trend entgegengesetzten Weg. Ist dafür jetzt der richtige Zeitpunkt?

Christian Nether: Wir haben uns in den vergangenen Monaten sehr schnell entwickelt, weil sich für uns Chancen ergeben haben. Das hat 2021 angefangen, als wir eine Reihe von Mitarbeitern samt deren Know-How von der insolventen Trafö übernehmen konnten. Dasselbe haben wir im vergangenen Jahr während der Geschäftsaufgabe von Rumke in Brilon gemacht und jetzt in Pressath. Wenn wir dort nicht zugeschlagen hätten, wären die Leute weg gewesen. Das sind hochausgebildete Spezialisten, die in der Region teils händeringend gesucht sind. Nicht nur von uns, sondern von großen finanzkräftigen Unternehmen wie die Deutsche Post, Hermes oder Bosch.

Gehen Sie damit nicht ein großes Risiko ein?

CN: Das Risiko halten wir in engen Grenzen. Einerseits sind wir aufgrund unserer Unternehmensstruktur und -größe sehr flexibel. Das passt gut zu den aktuellen Marktanforderungen. Andererseits haben wir aus den besagten Unternehmen lediglich neue Kollegen gewonnen, keinerlei Anlagen oder andere Sachwerte. Wir investieren kleinere Summen in Standorte für das neue Personal an den alten Stätten. In Brilon haben wir eine frisch renovierte Halle angemietet, in Pressath ein kleines Büro. Mehr brauchen wir im ersten Schritt nicht. Bei unseren Aufträgen beschränken wir uns auf die Endmontage, wir verzichten auf Fertigungstiefe.

Was wollen Sie mit dieser Expansion erreichen?

CN: Es geht uns darum, das Geschäftsfeld der Thermoplan mit neuem Know-How und neuen Kundenbindungen zu erweitern. Beides war mit den Mitarbeitern von Rumke und Lippert plötzlich auf dem Markt. In beiden Fällen handelte es sich um passende Ergänzungen zum Bestand von Thermoplan mit minimalen Überschneidungen. Deshalb war die Gelegenheit in Brilon und in Pressath zu günstig, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Mit den neuen Fähigkeiten und dem neuen Portfolio haben wir ein sehr großes Potenzial und genug Aufgaben für bis zu 400 Mitarbeiter.

Konkret verfolgen wir aber zwei Ziele. Erstens Thermoplan als Vollausrüster für die Keramikbranche zu etablieren. Was immer ein Keramiker in seiner Produktion brauchen wird, wir wollen es liefern können.

Zweitens wollen wir bis 2026 in der Lage sein, ganze Werke weltweit liefern zu können. Das wollen wir sowohl eigenständig tun als auch zusammen mit Partnern. Dazu haben wir Netzwerke mit Unternehmen geknüpft, deren Fähigkeiten in bestimmten Feldern unsere ergänzen. Wir bringen in die Partnerschaften besondere Kompetenz bei Handling, Kameratechnik, Trocknung und Steuerung ein.

Im Advanced Ceramic Network beispielsweise versammeln wir gemeinsam mit anderen Unternehmen Know-How zur Ausrüstung technischer Keramikhersteller. Diese Netzwerke bauen wir weiter aus.

Ist dieses Ziel, ganze Werke anzubieten, nicht etwas optimistisch? Andere sind damit gescheitert.

CN: Wie ich es sehe, gibt es auf dem Markt für bestimmte keramische Produkte nur noch sehr wenige Anbieter. Ein weiterer Wettbewerber, besonders in Grobkeramik und Porzellan, fehlt und diese Leerstelle wollen wir füllen. Gleichzeitig wird der Bedarf langfristig, wenn auch mit Schwankungen, bestehen bleiben. Keramik hat eine große Zukunft, in vielen Bereichen sind keramische Produkte aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften ohne Konkurrenz.

2. Das Unternehmen

Die Thermoplan hat Anfang des Jahres ihren Namen geändert. Hängt das mit der Expansion zusammen?

CN: Wir haben 1984 die Thermoplan Messdatenerfassung und Energieoptimierung industrieller Produktionsanlagen GmbH gegründet. Der Name hat damals sehr gut gepasst, weil wir uns zu Anfang auf verfahrenstechnische Optimierungen von thermischen Prozessanlagen konzentriert haben. Seitdem hat sich unser Tätigkeitsfeld Schritt für Schritt stetig erweitert. Es kamen Leittechnik, Steuerung und Lagertechnik hinzu, ohne dass diese Veränderungen im Namen Niederschlag gefunden haben. Mit dem neuen Namen wollen wir diese gewachsenen Fähigkeiten widerspiegeln und als Anlagenbauer selbstbewusster auftreten.

Was bietet die Thermoplan aktuell an?

CN: Die kurze Antwort ist, gemeinsam mit dem nun integrierten Portfolio des Pressather Keramikzulieferers: fast alles. Anlagenbau, Elektrotechnik, Verfahrenstechnik, Qualitätsprüfungsanlagen, Leittechnik, Software, Sondermaschinenbau und Service. Ich selbst erlebe Überraschungen in unserem Portfolio. Ich habe bspw. gelernt, dass wir der Abschneidedraht-Spezialist in Deutschland sind. Wir liefern den Draht als Meterware an Ziegler und Zulieferer. Wir haben auch Gipsmischer und -trockner im Leistungsspektrum, hauptsächlich für die Sanitär- und Porzellanindustrie. Daneben erstellen wir gerade ein Angebot für eine Handschuhformengießanlage.

In welchen Geschäftsfeldern bietet Thermoplan dieses breite Spektrum an Leistungen an?

CN: Wir verfolgen weiterhin unser Hauptgeschäftsfeld in der Grobkeramik. Dort sehen wir noch Potenzial zur Zusammenarbeit mit größeren Kunden. Aber wir werden uns in anderen Feldern stärker engagieren. Das sind zunächst alle anderen Keramiksparten: Porzellan-, Sanitär-, Fein-, technische und Feuerfestkeramik. Ebenso arbeiten wir für Hersteller von Beton und Kalksandstein sowie für die Steine- und Erden-Industrie. Wir verfolgen auch Projekte in der Metallverarbeitung, unter anderem für Haushaltsgeräte, Hubschrauber, Radlader oder auch Hersteller für Bäckereitechnik bzw. Bäckereien direkt.

Welche Felder und Bereiche sind dabei besonders wichtig?

CN: Alle Bereiche sind wichtig, auch wenn manche derzeit noch bedeutender sind als andere. Unsere Strategie ist, die Thermoplan möglichst breit aufzustellen. Deshalb sehen wir auch in bilanziell noch nicht so bedeutenden Themen wie der Lagertechnik relevantes Entwicklungspotenzial. Mit dem Errichten mehrerer starker Standbeine sichern wir uns gegen das Risiko von Flauten in einzelnen Bereichen ab. Umgekehrt, je weniger Standbeine ich habe, desto abhängiger bin ich vom Markt. Und dass ein Standbein nicht immer ausreicht, sehen wir ja wieder seit einiger Zeit.

3. Märkte

Wie ist Thermoplan geographisch aufgestellt?

CN: Wir hatten bis 2024 lediglich das Zielgebiet Mitteleuropa. Deutschland war unser wichtigster Markt. Rund 90 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir in Deutschland. Dieser Anteil wird aber abnehmen, weil wir international gehen wollen. Das war nicht geplant, hat sich aber in den vergangenen zwei Monaten einfach ergeben. Wir haben jetzt die ersten internationalen Vertretungen und arbeiten daran, weitere zu eröffnen. Dabei hilft uns die früher fast ausschließlich internationale Ausrichtung von Lippert. Wir bemühen uns, das alte weltweite Netzwerk zu reaktivieren.

Welche Bedeutung hat die Grobkeramik für Thermoplans Umsätze?

CN: Rund 60 Prozent unseres Umsatzes erzeugen wir mit grobkeramischen Kunden, etwa 15 Prozent kommen aus den anderen keramischen Bereichen. Lagertechnik ist mit etwa 15 Prozent das dritte Standbein. Die restlichen 10 Prozent kommen aus diversen Bereichen. Diese Anteile werden sich wahrscheinlich ändern, konjunkturbedingt besonders bei der Grobkeramik. Wir werden diesen Bereich aber nicht aufgeben. Ich bin selbst mit Herzen Ziegler und glaube, dass der Baustoff Ziegel immer eine Zukunft haben wird.

Wie schätzen Sie die Marktlage der Branche ein?

CN: Für Maschinenbauer sind die Zeiten im Moment wirklich schlecht.

Die Hintermauerbranche wird in diesem und nächsten Jahr voraussichtlich noch mit Umsatzproblemen und Produktionsrückgängen zu kämpfen haben und sich wohl erst 2026 konsolidieren. Deren große Sorge gilt aber erstmal dem kommenden Jahr, dass es noch weiter hinabgeht. Das größte Problem haben die großen Hersteller von Hintermauerziegeln mit standardisierten Massenprodukten. Denn von den Auftragsrückgängen, ausgelöst durch Förderkürzungen und Zinserhöhungen, ist vor allem der Massenmarkt betroffen. Kleine Nischenanbieter, die vor allem lokal ausliefern, kommen meiner Beobachtung nach besser über die Runden, ebenso wie Projektspezialisten. Das ist nicht so sehr vom Produkt abhängig, neben den Vormauerzieglern scheinen auch die kleinen Hintermauerziegelhersteller halbwegs vernünftig durch die Krise zu kommen.

Der Grund liegt weniger im Produkt als in geringeren Fix- und Personalkosten, so dass diese Hersteller nicht unbedingt darauf angewiesen sind, riesige Stückzahlen durch den Ofen zu schieben. Auch sind sie flexibler. Insbesondere Vormauerziegel werden überleben, weil deren Produkt wertiger ist.

4. Aussichten

Was sind die Ziele für die Zukunft?

CN: Das wichtigste Ziel ist, in den kommenden zwölf Monaten aus Thermoplan eine von mir unabhängige und wahrnehmbare Marke machen. Thermoplan wird zwar als Unternehmen wahrgenommen, aber ich bin noch zu sehr das Gesicht und der Ansprechpartner für die Kunden. Das möchte ich ändern. Statt allein meiner Person repräsentieren nun insgesamt zehn kompetente,  langjährig erfahrene Ansprechpartner die Thermoplan. Das sind alles marktbekannte Träger von Know-How. Diese Personen sollen als Gesichter der Thermoplan wahrgenommen werden. Der nächste Schritt ist, in der Branche und darüber hinaus die Wahrnehmbarkeit von Thermoplan deutlich auszubauen, als Marke in den Köpfen zu verankern und das branchenübergreifende Portfolio bekannt zu machen. Ich möchte, dass in Zukunft ein Ziegler oder allgemein Keramiker, wenn er einen Auftrag im Werk vergeben möchte, sofort den Namen Thermoplan im Kopf hat. 

Was haben Sie in Pressath vor?

CN: Ich bin optimistisch, dass wir das dortige Potenzial heben können. Wir haben bereits eine Handvoll Mitarbeiter von Lippert, die sich als Team selbstständig organisieren. Das Büro dort ist eingerichtet, jetzt kommen noch einmal zehn Leute dazu. Der mittelfristige Plan ist, in Pressath auch eine Fertigung zu eröffnen und zu den 25 bereits aktiven, nochmal 25 Mitarbeiter anzustellen. Die Vorbereitungen dafür laufen gerade. Vorerst geht es darum, den Standort ergebnisneutral zum Laufen zu bringen, für 2024 ist uns das bereits gelungen. Die Hoffnung ist, dass die Treue der Kunden zu den bisherigen Ansprechpartnern trägt und so der Standort wieder richtig brummt. Die ersten Anzeichen sind mehr als positiv.

Welche Projekte verfolgen Sie aktuell?

CN: Wir arbeiten an zwei großen Entwicklungspotenzialen im grobkeramischen Bereich. Das eine ist das Thema Schleifanlage für Hintermauerziegel. In allen anderen keramischen Bereichen beherrschen wir diesen Arbeitsschritt schon.

Ich möchte damit ein vollständiges Portfolio im Bereich Handling anbieten. Dabei hilft es, dass Lippert Spezialist für das Schleifen im Porzellanbereich und im Feuerfestbereich war.

Das andere Thema betrifft auch, aber nicht nur den Hintermauerziegel – dabei es geht um Abschneider. Wir können bereits Batzenabschneider. Alle anderen Abschneider, z.B. für Riemchen oder Hintermauersteine, sind der konsequente nächste Schritt, nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch.

Darüber hinaus entwickeln wir derzeit, nachdem wir bereits mit Qualitätsprüfanlagen für Dachziegel Erfolg hatten, entsprechende Anlagen auch für andere Produkte. Die großen Trends der Zeit, Verbesserung der Energieeffizienz und Digitalisierung industrieller Produktion (Industrie 4.0), verfolgen wir ebenso.

Lieber Herr Nether, ich bedanke mich für das Gespräch!

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