Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie

„Ziegel ist immer eine Reise wert“ – Professor:innen-Praxistage 2022 in Berlin

Vom 16. bis 18. September 2022 fanden in Berlin die Professor:innen-Praxistage statt, organisiert vom Hochschulteam des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie (BVZi). 45 Lehrende aus Universitäten und Hochschulen in Deutschland nahmen an der Tagung am Freitag und den beiden Exkursionen am folgenden Wochenende teil.

Die Veranstaltung knüpft an die von 2006 bis 2019 jährlich vom ehemaligen Ziegelzentrum Süd ausgerichteten Professorentagungen und -exkursionen an. Coronabedingt waren diese in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen. Auch organisatorisch war es zu Veränderungen gekommen. Das Ziegelzentrum Süd ist in den BVZi integriert worden. Im Zuge dessen wurde die Hochschularbeit, die zuvor auf die fünf südlichen Bundesländer beschränkt war, bundesweit aufgestellt.

Tagung

Die Tagung fand im Forum des Instituts für Architektur der Technischen Universität Berlin statt. Das Programm umfasste insgesamt sechs Vorträge, die auf zwei Panels aufgeteilt waren. Der dritte Vortrag über „Zukünftige Verwertungsoptionen von Abbruchziegel für Boden- und Dachsubstrate“ von Sebastian Knoll fiel leider krankheitsbedingt aus. Jan Krause vom office for architectural thinking in Berlin führte als Moderator durch Programm und Diskussionen.

Der Hauptgeschäftsführer des BVZi Attila Gerhäuser begrüßte die Teilnehmenden. In seiner Eröffnungsrede umriss er die Ziegelindustrie und die durch Gas- und Energiekrise angespannte Lage. Für die Ausrichtung und Organisation der Praxistage dankte er den Architektinnen Annette Drosdeck und Anita Benja.

Ralf Pasel, Professor für Architektur an der TU im Fachgebiet Hochbau und Gastgeber der Tagung, nutzte sein Grußwort für ein Lob des Ziegels. In einer Case Study über Ziegelbau mit einer Frauenkooperative in Bolivien habe sich der Baustoff als niedrigschwellig in der Anwendung und im entsprechenden Verband angeordnet als erdbebensicher erwiesen. Zusammen mit den sehr guten thermischen Eigenschaften besäßen Ziegel großes Potenzial als Baustoff der Zukunft.

Vorträge des ersten Panels

Im ersten Vortrag nahm Tobias Nöfer, Architekt und Städtebauer in Berlin, Bezug auf die Ausstellung „Unvollendete Metropole: Städtebau für Groß-Berlin“, die sich der städtebaulichen Geschichte, Gegenwart und Zukunft widmet. Nöfer fokussierte in seinem Vortrag auf diachrone städtebauliche Bezüge, die die Gestalt der „unvollendeten Metropole“ bis heute prägen. So legte er dar, wie sich die Form Berlins auf den Siedlungsstern zurückführen lässt, erklärte, warum Berlin einmal Stadt der 54 Rathäuser hieß, und berichtete über verhinderte Autobahnplanungen in Kreuzberg, tief in der Berliner Innenstadt. Gleichzeitig beleuchtete er die städtebaulichen Potenziale der Stadtregion Berlin-Brandenburg und deren Zukunftsperspektive.

Der Architekt Frank Arnold, Arnold und Gladisch Objektplanung Generalplanung GmbH Berlin, erörterte in seinem Vortrag, wie „Kostengünstiger Wohnungsbau mit Ziegeln“ möglich sei. Am Beispiel von vier selbst entwickelten, nachhaltigen und hochwertigen Wohnbauten beschrieb er erfolgreiche Umsetzungen und was sich auf zukünftige Wohnungsprojekte übertragen lässt. Ein wichtiger kostensenkender Faktor war der Einsatz wärmegedämmter Hochlochziegel. Die Zusammenarbeit mit einem Generalübernehmer kann seiner Erfahrung nach die Kosten- und Zeiteffizienz im Wohnungsbau deutlich erhöhen, ohne die architektonische Qualität zu beeinträchtigen.

Vorträge des zweiten Panels

Nach einer Kaffeepause begann das zweite Panel mit dem Vortrag „Rethinking Brick: From pre-industrial methods to baked-in situ earth houses“. Prof. Dr. Anupama Kundoo, Anupama Kundoo architects in Berlin, stellte das Potenzial des Ziegels für nachhaltige und kostengünstige Baumethoden dar. Sie berichtete davon, wie in Indien Ziegel aus regennassem Ton geformt und gestapelt den Ofen bilden, mit dessen Wärme sie gebrannt werden. Rund 40 Prozent der Ofenbrandenergie gehe in den Ofen, nicht in das Produkt. Das werde hier vermieden. Diese Methode sei zwar deutlich zeitaufwendiger als klassische industrielle Fertigung. Aber sie stelle für Menschen in Indien und vergleichbaren Ländern erschwingliches Baumaterial bereit unter minimaler Belastung der Umwelt.

Prof. Dr. Linda Hildebrand, Architektin von der RWTH Aachen University, sprach in ihrem Vortrag „Bauprodukte im Kreislauf - Zirkularität in der Architektur“ über die Möglichkeiten einer auf Kreisläufen von Werten, Informationen und Ressourcen begründeten Bauweise. Eine solche systemische Betrachtungsweise stelle im Unterschied zur Lebenszyklusanalyse konsequent die Frage der Nachnutzung in den Vordergrund. Die erste Bedingung dieses Ansatzes ist, schon in der Gebäudeplanung die im Gebäude gebundenen Materialien weiteren Nutzungszyklen für die Nachnutzung zuzuordnen. Die zweite Bedingung ist ein zirkuläres Wirtschaftsmodell, das solche Kreisläufe ermöglicht. Sekundäre Materialnutzung sei der Schlüssel für die Bauwende.

Im letzten Vortrag des Tages berichteten Architekt Stefan Goeddertz, Associate bei Herzog & de Meuron Basel, und Prof. Dr. Toralf Burkert, Jäger Ingenieure GmbH in Radebeul, über Erfahrungen mit „Mauerwerk im Kontext“. Am Beispiel der Elbphilharmonie in Hamburg beschrieben sie die Herausforderungen, die sich aus dem Plan ergaben, ein großes, technisch und gestalterisch anspruchsvolles Gebäude auf ein altes Speichergebäude aufzusetzen. Die Umbildung zu einem Backsteinsockel berührte neben Aspekten des Denkmalschutzes, der Statik und der Kosten auch klimatische Fragen wie Feuchteschutz. Dazu gehört eine dauerhafte, elektronische Fernüberwachung der Hydrophobierung des Gebäudes.

Exkursion durch Potsdam und Berlin

Das zweitägige Exkursionsprogramm führte die Teilnehmenden am Samstag, den 17. September, in einem großen Bogen von Potsdam über Süd- und Ost- nach Nordberlin. In Potsdam wurden drei aktuell in Entstehen begriffene Projekte besichtigt: der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche mit ihrem 60 Meter hohen Turm aus Mauerwerk, der Bau der Neuen Synagoge, deren sandfarbene Ziegelfassade sowohl Bezüge zur brandenburgischen Ziegelbauweise wie auch zur Bautradition sakraler Gebäude mit Ziegeln setzt, und die Rekonstruktion von Mehrfamilienhäusern am Alten Markt. Führungen von Projektverantwortlichen und Architekten wie Jost Haberland und Prof. Donatella Fioretti ergänzten die Besichtigungen.

Nach dem Mittagessen in der Genusswerkstatt Potsdam besichtigten die Exkursionsteilnehmenden die Hufeisensiedlung von Bruno Taut in Berlin-Neukölln und die von Bruno Fioretti Marquez Architekten geplante Mittelpunktbibliothek in Berlin-Köpenick. Weiter ging es mit Besuchen im Kastanienhof Berlin-Kaulsdorf, einem zu Wohnzwecken umgebauten Bauernhofgebäude, der Baustelle Wohnquartier Kastanienallee in Berlin-Hellersdorf und zum Stacked House in Berlin-Weißensee. Eine schöne Gelegenheit, den ersten Exkursionstag ausklingen zu lassen, bot die Kantine von David Chipperfield Architects.

Das Sonntagsprogramm konzentrierte sich auf die Stadtmitte Berlins. Unter Führung von Thomas M. Krüger von TICKET B – Architektur erleben wurden die Neue Nationalgalerie, die Townhouses am Friedrichswerder, das Wohn- und Geschäftshaus am Schinkelplatz, die Friedrichwerdersche Kirche und das Haus Bastian an der Museuminsel sowie die neue James-Simon-Galerie besichtigt. Schwerpunkt des Tages bildete die geführte Besichtigung der Baustelle Am Tacheles. Dort entsteht auf 85.000 Quadratmeter ein gemischt genutztes Stadtquartier mit Wohnungen, Einzelhandel und Büros, durchzogen von begrünten öffentlichen Plätzen und einer öffentlichen ­Durchwegung von der Oranienburger Straße zur Friedrichstraße. Den offiziellen Abschluss der Professor:innen-Praxistage bildete das gemeinsame Mittagessen am Gendarmenmarkt.

Die Veranstalterinnen zogen im Nachgang ein sehr positives Fazit. Besonders hoben sie die fruchtbaren Diskussionen und die Atmosphäre des gemeinsamen Austausches hervor. Auch Feedbackschreiben der Teilnehmenden seien, so die Veranstalterinnen, voll des Lobs gewesen sein. Die Aussage eines Teilnehmers scheint sich bewahrheitet zu haben: „Ziegel ist immer eine Reise wert.“

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