Bauhütte Leitl-Werke GmbH

Ziegel wiederverwenden – Re-Use statt Recyceln

Hauptbedingung und -hindernis für die Kreislauffähigkeit von Ziegeln ist die sortenreine Trennung von Bauschutt. Insbesondere stark an den Ziegeln haftende Mörtel und Putze stellen ein Problem dar. Die Bauhütte Leitl-Werke GmbH aus Eferding in Österreich hat jetzt ein System für ein zerstörungsfrei rückbaubares Mauerwerk mit plan geschnittenen Ziegeln entwickelt. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt wird die Patentanmeldung derzeit behördlich geprüft. Im nächsten Schritt sollen die technischen Grenzen des Ansatzes ermittelt werden.

Widerspruch als Motor der Entwicklung

Am Anfang der Entwicklung stand, wie Martin Leitl, bis 2017 Geschäftsführer und heute Berater des 1895 gegründeten Familienunternehmen, im Gespräch erklärt, ein Widerspruch. Die Lebensdauer eines Gebäudes werde in der Regel mit 50, 80 oder, wenn es hochkommt, 100 Jahren angesetzt. Die Lebensdauer von Ziegeln und Mauerwerk liege deutlich darüber, wie immer noch nutzbare Ziegelgebäude aus dem Mittelalter und Ziegel der Antike belegen.

Wiederverwendung von Ziegeln als gängige Praxis

Die Wiederverwendung von Ziegeln wiederum ist eine alte Bautechnik. Ein jüngeres Beispiel dafür finde sich, so Martin Leitl, im Wien der Nachkriegszeit. Ziegel aus zerstörten Häusern wurden eingesammelt, daran haftende Mörtel- und Putzreste wurden abgeklopft und die Steine im Hausbau wiederwendet. Im heutigen Wien finden sich viele Gebäude, die mit wiederverwendeten Ziegeln gebaut wurden.

Bedingungen und Hürden der Rückbaubarkeit

Das sei möglich gewesen, weil die damals verwendeten Mörtel und Putze hauptsächlich aus Kalk bestanden und wenig auf den damals üblichen kleinformatigen Ziegeln hafteten. Heute werden meist Zementmörtel und -putze sowie großformatige Ziegel verwendet. Diese wurden entwickelt, um Mauerwerkseigenschafften wie Tragfähigkeit, Schallschutz und Wärmeschutz zu verbessern. Rückbau und Wiederverwendung wurden dabei nicht berücksichtigt.

Geltende Baunormen fördern die Verwendung stark zementhaltiger Mörtel und Putze, indem dieselben Mittel zur Erfüllung verschiedener bautechnischer Ansprüche vorgeschrieben werden. Beispielsweise wird derselbe Mörtel trotz erheblicher Unterschiede bei der Errichtung eines ein- und eines fünfgeschossigen Hauses vorgesehen. Im Resultat wird der Mörtel auf die höchste Belastung und auf intensivste Verbindung ausgelegt.

Die zwei Funktionen von Mörtel im Mauerwerk

Der Ansatz von Leitl bestand darin, diese Vorgaben zu hinterfragen. Denn Mörtel erfüllt im Mauerwerk zwei Funktionen. Er sorgt erstens für einen festen Verband und erhöht Tragfähigkeit und Druckfestigkeit des Mauerwerks. Zweitens gleicht er Unebenheiten auf Ziegeloberflächen, die meist beim Ziegelschnitt entstehen, aus. Beide Funktionen, sagt Martin Leitl, lassen sich auch ohne intensiv haftenden Mörtel erfüllen. Entsprechende Auflast im Mauerwerk sorge für Reibungsverbindungen zwischen den Ziegeln, so dass diese sich nicht verschieben können. Die Unebenheiten moderner Planziegel betragen heutzutage nur noch wenige zehntel Millimeter.

Im Pilotversuch erfolgreich

Auf der Basis dieser beiden Funktionen hat Leitl sein Ziegelverbindungssystem aus einem speziellen, punktuell eingesetzten Kleber und einem Vlies zum Ausgleich der geringen Unebenheiten entwickelt. Das Vlies weist darüber hinaus ein E-Modul auf, das höher liegt als das Ziegelquerdehnungsmodul. Das vermindere Querzugspannungen, die die Druckfestigkeit des Mauerwerks reduzieren.

In einem ersten Pilotversuch an Bau- und Mauerwerksteilen unter Laborbedingungen hat sich die Verbindung bewährt. Die Druckfestigkeit von Kleber und Vlies reiche für übliche Ziegelgebäude aus. Die Verbindungen lassen sich aber mit wenig Kraftaufwand und ohne Beschädigung der Ziegel wieder lösen. Ein entsprechendes Patent wurde angemeldet und wird derzeit (Stand Januar 2023) noch geprüft.

Versuche mit Lehmputz

Leitl untersucht auch rückbaubare Putze. Dazu wurden Wände mit Flächen von 1,5 Quadratmetern mörtelfrei verbunden, mit Lehmputzen verschiedener Art des Projektpartners Claytec versehen und wieder zurückgebaut. Derzeit laufen weitere Untersuchungen mit trennbaren Putzen im Außenbereich, da übliche Lehmputze Schutz vor Witterungseinflüssen wie Dachüberstände oder andere Verkleidungen benötigen.

Zweites Projekt gestartet – Wie hoch kommt man mit Kleber und Vlies

In einem weiteren Schritt werden derzeit die Anwendungsmöglichkeiten und Gebrauchstauglichkeiten der neuen Verbindung ermittelt. Dazu muss geklärt werden, welche Zug-, Schub- und Druckbelastung solcherart verbundenes Mauerwerk aushalten kann und bis zu welchen Gebäudedimensionen der Einsatz möglich ist. Für diese zweite, im vergangenen Jahr angelaufene Projektphase arbeite man, so Martin Leitl, mit bautechnischen Instituten zusammen.

Das Ziel von Leitl ist, mit den Untersuchungen die Voraussetzungen für die bautechnische Zulassung des Verbindungssystems zu erfüllen. Die Versuche laufen bis Mitte 2023. In Abhängigkeit von den Ergebnissen ist ein Folgeprojekt für trennbare Mauerwerksanschlüsse von anderen Bauteilen geplant.

Zukünftiges Geschäftsmodell der Ziegelindustrie liegt in Wiederverwendung

Doch legt Leitl, wenn das Ziegel-Re-Use-System erfolgreich ist, nicht die Axt an das eigene Geschäft als Ziegelhersteller? Martin Leitl verneint dies. Angesichts endlicher Vorräte in den Tongruben, die vielleicht noch für 100 Jahre reichen, müsse man ohnedies ressourcenschonende Ansätze verfolgen. Außerdem seien wiederverwendete Ziegel ökobilanziell sehr sinnvoll. Wenn ein Ziegel nicht nur 80, sondern beispielsweise 1000 Jahre Verwendung finden kann, gehe bei Lebenszyklusbetrachtungen die darin gebundene Graue Energie und die entsprechenden CO2-Emissionen gegen Null. Das Geschäftsmodell der Ziegelwirtschaft, sagt Martin Leitl, werde sich entsprechend den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft anpassen müssen, weg von der Herstellung neuer Ziegel hin zur Wiederverwendung vorhandener Ziegel.

Offen für Kooperationspartner

Ergänzend zum Ziegel-ReUse-System sollte laut Leitl zukünftig möglichst das ganze Gebäude aus wiederverwendbaren Bauteilen bestehen. Für dieses Ziel sucht Leitl für die weitere Forschung und Entwicklung Kooperationspartner, da sie selbst nicht alle Baustoffe und Bauteile abdecken können. Branchenfirmen sind ausdrücklich eingeladen, diese Entwicklung weiter voranzutreiben.

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