23.11.2009 News: Gute Preise in schlechten Zeiten erzielen
„Industrie in Schockstarre.“ „Auftrageingang stockt“ Solche Meldungen bestimmen seit Monaten die Nachrichten. Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl gehen Verkäufer zur Zeit in Vertragsverhandlungen. Denn sie wissen, dass die Kunden, kaum ist die Bürotür geschlossen, folgendes Klagelied anstimmen: „Der Wirtschaft geht es schlecht. Das spürt auch unser Unternehmen.“ Und dieses Klagelied wird in der Forderung münden: „Deshalb müssen Sie Ihre Preise senken.“
Dieses Szenario erleben die Vertriebsbeauftragten der Unternehmen aktuell Tag für Tag. Mit entsprechenden niedrigen Erwartungen gehen sie meist in die Vertragsverhandlungen, und entsprechend schnell werden sie von den Einkäufern an die Wand gedrückt – wenn sie nicht ausreichend vorbereitet sind.
Einkäufer nutzen Krise zum „Pokern“
Eine solide Gesprächsvorbereitung ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig. Denn in ihnen sitzen die Einkäufer am längeren Hebel. Und diese Chance nutzen sie, um auszuloten: Welche Nachlässe und Zugeständnisse sind drin? Dies zu tun, gehört zum Job der Einkäufer. Denn ihre Aufgabe ist es, möglichst preis-wert einzukaufen – also für ihr Unternehmen die beste Kosten-Nutzen-Relation zu erzielen.
Folglich wird, wenn sich Verkäufer und Einkäufer gegenüber sitzen, auch keineswegs nur über Preise und Liefermengen gesprochen. Auf der Tagesordnung stehen auch Themen wie:
- Welche Qualität sollen die gelieferten Produkte/Problemlösungen haben?
- Welche „Leistungen“ enthält das Lieferpaket?
- Wie und wann wird angeliefert?
- Wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus?
Und hier liegt auch der Schlüssel, um auch in schwierigen Zeiten gute Preise zu erzielen. Je genauer ein Verkäufer im Vorfeld die möglichen Verhandlungspunkte analysiert, umso größer ist die Verhandlungsmasse und sein Verhandlungsspielraum.
Verhandlungsmasse schaffen
Genau analysieren sollten Verkäufer im Vorfeld auch: Wie ist die Situation im Marktsegment, in dem der Kunde agiert? Dies ist wichtig! Denn Einkäufer neigen aus verhandlungstaktischen Kunden dazu, wenn die Situation grau ist, diese pechschwarz zu malen. Von Marktkrisen werden aber nicht alle Branchen mit gleicher Schärfe erfasst – auch in den verschiedenen Marktsegmenten einer Branche gibt es Unterschiede.
Ein weiteres Themenfeld ist die Marktsituation und -position des Kunden. Hieraus ergibt sich, auf welchem Ohr er erreichbar ist. Informieren Sie sich vor der Verhandlung darüber, vor welchen Herausforderungen Ihr Partner aktuell steht. Schrumpft sein Markt oder schnappen ihm die Mitbewerber die lukrativsten Aufträge weg? Hat das Unternehmen mit dem Cash-flow oder dem Ertrag Probleme? Sind seine Produkte innovativ oder steht er unter Innovationsdruck? Analysieren Sie bei Bestandskunden auch die Beziehung Ihres Unternehmens zum Kunden; des Weiteren, welche (Service-)Leistungen erbrachte Ihr Unternehmen für den Kunden, zu denen es nicht verpflichtet war?
Maximal- und Minimalziel definieren
Wenn Sie all diese Infos haben, können Sie definieren: Mit welchem Maximal- und Minimalziel gehe ich in die Verhandlung? Und welche „Pfunde“, also Verhandlungspunkte, werfe ich bei Bedarf in die Waagschale? Danach können Sie eine kundenspezifische Argumentationskette entwerfen.
In der Verhandlung sollten Sie vor Augen haben: Schon geringe Preisnachlässe wirken sich oft fatal auf die Rendite aus. Hierfür ein Beispiel: Ein Industriezulieferer hat eine Umsatzrendite von fünf Prozent. Erzielt das Unternehmen nur ein Prozent niedrigere Preise, dann sinkt zwar auch der Umsatz nur um ein Prozent, der Gewinn sinkt aber um 20 Prozent. Entsprechend scharf sollten Sie Ihre Preise verteidigen.
Vorzüge der Zusammenarbeit aufzeigen
Führen Sie in Verhandlungen mit Bestandskunden diesen zunächst noch einmal den Nutzen der Zusammenarbeit vor Augen – zum Beispiel, indem sie fragen: Wie waren Sie mit der Zusammenarbeit im vergangenen Jahr zufrieden? Hat sich die Problemlösung x bewährt?
Hat der Kunde den Nutzen vor Augen, können Sie sagen: „Ihren Worten entnehme ich, dass Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden sind.“ Bejaht der Kunde dies, kann als Anschluss folgen: „Dann wollen Sie gewiss auch künftig mit uns zusammenarbeiten.“ War die Zusammenarbeit wirklich gut, wird der Kunde dies bestätigen – jedoch mit der Einschränkung „Wenn Sie uns preislich entgegen kommen“. Danach wird er all seine Argumente nennen, warum ein Preisnachlass unumgänglich ist. Und diese werden häufig in einer Aussage münden wie: „Mir liegt ein Konkurrenzangebot vor, das fünf Prozent günstiger ist.“
Reagieren Sie hierauf weder panisch, noch entsetzt. Schließlich zeigt die Tatsache, dass der Einkäufer mit Ihnen spricht: Die Entscheidung ist offen. Und: Der Preis ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Entsprechend gelassen sollten Sie zum Beispiel erwidern: „Ja, wir sind etwas teurer als manche Mitbewerber, denn wir ....“ Bestätigen Sie also den höheren Preis und entrollen Sie dann Ihre Argumentationskette, warum sich eine Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen trotzdem lohnt. Oder anders formuliert, warum Ihr Unternehmen zwar nicht der billigste, aber der preis-günstigste Anbieter ist. Diese Argumentation kann in der Aussage münden: „Deshalb können wir Ihnen 0,47 Prozent mit dem Preis entgegenkommen, wenn .....“ Nennen Sie also, wenn nie glatte Zahlen. Denn Ihre Preise sind scharf kalkuliert. Und knüpfen Sie den offerierten Nachlass an Bedingungen.
Preisdifferenz relativieren und isolieren
Ihr Partner wird, wenn Sie ihm einen so niedrigen Nachlass offerieren, laut Zeter und Mordio schreien und eventuell sogar drohen: „Dann ist unsere Zusammenarbeit beendet.“ Daraufhin können Sie zum Beispiel ruhig erwidern: „Das haben wir uns gedacht. Deshalb haben wir nochmals mit unseren Zulieferern verhandelt. Außerdem haben wir die Abläufe x und y optimiert. Dadurch konnten wir unsere Kosten um über ein Prozent senken. Deshalb können wir Ihnen einen Nachlass von 1,48 Prozent gewähren, wenn ....“
Daraufhin wird Ihrem Partner ein Stein vom Herzen plumpsen. Schließlich klingen 1,48 Prozent schon anders als 0,47 Prozent. Dies bedeutet aber noch nicht, dass er den Preis akzeptiert. Vielmehr ist nun erst die Basis für die weitere Verhandlung gelegt.
Hierbei muss der Verkäufer sein gesamtes Verhandlungsinstrumentarium auspacken. Hierzu zählt, dass er den Preisunterschied relativiert. Zum Beispiel, indem er sagt: „Unser Leistungen haben an Ihren Gesamtkosten nur einen Anteil von 5 Prozent. Wenn Sie uns trotz der 3,5 Prozent höheren Preise als Partner engagieren, dann erhöht dies Ihre Gesamtkosten also nur um 0,175 Prozent. Wollen Sie dafür das Risiko eingehen, dass ....“
Außerdem sollte der Verkäufer die Preisdifferenz isolieren – zum Beispiel, indem er statt über Prozente zu feilschen sagt: „Wenn wir also den Differenzbetrag von 1800 Euro kompensieren, dann erteilen Sie uns den Auftrag?“ Stimmt der Kunde dem zu, sollten Sie ihn bitten, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Differenz kompensiert werden kann. Hierfür gibt es zahllose Möglichkeiten. Zum Beispiel: Das Zahlungsziel verändern. Oder das Auftragsvolumen erhöhen.
Den Preis mit Händen und Füßen verteidigen
Wie flexibel Sie beim Verhandeln agieren können, hängt von Ihrer Beziehung zum Kunden, Ihrem Verhandlungsgeschick und Ihrer Gesprächsvorbereitung ab. Generell gilt jedoch: Wenn Sie gesagt haben „Das ist mein Preis“, dann müssen Sie diesen mit Händen und Füssen verteidigen. Denn wenn Sie zu schnell einknicken, hat der Einkäufer das Gefühl: „Der wollte es mal probieren.“ Das belastet ihre Beziehung. Außerdem kann der Einkäufer anschließend nicht voller Stolz sagen: „Weil ich so hartnäckig verhandelt habe, müssen wir nun trotz Top-Konditionen kaum höhere Preise bezahlen.“ Gönnen Sie ihm diesen Triumph.
Peter Schreiber
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