Fränkisches Freilandmuseum bot tollen Rahmen für 18. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“
Die vom 26. bis 28. Juni veranstaltete Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim wurde am Vorabend mit der jährlichen Museumsnacht eingeläutet. Diejenigen, die den Regen nicht scheuten, konnten gemeinsam mit vielen Besuchern ein umfangreiches Rahmenprogramm genießen. Die Organisatoren, der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. in Kooperation mit dem Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim und dem Bezirk Mittelfranken, konnten mit den Schwerpunkten „Entwicklung des Tondachziegels“ und „Fränkische Dachziegellandschaften“ rund 80 Teilnehmer nach Bad Windsheim locken.
Traditionell bildete die Fachexkursion am Sonntag, 26. Juni, den Auftakt der Veranstaltung. Die Fahrt ging nach Nürnberg, wo als Erstes eine Stippvisite der Burg auf dem Plan stand. Von hier konnte man sehen, dass die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Stadt (90 % sind neu und nur 9 % Altbausubstanz) vorbildlich wieder aufgebaut wurde. Die Altstadt mit ihren ziegelgedeckten Satteldächern war dann das Ziel des weiteren Rundganges. Nürnberg gilt vielen als Stadt des Sandsteins, aber auch der Ziegel, der für viele Bürgerhäuser verwendet wurde, prägt die Stadt. Ein besonderes Highlight war der Aufstieg ins Dachgeschoss eines Bürgerhauses, wo die Teilnehmer die Originalbefunde einer Ziegelmauer mit ihren Bandfugen aus der Erbauerzeit bestaunen konnten. Am Nachmittag stand dann, als Kontrastprogramm zum mittelalterlichen Städtebau, der Besuch des modernen Dachziegelwerkes Walther in Langenzenn auf dem Programm. Helmuth Jacobi, Präsident des Bundesverbandes und Geschäftsführer der Walther Dachziegelwerke, begrüßte die Teilnehmer bei Kaffee und Kuchen. Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte des Werkes und die neuesten Trends in der Farbgebung bei Dachziegeln hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, das ganze Werk zu besichtigen – von der Grube bis zur Verpackung. Helmuth Jacobi versprach, dass er die Tradition der Tagung in seiner Funktion als Verbandspräsident weiter fördern und unterstützen wird. Am Abend hatte man dann im Museums-Gasthof ausreichend Gelegenheit, die Erlebnisse des Tages gemeinsam zu besprechen.
Den ersten Vortragstag eröffnete Martin Roth, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Ziegelindustrie e.V., mit einer Darstellung der aktuellen Situation der deutschen Ziegelindustrie, die 2011 wieder deutlich positive Aussichten vermelden kann. Roth betonte, dass die Industrie auch die Erkenntnisse der Vergangenheit wieder stärker nutzt, wie z. B. die Freilufttrocknung. Deshalb sei die Tagung auch wichtig für die Branche.
Dr. Andrea Kluxen, Kulturreferentin des Bezirkes Mittelfranken, und Herbert May, Museumsleiter Freilichtmuseum Bad Windsheim, hoben dann in ihren Begrüßungen die Bedeutung des Museums, als eine der schönsten Einrichtungen in Mittelfranken, hervor. 2012 feiert man in Bad Windsheim 30-jähriges Jubiläum und kann heute rund 100 Gebäude von 1322 bis 1949, vom kleinen Stall bis zur Kirche in Franken, präsentieren. Seit 2000 werden im Museum auch Ziegel für Denkmalpflege und Sanierung hergestellt.
In einem sehr anschaulichen Vortrag stellte Philipp Händle, Ibbenbüren-Laggenbeck, die „Entwicklung der Formgebung des Dachziegels“ dar, vom lange Zeit handwerklich hergestellten bis zum heutigen Hightechprodukt. Die derzeit noch angewandte Art der Dachziegel-Formgebung ist seit rund 150 Jahren gleich, in Details aber wesentlich verändert.
Holger Bönisch, Zwethau, informierte über „Dachziegelbrand und Holzverknappung in historischer Zeit“. Vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert war Holz Mangelware, da es nicht nur Brennstoff u.a. für Kalkbrennen, Schmelzen, Sieden usw. war, sondern auch im Hausbau verwendet wurde. Großbrände in den sich entwickelnden Städten führten dazu, dass immer häufiger mit Dachziegeln bzw. Schiefer eingedeckt wurde, die eine deutlich längere Lebensdauer als Stroh und Holz hatten.
Wie in Bad Windsheim, gibt es in ganz Franken mehrere bunt gedeckte Kirchtürme, die Prof. Dr. Konrad Bedal, Bad Windsheim, anhand vieler Beispiele in seinem Vortrag „Bunt glasierte Ziegel auf Kirchtürmen in Franken“ vorstellte.
Thema von Michael Back, Bad Windsheim, war „Die Entwicklung des Tondachziegels in Franken“. Die ersten Ziegel Frankens wurden von Zieglern aus dem Burgund gefertigt. Ab dem 15. Jahrhundert entwickelte sich die Dachziegelherstellung rasant. Ab dieser Zeit hat der Dachziegel ganz Franken „rot“ gemacht, wie das Gemälde „Verabschiedung der Apostel“ aus dem Jahr 1483 am Beispiel von Bamberger Ziegeldächern verdeutlicht.
Die Verteilung von Löß und Lößlehm, Röttonen, Mergel u. a. in Bayern stellte Dr. Georg Büttner, Hof, in seinem Vortrag „Tone und Lehme in Bayern“ vor.
Juliane Scheffold, Bad Windsheim, präsentierte die Museumsausstellung „Alles gebrannt“, mit ihren Feierabendziegeln und Kacheln.
Dr. Gerhard Zsutty, Wien, referierte über „Formen, Entwicklung und Verbreitung der Strangfalzziegel in Österreich und angrenzenden Gebieten“. Er stellte die Entwicklung der verschiedenen Strangfalzziegel in einzelnen Gebieten Österreichs vor, z. B. das Stadler-Modell, das vor allem in Wien verwendet wurde, und das Kärntner-Modell.
Obwohl es durchaus eine Grauzone zwischen Zieglern und Töpfern gab, unterschieden sich beide Berufsgruppen darin, dass die Ziegler eher die funktionalen Objekte und die Töpfer mehr Dekorationskeramik fertigten. Dass die Herstellung von Feierabendziegeln beide verband, demonstrierte Harald Rosmanitz, Würzburg, in seinem Vortrag „Nicht nur Kunstwerke massenhaft – der Kachelhafner in Süd- und Südwestdeutschland im Spannungsfeld von Geschirrproduktion und Zieglerware.“
Der Feierabendziegel war auch Thema von Edmund Bernt, Flacht: „ich bin von erd und thon und du mensch bist auch davon – Faszination Feierabendziegel“.
Am Abend hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, sich die Ziegelhütte im Freilandmuseum anzuschauen. Hier war auch Mitmachen angesagt, es konnten u.a Ziegel graviert werden.
Der zweite Tag startete mit der Vorstellung des „Dachziegelarchivs – aktueller Stand, Anwendungsbeispiele und -hinweise“ durch Siegfried Müller, Buchholz. In diesem seit März 2007 online stehenden Archiv sind rund 500 Dachziegelkataloge hinterlegt, die die Historie der Dachziegelindustrie bewahren und dokumentieren.
Hans-Heinrich-Böger, Halle/S., erinnerte an den „Vergessenen Ziegler“ Albrecht Türrschmiedt“, zu dem leider nur sehr wenig historisches Material vorhanden ist. Türrschmiedt war nicht nur Redakteur des Vereinsblattes des „Vereins für die Fabrikation von Ziegeln, Kalk und Cement“, er gab auch später die „Deutsche Töpfer- und Ziegelzeitung“ heraus, eine der ersten keramischen Zeitschriften der Welt. Zi Ziegelindustrie International wird in einer der kommenden Ausgaben ausführlich über ihn berichten.
Antje Seidel, Lüneburg, machte mit der Vorstellung eines interdisziplinären dreijährigen Forschungsprojektes zur „Backsteinstadt Lüneburg“ Lust auf die Hansestadt. Sie lud alle Teilnehmer vom 1. bis 3. Juli 2012 zur 19. Internationalen Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ nach Lüneburg ein. Dort werden dann auch erste Forschungsergebnisse zur wirtschaftlich-kulturellen Bedeutung des Rohstoffs Ton für die Backsteinstadt Lüneburg vorgetragen.
Im letzten Tagungspunkt „Neues aus den Museen“ berichteten die einzelnen Vertreter über neueste Projekte.
Dr. Wolfgang Müller informierte die Teilnehmer abschließend, dass Evelyn Schulte ab 2012 leider nicht mehr für die Organisation der Tagung zur Verfügung stehen wird. Er verabschiedete Frau Schulte im Namen aller Anwesenden mit einem großen Dank für die geleistete Arbeit.