Die größte Ziegelbrücke der Welt

Im Vogtland in Sachsen steht die größte Ziegelsteinbrücke der Welt, die Göltzschtalbrücke. Der Eisenbahnviadukt überspannt das Flusstal der Göltzsch, eines Nebenflusses der Weißen Elster. Die Bogenbrücke ist insgesamt 574 Meter lang und 78 Meter hoch. Gebaut in der Mitte des 19. Jahrhunderts zählt sie zu den ältesten Zeugnissen der Eisenbahngeschichte in Deutschland.

Planungsphase – die erste statisch berechnete Brücke

Die Überwindung des Göltzschtals stellte eine der größten Herausforderungen beim Bau der Bahnstrecke von Leipzig nach Hof dar. Einerseits überstieg die zu überwindende Breite und Tiefe des Tals alle bisherigen Erfahrungen im Eisenbahnbau. Andererseits waren allgemeingültige statische Berechnungsverfahren noch nicht bekannt. Auf einen Wettbewerbsaufruf mit einem ausgeschriebenen Preisgeld von 1000 Talern im Jahr 1845 wurden zwar 81 Vorschläge eingereicht. Allerdings erfüllte keiner die Anforderungen. Nachweise für die Tragfähigkeit der Entwürfe fußten nicht auf Berechnungen, sondern meist auf den Erfahrungen und individuellen Einschätzungen der Planaufsteller.

Der Leiter der Prüfungskommission, Professor Johann An-dreas Schubert, entwickelte daraufhin einen Vorschlag auf der Grundlage von vier der eingereichten Vorschläge und eigenen Erfahrungen mit mathematischen Methoden für statische Berechnungen. Dabei stützte er sich auf ein neues Berechnungsmodell, die sogenannte Stützlinientheorie. Der nach diesem Entwurf gebaute Viadukt kann als erste Brücke überhaupt gelten, die nach ­mathematisch fundierten statischen Grundsätzen berechnet wurde. Vorgesehen war eine Bogenbrücke aus gleichmäßigen Einzelgewölben in vier Ebenen.

Die Entscheidung für den Baustoff Ziegelstein fiel aus Kostengründen. Natürliches Gestein wie Granit kam in der Nähe der Baustelle nicht in ausreichender Menge vor. Dagegen gab es dort ergiebige Tonlagerstätten, so dass Ziegel kostengünstiger und schneller beschafft werden konnten. Schubert unterzog die verwendeten Ziegel stichprobenweisen Druckfestigkeitsprüfungen mit einem selbst entwickelten Apparat. Naturstein fand an einigen Stellen mit besonders starker Beanspruchung Verwendung.

Bau mit Ziegeln im Dresdner Format

Der Grundstein wurde am 31. März 1846 gelegt. Die Planungen mussten aufgrund technischer Herausforderungen mit Beginn der Gründungsarbeiten geändert werden. So erwies sich der Baugrund im Tal als weniger fest als angenommen. Für das Fundament des zentralen Pfeilers wurde 15 Meter tief gegraben, ohne tragfähigen Boden zu erreichen. In Konsequenz entschied der Oberbauleiter Robert Wilke, auf das Fundament und den Pfeiler zu verzichten. Dazu wurden zwei der geplanten Bogenöffnungen mit einem einzigen großen Bogen mit einer Spannweite von 31 Metern ersetzt. Das markante Aussehen der Brücke fußt sozusagen auf unsicherem Grund. Die beiden mittleren Bögen wurden aus statischen Gründen als Korbbögen, nicht als Segmentbögen ausgebildet.

Die Bauarbeiten waren sehr aufwändig. Zwischen 50.000 und 150.000 Ziegel wurden täglich gebrannt, zur Baustelle transportiert und vermauert. Verwendet wurden Ziegel im Dresdner Format (11 ¾ Zoll x 5 ¾ Zoll x 2 ¾ Zoll = 27,73 cm x 13,57 cm x 6,49 cm). Fast 20 Ziegeleien waren mit der Herstellung beschäftigt. Bis zu 1.700 Arbeiter wurden auf der Baustelle eingesetzt. Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen begünstigten Unfälle: 31 Arbeiter starben, mehr als 1.000 wurden verletzt. Für die Lehrgerüste, die die Bögen abstützten, wurden 23.000 Bäume gefällt. Insgesamt wurden bis zur Fertigstellung im Jahr 1851 rund 26 Millionen Ziegel verbaut.

Das Bauwerk wurde am 15. Juli 1851 eingeweiht, am 16. Juli verkehrten die ersten Züge über die Brücke. Auch heute ist sie noch in Nutzung und trägt moderne Hochgeschwindigkeitszüge wie den ICE, die deutlich mehr wiegen und größere dynamische Verkehrslasten erzeugen als damalige Dampflokomotiven.

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