Die Ziegeleimuseen tagen zum zweiten Mal bei Olfry Ziegelwerke in Vechta

Die Ziegelarchitektur in Deutschland im 20. und 21. Jahrhundert stand im Mittelpunkt der 26. Tagung der Ziegeleimuseen. Eine kleine, aber sehr lebhafte Runde von rund 25 Teilnehmern versammelte sich in den Räumen des Ziegelwerks Olfry in Vechta in Niedersachsen, um der Tagung am 26. und 27. Juni beizuwohnen.

Der vorausgehende Sonntag, der 25. Juni, war einem Vorprogramm gewidmet. Man traf sich zu einer Führung im Museumsdorf Cloppenburg, die unter dem Thema Bauen mit Ziegeln stand. Am Abend gab es ein rustikales Abendessen in der Tonkuhle der Ziegelwerke Olfry gemeinsam mit Gastgeber Georg Wilhelm von Frydag, der die Olfry-Werke von 1969 bis Ende 2014 leitete.

Tag 1: Von Einfamilienhäusern, Backsteinarchitektur und Museen im ländlichen Raum

Das Vortragsprogramm der Tagung fand in der Ausstellungshalle von Olfry statt. Herr Frydag eröffnete das Vortragsprogramm, begrüßte die Teilnehmer und dankte den Organisatoren. Er äußerte seine Freude darüber, dass die Tagung erneut bei Olfry stattfindet. 2005 waren die Olfry Ziegelwerke erstmals Gastgeber der Tagungsreihe, die damals zum zwölften Mal stattfand.

Das Vortragsprogramm begann mit einem Highlight. Dr. Michael Schimek, stellvertretender Museumsleiter des Museumsdorfs Cloppenburg, analysierte in seinem Vortrag „4 Wände. Der Traum vom Eigenheim – gestern, heute und morgen“ die Bedingungen der Wohnform Einfamilienhaus. Die Attraktivität des Wohnens im Einfamilienhaus habe zunächst in der Anlehnung an adlige Wohnformen und Abgrenzung zu damals mit Elend verbundenen Mehrfamilienhäusern bestanden. Ab den 50ern sei die Förderung von Einzeleigentum in der BRD ein politisches Ziel gewesen, um Staatsbindung und damals geltende Familien- und Geschlechternormen zu fördern. Angesichts hoher Kosten, hohen Ressourcenaufwandes, demographischer Entwicklung und fehlender Infrastruktur stelle sich die gesellschaftliche Frage, ob und in welchem Umfang der Bau von Einfamilienhäusern heute noch erstrebenswert sei. An den Vortrag knüpfte sich eine kontroverse Diskussion um vergangene und gegenwärtige Wohnformen und die Zukunft des Einfamilienhauses an. Schimek betonte, dass dies Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte sein müsse.

Im Anschluss führte Werksleiter Frank Kordes durch das Ziegelwerk Olfry. Die Teilnehmer konnten alle Produktionsschritte einsehen – von der Tongrube über das Tonlager, Beschicker, Formgebung, Trocknung, Brand, Qualitätskontrolle und Verpackung.

Nach einem Mittagsimbiss ging das Vortragsprogramm weiter. Diemar Osses, Museumsleiter des LWL-Museums Zeche Hannover in Bochum, stellte die Backsteinarchitektur im Ruhrgebiet vor. Diese sei nur in seltenen Fällen bekannt, was ihrer Bedeutung und Allgegenwärtigkeit gerade im Industriebau und bei öffentlichen Gebäuden nicht entspreche. Als prägnantes Beispiel führte Osses die Malakoff-Türme an, die sich im Erscheinungsbild an die Burgenromantik anlehnen. Dieser Historismus war unter anderem auch für die Investorenkommunikation gedacht. Weitere Beispiele, die Osses nannte, standen im Bezug zu Neogotik, Expressionismus und neuer Sachlichkeit.

Stephan Horschitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Schlossmuseum Jever vom Kulturverbund Friesland, ging in seinem Vortrag auf die Frage ein, wie sich kulturelle Vielfalt im ländlichen Raum wahren lässt. Gerade kleine Museen im ländlichen Raum sehen sich mit demographisch verursachtem Mitgliederschwund in den Fördervereinen und sinkenden Besucherzahlen konfrontiert. Dabei spiele auch die Konkurrenz mit urbanen Standorten, die Touristen auf sich ziehen, eine wichtige Rolle. Er nannte mehrere Bedingungen für eine Besserung, wesentlich sei unter anderem eine gute Verkehrsanbindung.

Zum Abschluss des Vortragsprogramms des ersten Tages berichteten die Ziegeleimuseen über Neuigkeiten aus ihren Themenbereichen und Häusern. Danach lud Frydag die Teilnehmer in sein privates Ziegeleimuseum auf Gut Daren ein. Dort konnte man neben vielen Zeugnissen aus der Ziegeleigeschichte, Realia, Dokumente und Bilder, auch das umfangreiche Archiv, in dem Archivalien des eigenen und anderer Betriebe, Fachliteratur und sogar eine vollständige Sammlung der Zi, besichtigen. Zum Tagesausklang lud der Gastgeber noch zu einem Abendessen mit Umtrunk im Verwaltungsgebäude des Ziegelwerks ein.

Tag 2: Von Backexpressionismus, Namensgebung von Preisen und den Tücken des Stellwerks Ahlhorn

Das Programm des letzten Tages begann mit einem Vortrag von Willi Kulke, Leiter des LWL-Museum Ziegelei Lage über Backstein-Expressionismus. Im April 2024 wird eine Ausstellung im Ziegeleimuseum Lage dem Thema gewidmet sein. Kulke diskutierte im Vortrag die These, dass Expressionismus in der Architektur kein Stil, sondern eher eine Epoche sei. Er ging auf bedeutende Architekten der Zeit ein wie Mendelsohn, Fritz Höger und Alfred Fischer. Ebenso referierte er betroffene Gebäudetypen wie öffentliche Gebäude und Kirchen sowie Beispiele, wie den Oberhausener Hauptbahnhof und das Rathaus.

Jens Kallfelz, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Kopfkunst in Münster stellte den Preis für Backsteinarchitektur, früher Fritz-Höger-Preis, jetzt Erich-Mendelsohn-Preis vor, erläuterte die Beweg- und Hintergründe für die Namenswahl und beschrieb die Debatte um die Umbenennung und den darauffolgenden Benennungsprozess.

Kerstin Stölken vom Monumentendienst referierte über die Sanierung des Stellwerks Ahlhorn. Der Monumentendienst verfolgt das Ziel, den Bestand an historischen Gebäuden im gesamten Weser-Ems-Gebiet zu erhalten. Das Stellwerk ist mit Wasserturm und Klinkerfassade einerseits ein Bau- und Technikdenkmal, andererseits die Zentrale des Monumentendienstes. Stölken ging auf die Geschichte des Stellwerks und besonders die Renovierung und die technischen Herausforderungen, insbesondere wiederholte Maßnahmen gegen die hohe Durchfeuchtung der Ziegelwände, ein.

Zum Abschluss der Tagung stellte Lisa Egeri, stellvertretende Leiterin des LWL-Museum Ziegelei Lage, Maßnahmen und Pläne zur Wiederbelebung der Tagungsreihe vor. Die Folgen der Corona-Pandemie auf Besucherzahlen und Organisationsstrukturen seien noch nicht vorüber. Unter anderem seien Partner sowohl für die Ausrichtung als auch Kostendeckung nötig. Auch erging die Bitte, Verteiler besser zu pflegen und Adressen stärker zu teilen. Zwar sei noch einiges zu tun, aber die Organisatoren äußerten die Hoffnung, dass die Tagungen der Ziegeleimuseen bald wieder denselben Publikumszuspruch wie vor der Corona-Pandemie erreichen werden. Daran schloss sich eine rege und optimistische Diskussion um die Zukunft der Tagungsreihe und kommende Tagungsorte an.

Die nächste Tagung der Ziegeleimuseen wird 2024 im Ziegeleipark Mildenberg bei Zehdenick in Brandenburg stattfinden.

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