Ein Jubiläum und ein Abschied – der 60. Würzburger Ziegellehrgang
Im Dezember vergangenen Jahres fand ein ganz besonderer Ziegellehrgang in Würzburg statt. Nicht nur jährte sich die vielleicht wichtigste Branchenveranstaltung im Jahr 2023 zum 60. Mal. Neben diesem Jubiläum galt es auch, Abschied zu nehmen vom langjährigen Leiter des Lehrgangs, Joachim Deppisch von der LGA Bautechnik. Das Interesse der Teilnehmer ist, wie der neue Rekord von über 240 Anmeldungen belegt, ungebrochen. Daher fand der Lehrgang wie im vergangenen Jahr in den großzügigen Räumlichkeiten des Vogel Convention Centers in Würzburg statt.
Programm am Dienstag, 5. Dezember 2023
Den Lehrgang eröffneten Johannes Edmüller, Präsident des Bayerischen Ziegelindustrieverbands e. V. und Joachim Deppisch. Edmüller ging nach der Begrüßung auf die derzeitige Situation in der Branche ein. Baukrise und fallende Zahlen im Wohnungsbau kennzeichnen die Lage. Insbesondere, so Edmüller, komme es jetzt auf die Förderung von Eigenheimen an, um den Wohnungsbau und die Ziegelindustrie wieder anzukurbeln.
Mit einem bewegenden Vortrag eröffnete Joachim Deppisch zum letzten Mal den Ziegellehrgang. Er erzählte, wie er den Job vor 25 Jahren quasi übergeholfen bekommen habe, ließ besondere Momente aus seiner Lehrgangstätigkeit Revue passieren und stellte seinen Nachfolger Andreas Klarmann vor. Zwei Mitglieder des Programmbeirates, Ralf Borrmann und Eckhard Rimpel, betraten die Bühne und dankten Deppisch im Namen des Rates für sein Engagement. Zum Abschied überreichten sie ihm eine gute Flasche Wein, dazu passend einen gebrannten keramischen Weinflaschenhalter, ein sogenannter Weinstein, und einen persönlich gestalteten Dachziegel zum Andenken. Mit einem lang anhaltenden Applaus verabschiedeten die Teilnehmer den sichtbar gerührten Deppisch.
Attila Gerhäuser, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie e. V. (BVZI), ging in seinem Vortrag auf die aktuellen Herausforderungen der Ziegelindustrie ein. Nachfragerückgänge, Stillstand der Produktionsanlangen und Bemühungen um eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes charakterisieren die derzeitige Lage. Gerhäuser drückte die Hoffnung aus, dass sich bald eine Zinswende ereignen werde und den Wohnungsbau wieder in Schwung bringe.
Das Fachprogramm begann nach dem Mittagessen mit einem Vortrag über die Gasversorgung in Deutschland. Dr. Ludwig Möhring, vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V., erläuterte die These, dass der Gasmarkt von einer Versorgungs- in eine Preiskrise übergegangen sei. Die niedrigen Preise vor 2020, die Möhring als Vorkrisen- und Vorkriegspreise bezeichnete, kämen nicht wieder. Allerdings gebe es zu Gas aktuell keine Alternative. Da klimaneutrales H2 sehr knapp sei, plädierte er für die Nutzung von blauem Wasserstoff (dampfreformiertes Erdgas) und Carbon Capture Storage als Werkzeuge der Transformation.
An diese Diskussion schloss Katharina Armbrecht vom BVZi einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Umwelt- und Energiepolitik an. U. a. erläuterte sie die Folgen des am 18. November 2023 in Kraft getretenen Energieeffizienzgesetzes. Ebenfalls ging sie auf die Folgen der neuen Richtlinie zu Industrieemissionen und auf die BREF Keramik ein. Sie bat die Ziegler um Rückmeldungen über die voraussichtlichen Kosten, die bei der Erfüllung von BREF anfallen. Die erhobenen Werte sollen in eine Studie und die politische Arbeit des BVZI einfließen.
Dr. Rigo Giese, Leiter des Essener Instituts für Ziegelforschung (IZF), referierte über die Herausforderungen und die Machbarkeit des Einsatzes von Wasserstoff in der Ziegelindustrie. Dabei ging er auf das Projekt „H2-Ziegel“ in Zusammenarbeit mit Hagemeister ein. Die Auswertung von Tests mit Klinkern, Dachziegeln und Hochlochziegeln ergab, dass brenntechnisch und produktbezogen Wasserstoff keine oder keine gravierenden Probleme darstelle. Die eigentliche Hürde bestehe in der wirtschaftlichen Bereitstellung von grünem Wasserstoff.
Um praktische Erfahrungen mit Elektro- und Wasserstoffbrand ging es im Vortrag von Dr. Jens Petzold, Leiter des KI Keramik-Instituts in Meißen. Petzold knüpfte an seinem Vortrag aus dem Vorjahr an und referierte Ergebnisse aus drei Jahren Versuchsbränden. Auf Basis der derzeitigen technischen Entwicklung spreche alles, u. a. auch Verfügbarkeit und Preis der möglichen Energieträger Wasserstoff und Elektroenergie, für eine Investition in einen Elektrotunnelofen.
Die folgenden beiden Vorträge wurden von Mitarbeiter nder Ibbenbürener Firma Keller HCW präsentiert. Im ersten Vortrag berichtete Rainer Hüsing, Leiter Zentrale Projektierung, über Möglichkeiten, klimaneutrale Brennprozesse zu erreichen. Neben Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im Brennprozess ging er auf alternative Prozesstechnik und Energieträger zur Reduzierung der CO2-Emissionen wie Ziegelbrand mit Wasserstoff und unterschiedliche Möglichkeiten zur Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse ein. (Vgl. Green Challenge-Beitrag in dieser Ausgabe, S. 27ff.).
Im zweiten Vortrag erläuterte Area Sales Manager Lutz Jankowski, was hinter der Behautung des britischen Ziegelherstellers Ibstock steckt, bei dem neuen Atlas-Werk handele sich um „The world´s first net zero brick factory”. 50 Prozent der im bestehenden Werk bisher angefallenen Emissionen werden durch höhere thermische Effizienz in Kombination mit verringerten Prozessemissionen getilgt. Die verbleibenden Emissionen sollen durch Emissionsminderungsprojekte ausgeglichen werden.
Das Vortragsprogramm des ersten Tages beschloss Michael Riebesecker, Consolinno Energy GmbH – Regensburg. Unter dem Titel „Transformationsprozesse durch Beratung und Analyse und Umsetzung prognosebasierter und energieoptimierter Produktionsplanung“ stellte er den digitalen Zwilling für Energiesysteme vor, den sein Unternehmen zur Verfügung stellt. Er erläuterte die drei Schritte der Anwendung, statische Analyse, sektor- und systemdynamische Analyse sowie Umsetzung von optimierten Verfahren und Bedingungen und stellte Anwendungsbeispiele vor.
Für die Abendveranstaltung lud Joachim Deppisch die Teilnehmer zu einer Schifffahrt mit Abendmahlzeit auf dem Main ein. Die Zeit bis zum Ablegen konnte man gut nutzen, um den Würzburger Weihnachtsmarkt zu besuchen. Auf dem Schiff angekommen war vom Mainufer wegen der abendlichen Stunde leider nur wenig zu sehen. Die Stimmung an Bord war dafür umso besser, das Essen schmackhaft und die Getränke süffig. Für einige Teilnehmer ging es nach Ende der Rundfahrt weiter auf Besichtigungstour der Würzburger Kneipenlandschaft.
Programm am Mittwoch, 6. Dezember 2023
Wenig überraschend, dass die Reihen im Auditorium um 9 Uhr, als das Programm des zweiten Tages begann, lichter waren als am Vortag. Wer fehlte, verpasste einen spannenden Vortrag. EurGeol Dr. Lutz Krakow, KRAKOW Rohstoffe GmbH in Göttingen, erläuterte die Grundlagen der Rohstoffklassifizierung und Bewertung mit Schwerpunkt für die Ziegelindustrie. Neben wichtigen Eigenschaften wie Kornklassen, Plastizität und Konsistenz diskutierte er auch die chemisch-mineralogische Zusammensetzung von Ziegeltonen.
Vor mittlerweile wieder gefüllten Reihen ging Dr. Krakow in seinem zweiten Vortrag auf die geologischen Ursachen von CO2-Emissionen aus Ziegelrohstoffen und mögliche Lösungsansätze ein. Anhand von Praxisbeispielen erläuterte er, wie es zum Eintrag von Kohlenstoff in den Ton kam. Ggf. sei auf lokaler/regionaler Ebene der Einsatz von vollständig verwitterten Deckhorizonten möglich. Überregional liege ein Lösungsansatz im Einsatz primär kohlenstoffarmer Rohstoffe. Neben entsprechend geeigneten Tonrohstoffen aus Tonbergbaurevieren kämen auch tonmineralische Filterkuchen der Natursteinindustrie in Betracht.
Ganzheitliche Lösungen für eine energieeffiziente Formgebung stellten Philipp Händle, von Händle GmbH Maschinen und Anlagenbau in Mühlacker, und Christof Müller, von ZMB Braun in Friedrichshafen, vor. Sie präsentierten neue Lösungen aus beiden Häusern und erläuterten die Vorteile und Einsparpotenziale der vorgestellten Maschinen und Anlagen.
Dominik Laignel, von Rotho Metall- und Elektrowerke GmbH & Co. KG in Neunkirchen, erläuterte in seinem Vortrag, warum die Kombination aus Prallstrahltrocknung und Wärmepumpe „die ideale Kombination zum energieeffizienten Trocknen von Dachziegeln“ ist. Die Prallstrahltrocknung, wenn die Trockenluft orthogonal zur Ausrichtung des Trockenguts geleitet wird, erlaube eine schnellere Trocknung bei geringeren Temperaturen und gleichmäßigeren Trockenresultaten an den Formlingen. In Kombination mit Wärmepumpen ergeben sich hohe Einsparpotenziale.
Lucas Briest vom MFPA Weimar stellte Studienergebnisse zur Prozessorientierten Mikrowellentechnologie für die Ziegelherstellung vor. Experimentell untersucht worden war die Anwendung prozessorientierter Mikrowellentechnologie zur Beschleunigung des Trocknungsprozesses von Hochlochziegeln sowie zur grundlegenden Untersuchung des Mikrowellenbrandes von getrockneten Rohlingen. In beiden Prozessabschnitten habe sich Mikrowellentechnik als vielversprechende und umweltfreundliche Möglichkeit erwiesen.
Um Wärmerückgewinnung aus Rauchgasen, Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen durch Wärmetauscher ging es im Vortrag von Christoph Hellmich, Geschäftsführer der Hellmich GmbH & Co. KG in Kirchlengern. Er beschrieb die technischen Grundlagen sowie die Umsetzung. Neben Erklärungen zum Wärmetauscher erläuterte Hellmich auch die Möglichkeit, mittels Kunststoffrohren auch Rauchgas mit niedrigen Abgastemperaturen wirtschaftlich zu nutzen.
Nach der Mittagspause referierte Eckhard Rimpel die Ergebnisse des Forschungsprojekts Hochtemperaturlager. Dabei handelt es sich um ein neues Transportsystem für ein energieeffizienteres Brennen von Ziegeleiprodukten im Tunnelofen. Rimpel ging auf die Auswahl und Fertigung von keramischen Lagern für hohe Einsatztemperaturen und hohe tribologische Belastungen, den Nachweis der Funktionsweise im Labormaßstab zur Bewertung und Optimierung der Lager, die energetische Bewertung der neuen Ofentechnologie sowie ein Konzept zur Übertragung der Ergebnisse auf reale Anlagen ein.
Wie sich Schäden am Ofenwagen und anfallende Reparaturen verringern lassen, erläuterte Björn Bernsdorf, Refratechnik Ceramics GmbH in Melle. Neben dem Vermeiden von Erschütterungen durch Wagenbewegungen seien auch ein korrekter Aufbau von Radsätzen, Chassis und Feuerfestsystem sowie die richtige Verfahrung und Reinigung der Tunnelofenwagen essenziell für die Langlebigkeit des Feuerfestaufbaus und letztendlich des gesamten Wagens. Schließlich betonte er die Bedeutung einer regelmäßigen Wartung, die Berücksichtigung thermischer Ausdehnungen und andere Faktoren für die Lebensdauer der Tunnelofenwagen.
Neuigkeiten und Weiterentwicklungen aus der Digitaldruck- und Glasiertechnik brachte Claudia Istel, Zschimmer & Schwarz GmbH & Co KG – Lahnstein, in die Konferenzhalle in Würzburg. Der Vortrag ging auf die Entwicklung und Etablierung des Digitaldrucks mit hochpigmentierten Tinten in der Fliesenindustrie in den vergangenen 20 Jahren sowie deren Übertragung auf die Ziegelindustrie ein. Die Produktpalette für digitale Anwendungen umfasst lösemittelbasierte Tinten, wasserbasierte Tinten, Leime zur digitalen Anwendung sowie digitales Glasieren.
Kerstin Hohlfeld vom KI Keramik-Institut thematisierte in ihrem Vortrag Ausblühungen und Verfärbungen an Ziegelmauerwerk, deren mögliche Ursachen und Wege zur Beseitigung und Vermeidung. U. a. ging sie in ihrem Vortrag darauf ein, was man unter Ausblühungen / Verfärbungen versteht, wodurch diese entstehen (bereits im Ziegel vorhanden/Reaktion mit der Umgebung), wo sie auftreten, welche Messmethoden Anwendung finden können, um lösliche Bestandteile im Ziegelmaterial zu bestimmen sowie, welche Untersuchungen für verfärbte Stein-Bereiche sinnvoll sind.
Ein vereinfachtes Nachweisverfahren zur Klassifizierung wärmedämmender Hochlochziegel im Brandfall stellte Heiner Kruse M.Sc., Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau, vor. Im Rahmen seines Vortrages erläuterte er, wie der Vorschlag zu diesem Verfahren theoretisch und experimentell entwickelt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen Tabellenwerte für die Einstufung von wärmedämmenden Hochlochziegeln in Feuerwiderstandsklassen für eine einseitige Brandbeanspruchung vorliegen.
Dr. Ralf Wagner vom MFPA Weimar diskutierte die Gestaltung funktionaler Ziegeloberflächen zur Beeinflussung des urbanen Mikroklimas und des Gebäudeenergiebedarfs. In urbanen Gebieten absorbieren Bauteile kurzwellige Sonnenstrahlung und strahlen die thermische Energie wieder ab, was zu höheren Lufttemperaturen führt. Dieser Effekt ließe sich verringern, wenn die Bauteile dank spezieller optischer Eigenschaften mehr Sonnenlicht reflektieren. Wager stellte die Ergebnisse der durchgeführten spektralen Messungen vor und erläuterte den Zusammenhang von Reflexion mit einer Strukturierung bzw. Farbgestaltung der Oberfläche.
Als letzter Redner im Vortragsprogramm sprach Alexander Winkel vom IZF über den Einsatz von ziegelhaltigem Brechsand in Portlandpuzzolanzementen. Dabei ging er auf Ergebnisse zweier Forschungsprojekte ein: u. a. auf den Zusammenhang zwischen Brechsandart, Mahlenergie und Druckfestigkeit sowie, dass eine Korrelation zwischen der Farbe des Brechsandes und dessen Ziegelgehalt, aber nicht dessen puzzolanischer Aktivität besteht.
Abschluss, Exkursion und Ausblick
Zum Abschluss der Vorträge bedankte sich Deppisch bei allen Teilnehmern für den gelungenen Lehrgang und verabschiedete sich von vielen Teilnehmern persönlich. Ein letzter Programmpunkt fand am Donnerstag, 7. Dezember 2023 und erstmals seit 2019 wieder statt: die Exkursion. Ziel des Ausflugs war die Händle GmbH Maschinen und Anlagenbau im baden-württembergischen Mühlacker.
Im Rückblick waren die Veranstalter sehr zufrieden. Der nächste Würzburger Ziegellehrgang wird vom 3. bis. 5. Dezember 2024 stattfinden.