Von erdgasfreier Wärmeerzeugung und ungebrannten Baustoffen – Frühjahrs-Beiratssitzung der Forschungsgemeinschaft der Ziegelindustrie e. V. 2024
Am 15. Mai 2024 traf sich der Beirat der Forschungsgemeinschaft der Ziegelindustrie e. V. (FGZ) zur Frühjahrssitzung. Tagungsort war das Hotel am Steinplatz in Berlin-Charlottenburg. Vor allem die erdgasfreie Versorgung mit Wärme sowie Lehmsteine standen auf der Tagesordnung.
Den aktuellen Stand des deutschen Wasserstoffkernnetzes diskutierte Barbara Fischer, Geschäftsführerin der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. Geplant seien 9.700 km Leitungen. 60 Prozent sollen durch die Umstellung bestehender Erdgasleitungen und 40 Prozent durch Neubau entstehen. Die Kernnetzplanung sieht keine Flächenversorgung vor, Teilnetze müssten von lokalen Institutionen bereitgestellt werden. Da die Primärkundschaft Stahlerzeuger seien, wird das Kernnetz nur mischungsfreien Wasserstoff transportieren. Die Ziegelindustrie sei zwar nicht Teil der Kernnetzplanung, da sie für eine elektrische Perspektive eingeplant ist. Allerdings sei eine Sonderlösung zur Teilnahme am Kernnetz nicht ausgeschlossen.
Hybit, ein Projekt zur Erzeugung von grünem Wasserstoff für die Stahlherstellung in Bremen stand im Zentrum des zweiten Vortrags. Key Account Manager Wasserstoff-Vermarktung Frerk Lüschen von der Bremer Wasserstoff GmbH, ein gemeinsames Unternehmen der Stadtwerke Bremen und des nordwest-deutschen Energiekonzerns EWE AG, stellte es vor. Am Kraftwerksstandort Bremen Mittelsbüren soll eine zehn Megawatt Elektrolyseanlage zur Erzeugung von Wasserstoff und zur Versorgung der Stahlproduktion von ArcelorMittal Bremen entstehen. Herausforderungen stellen der Bau und auch der Betrieb des Elektrolyseurs dar. Nicht nur müssen die Strombezugskriterien für grünen Wasserstoff erfüllt sein. Auch braucht es für die Elektrolyse Reinstwasser. Zu den Wasserstoff-Projekten der EWE gehören auch Versuche zur Wasserstofflagerung in Kavernen.
Richard Lemke, Geschäftsführer der August Lücking GmbH & Ck. KG, berichtete über die Herstellung und den Einsatz von Holzgas im Ziegelwerk als CO2-neutrale und wirtschaftlich vergleichbare Alternative zu Erdgas. (Mehr Informationen darüber, wie Details zur Funktionsweise und zur Wirtschaftlichkeit, können Sie in der Werksreportage in der kommenden ZI 5/24 erfahren.)
Als viertes Vortragsthema standen Lehmbaustoffe auf dem Programm. Dr Anne Tretau, Materialforschungs- und –prüfanstalt Weimar (MFPA), erläuterte den aktuellen Stand und die Herausforderungen. Lehmbauweisen haben eine lange und erfolgreiche Tradition, so gibt es bspw. im Jemen vielgeschossige Lehmhäuser. Nach einer Übersicht der relevanten Normen ging sie im Detail auf DIN 18945 ein. Sie stellte die darunter aufgeführten Lehmsteinarten formgeschlagener, formgepresster und stranggepresster Lehmstein vor, sowie Ausgangstoffe, Anwendungsklassen und Anforderungen an Lochanteil und Stege, Steinrohdichte und Druckfestigkeit, Feuchte- und Frosteinwirkung. Ebenso behandelte sie Lehmmauermörtel nach DIN 18946 und die Ausführungsbestimmungen unter DIN 18940, insbesondere den Witterungsschutz.
An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Der Vorsitzende der FGZ, Rainer Berentelg, berichtete von eigenen Versuchen zur Herstellung von Lehmsteinen. Das Problem mit Lehm als Baustoff bestehe ausschließlich in der Anwendung. Richard Lemke sekundierte dies und forderte die Ziegelindustrie auf, dass eigene, schon bestehendes Know-How im Umgang mit Lehm zur Entwicklung entsprechender Baustoffe zu nutzen. Lehmbau solle nicht konkurrierenden Baustoffsparten überlassen werden.
Unter dem folgenden Tagesordnungspunkt „projektbegleitende Ausschüsse“ wurden vier laufende Projekte vorgestellt.
Dr. Ralf Wagner, MFPA, stellte das am 1. März 2024 begonnene Projekt „Mikrowellengestützter Brand von Ziegeleiprodukten (01IF23193N) vor. Drei Ziele verfolge das Projekt: (1) Entwicklung eines Verfahrens für den mikrowellengestützten Brand für Ziegeleiprodukte; (2) Beantwortung der Frage, wie im Bereich der Brenntemperatur (850 °C bis 1100 °C) ein ausgeglichenes Temperaturprofil erreicht werden kann; (3) die Entwicklung möglicher Umsetzungskonzepte bzw. zukünftiger Ofentechnologie für die Ziegelindustrie. Zu den geplanten Arbeitspaketen zählen u. a. verbesserte Messaufbauten für die Bestimmung der temperaturabhängigen Materialeigenschaften bis 1200 °C. Für einen erfolgreichen Brand mit Mikrowellen müssten die Temperaturgradienten und der thermal runaway kontrolliert werden.
Dr. Wagner stellte auch das Projekt, „Gestaltung funktionaler Ziegeloberflächen zur Beeinflussung des urbanen Mikroklimas und des Gebäudeenergiebedarfs (22226 BG)“ vor (vgl. ZI 4/23, S. 38f.). Aktuell habe man Arbeitspaket 4, „Erhöhung der IR-Reflektion durch definierte Strukturen“ beendet. Nachgewiesen worden sei, dass definierte Strukturen einen Einfluss auf die Reflektion infraroten Lichts haben. Dieser sei in einer zweidimensionalen Ausprägung jedoch nur gering. Für das letzte Arbeitspaket „Messtechnische Untersuchung der Auswirkungen der modifizierten Oberflächen auf physikalische Eigenschaften der Ziegelprodukte“ erbat und erhielt Wagner die Unterstützung des projektbegleitenden Ausschusses. Es ging um die Lieferung von Dachziegeln für entsprechende Messungen im Demonstrator.
Das dritte vorgestellte Projekt, „Automatisierte hyperspektrale Bildgebung und Bildanalyse für die Sortierung (22068 BG)“, lief mit verlängerter Projektlaufzeit bis zum 31.05.2024. Vorgestellt hat es Jurij Walz in Vertretung für Dr. Elske Linß, (MFPA) (vgl. ZI 4/2023, S. 39). Daran anschließend stellte Walz die Skizze für ein Folgeprojekt vor: „Optimierung der optischen Ziegelsortierung und Abschätzung der puzzolanischen Aktivität von Mauerwerkbruch zur Verbesserung des Recyclingprozesses mittels multispektraler und bildanalytischer Kennwerte“. Das Projekt soll 24 Monate laufen. Es geht um ein weiteres Verständnis und die Optimierung der Sortierungsverfahren. Das Entwicklungsziel ist ein modulares, hyperspektrales Sortier- und Prüfsystem zur zuverlässigen Unterscheidung von Ziegelarten und Abschätzung der puzzolanischen Aktivität.
Das letzte, am 1. Mai 2024 gestartete Projekt stellte Dr. Anne Tretau vor: „Einfluss der Prozessführung auf den Energiebedarf von Mikrowellentrocknern (01IF23309N)“. Ziel ist ein tieferes Verständnis der prozesskontrollierenden, komplexen Wechselwirkungen zwischen elektrodynamischen (Energieeintrag) und thermodynamischen Abläufen (Wärme- und Wassertransport) sowie den mechanischen Eigenschaften (Festigkeiten in Abhängigkeit von der Temperatur und der Feuchte). Diese stellen an die Prozessführung die Herausforderung, bei maximaler Ausnutzung der energetischen Leistung produktschonend zu trocknen. Tretau beschrieb die Arbeitspakete. Zum Abschluss wies sie darauf hin, dass die Elektrifizierung einen umfassenden Umbau des Anlagenparks verlange und erörterte die ökonomischen und technischen Herausforderungen.
Die Herbstsitzung des FGZ-Beirats findet am 13.11.2024 in Berlin statt.