Analytische und experimentelle Analysen des out-of-plane-Verhaltens von Ziegelmauerwerk bei Erdbeben
In den erdbebengefährdeten Regionen Deutschlands sind seit der Einführung der Norm DIN 4149 im Jahr 2005 Nachweise zur Standsicherheit bei Erdbeben zu führen. In Kooperation zwischen dem Institut für Ziegelforschung Essen e.V. (IZF) und der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) wird das out-of-plane-Verhalten von Ziegelmauerwerk, mit dem Ziel ein wirtschaftliches Bemessungskonzept zur Bestimmung der out-of-plane-Tragfähigkeit unter Erdbebenbelastung zu entwickeln, untersucht.
Bei einer Bemessung mit dem aktuell neu entwickelten realitätsnahen analytischen Modell müssen unter anderem die Knickhöhe β und die Kontaktsteifigkeit c, ein in dem Modell definierter Hilfswert, angenommen werden. Im Folgendem wird eine Sensitivitätsanalyse bezüglich der Auswirkungen der genannten Parameter auf die out-of-plane-Tragfähigkeit vorgestellt. Zudem werden Versuchsreihen auf dem Vierpunkt-Biegeprüfstand zur Charakterisierung der Kontaktsteifigkeit beschrieben.
1 Einleitung
Der Mauerwerksbau zählt zu den ältesten Bauweisen weltweit und ist im klassischen Hochbau nach wie vor eine viel verwendete Bauart. Gerade für den vertikalen Lastabtrag besitzt Mauerwerk sehr gute Eigenschaften. Infolge von Erdbeben kommt es allerdings weltweit immer wieder zu Tragwerksversagen, denn horizontale Lasten können hingegen nur begrenzt aufgenommen werden. Um die Lasten infolge der seismischen Einwirkung in einem Gebäude aufzunehmen, wird bei Mauerwerk die in-plane-Tragfähigkeit (Scheibenschub) ausgenutzt, wodurch der Lastabtrag in der Ebene der tragenden Wand erfolgt. Durch die Massenträgheit der Wand entstehen infolge Erdebenanregung jedoch auch große Lasten rechtwinklig zur Ebene (out-of-plane, Plattenschub). Auf die Wand wirkt somit eine Fußpunktbeschleunigung, welche als horizontale Streckenlast idealisiert wird und infolge dessen die Wand aus der Ebene heraus versagt (»1, »2, »3). Das out-of-plane-Verhalten beschreibt diese mögliche Versagensform und ist international seit vielen Jahren großer Bestandteil von Forschungsprojekten.
Bei der nicht gerissenen Wand trägt zunächst die Biegezugfestigkeit von Mörtel bzw. Mauerwerk. Da gerade bei Mörtel die Zugfestigkeit bei vielen Wandtypen gering ist, wird diese in den meisten Modellen als überschritten angenommen und eine klaffende Fuge sowie große Verformungen zugelassen. Die verbleibende Tragfähigkeit berechnet sich aus dem Eigengewicht und den äußeren Randbedingungen. Es wird z. B. durch eine Decke eine Art Bogentragwirkung aktiviert, wodurch höhere Lasten aufgenommen werden können.
Die Belastungen, die infolge Erdbeben in Deutschland angesetzt werden müssen, sind seit ihrer Einführung im Jahr 2005 in der Norm DIN 4149 [1] geregelt. In den erdbebengefährdeten Regionen Deutschlands sind seither Nachweise zur Standsicherheit bei Erdbeben zu führen. Mit dem neuen nationalen Anhang der DIN EN 1998-1 [2] und deren geplanten bauaufsichtlichen Zulassung werden neue Erdbebengefährdungskarten für Deutschland gültig (»4), welche die in der Bemessung und Beurteilung von Bauwerken anzusetzenden Beschleunigungen in vielen Regionen weiter erhöhen werden.
In den aktuell gültigen Normen finden sich in DIN EN 1996 [3] und DIN EN 1998 [4] Ansätze und Regeln zur Tragfähigkeit von Mauerwerk rechtwinklig zur Ebene. Nachweismethoden, die explizit für das out-of-plane-Verhalten von Mauerwerkswänden vorgesehen sind, finden sich in Deutschland lediglich in der Richtlinie des kerntechnischen Ausschuss KTA 2201.3 [5]. Das in der KTA 2201.3 beschriebene analytische Modell basiert auf der Bogenwirkung des Mauerwerks zwischen ausreichend steifen Auflagern, wobei der einaxiale Lastabtrag waagerecht oder lotrecht erfolgt. Außerdem wird zur Sicherstellung der Kraftübertragung eine volle Vermörtelung der Stoßfugen über die komplette Wanddicke gefordert und die Druck- und Schubspannungen am Auflager nachgewiesen.
Gerade für schlanke nichttragende innere Trennwände sind die Regeln oft nicht praktikabel bzw. nicht anwendbar. Es fehlt ein normativ geregeltes Bemessungskonzept, welches eine wirtschaftliche Nachweisführung ermöglicht. Dadurch wird der Einsatz von Ziegelmauerwerk in Regionen mit erhöhter Erdbebengefährdung oft erschwert und andere alternative Baustoffe gewählt. Selbst bei bestehenden Mauerwerksstrukturen kann es zu nachträglichen kostenintensiven Verstärkungsmaßnahmen kommen.
Die hier vorgestellten Untersuchungen wurden im Rahmen des AiF-Forschungsprojektes „Entwicklung eines wirklichkeitsnahen Bemessungskonzepts der out-of-plane-Tragfähigkeit von unbewehrten Mauerwerkswänden zur Reduktion von Konservativitäten“ erstellt. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Institut für Ziegelforschung Essen e.V. (IZF) und der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) durchgeführt und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter der IGF-Vorhaben Nr.: 19851 N gefördert.
2 Analytische Berechnungen der out-of-plane-
Tragfähigkeit
In der Praxis finden auch Modelle aus der Literatur (z. B. Paulay/Priestley [6] und Doherty/Griffith [7]) Anwendung. Bei dem Modell nach Paulay/Priestley aus dem Jahr 1992 wird die Wand in zwei gleich große starre Scheiben unterteilt und durch die maximale Beschleunigung der Decke belastet. Zur Bestimmung der Tragfähigkeit wird zunächst eine Gleichgewichtsbetrachtung in Wandmitte herangezogen, wobei das Eigengewicht und eine Auflast berücksichtigt wird. Schließlich wird aus dem nichtlinearen System die elastische Antwortbeschleunigung bestimmt, mit dem Ansatz, dass diese die gleiche Formänderungsenergie verrichten. In dem Modell nach Doherty/Griffith aus dem Jahr 2002 wird die Wand ebenfalls in zwei starre Scheiben unterteilt. Mithilfe von Gleichgewichtsbetrachtungen und experimentell bestimmten Faktoren wird eine trilineare Kraftverformungsbeziehung definiert.
Trotz der baupraktischen Relevanz hat sich bisher kein einheitliches Modell zur Berechnung der Tragfähigkeit etabliert. Analytische Untersuchungen an der TUK haben gezeigt, dass die Vorhersage der out-of-plane-Tragfähigkeit mittels der bestehenden Verfahren eine starke Streuung aufzeigt. Weiterhin haben experimentelle Untersuchungen gezeigt, dass die tatsächlich beobachtete dynamische Tragfähigkeit oftmals höher ist. Der Grund dafür ist, dass in den meisten Modellen, die in den Untersuchungen als wesentlicher Einflussfaktor identifizierte vertikale Steifigkeit nicht berücksichtigt wird. Auch Parameter wie die Knickhöhe, der Drehpunkt und weitere Faktoren werden dabei nur vereinfacht betrachtet. Aufgrund dieser Vereinfachungen wird daher ein möglichst realitätsnahes analytisches Modell mit allen maßgebenden Einflussfaktoren entwickelt [8–11]. Hierfür werden als Grundlage die Modelle nach Paulay und Priestley [6] sowie nach Doherty und Griffith [7] verwendet und die Bogentragwirkung über eine vertikale Steifigkeit des Auflagers am Wandkopf berücksichtigt.
Grundlage des Modells bilden zwei starre Scheiben (»5), wobei deren Größe durch die Knickhöhe β definiert wird. Der Kontakt der Scheiben untereinander wird mithilfe einer elastischen Bettung abgebildet. Weiterhin werden verschiedene äußere Randbedingungen, z. B. der Kontakt zu einer Stahlbetondecke oder eine Auflast, am Wandkopf berücksichtigt.
Zur Beschreibung der elastischen Bettung, dem Kontakt der starren Scheiben, wird ein Hilfswert eingeführt. Der Hilfswert
c = 1/l
ist als Kehrwert der Länge der Kontaktfedern definiert und wird im Folgenden als Kontaktsteifigkeit bezeichnet. Durch den Hilfswert kann das Verhalten unterschiedlicher Wandtypen sowie der Schädigungsgrad abgebildet werden.
Zunächst wird die statische Kraftverformungsbeziehung der einachsig spannenden unbewehrten Mauerwerkswand, unter Berücksichtigung der realen Verformungen, mit dem Prinzip der virtuellen Arbeit ermittelt. Zur dynamischen Berechnung, einem stark nichtlinearen und zeitabhängigen Prozess, wird die Wand zu einem äquivalentem Einmassenschwinger idealisiert, womit eine Zeitverlaufsberechnung erfolgt. Mit dem realitätsnahen Modell werden die Verschiebungen der Wand infolge eines Bemessungserdbeben berechnet, wodurch diese rechnerisch nachgewiesen wird. Hierzu müssen die Maße, das Gewicht und die Randbedingungen am Wandkopf bekannt sein. Zudem müssen drei Werte angenommen werden: Die Knickhöhe, die Kontaktsteifigkeit und die Dämpfung.
Die Knickhöhe wird entweder mithilfe der elastischen Balkentheorie berechnet oder über experimentell bestimmte Faktoren angenommen. Wo sich die Knickhöhe tatsächlich einstellt, hängt von der Streuung der Biegezugfestigkeit ab, was sich im Vorfeld nicht bestimmen lässt. Die sich einstellende Knickhöhe besitzt außerdem einen erheblichen Einfluss auf die Tragfähigkeit der Wand, wodurch aus diesem Zusammenhang eine Ungenauigkeit in der Bemessung resultiert, die sich nicht vermeiden lässt.
Die Kontaktsteifigkeit und die Dämpfung können aktuell nicht mit analytischen Ansätzen ermittelt werden und somit sind zur genaueren Quantifizierung der beiden Parameter Versuchsdaten für verschiedene Wand-Mörtelkombinationen notwendig. Es stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss der beiden Parameter im Verhältnis zur Knickhöhe, die einer großen Streuung unterliegt, auf die Tragfähigkeit ist und wie genau diese Werte für eine zuverlässige Bemessung mit Versuchen ermittelt werden müssen. Im Folgenden wird dieser Zusammenhang für die Kontaktsteifigkeit untersucht.
3 Sensitivitätsanalyse mit der Knickhöhe und
Kontaktsteifigkeit
Während die Dämpfung Einfluss auf die dynamische Tragfähigkeit besitzt, beeinflussen die Knickhöhe und die Kontaktsteifigkeit bereits die Kraft-Verformungskurve der Wand. Somit lassen sich die Knickhöhe und die Kontaktsteifigkeit leicht gegenüberstellen, indem die maximal aufnehmbaren statischen Kräfte verglichen werden.
Die Knickhöhe β, festgelegt als Faktor der Wandhöhe, variiert in einer Übersicht von Versuchen nach [12] zwischen β = 0,52 – 0,71, der Mittelwert beträgt hier 0,593. Um die Wahrscheinlichkeitsverteilung zu berücksichtigen, wird das 5 %- und 95 %-Quantil berechnet und diese ergeben die Schwellenwerte Qß0,05 = 0,55 und Qß0,95 = 0,65. Bei einer Versuchsreihe der TUK mit 8 Wänden hat sich ein ähnlicher Wertebereich von β = 0,45 – 0,67 ergeben. Für die Kontaktsteifigkeit können aufgrund fehlender Versuchsdaten keine fundierten Angaben getroffen werden. Erste Untersuchungen an der TUK haben gezeigt, dass für geschädigte Wände kleine Werte von c = 0,008 1/m möglich sind [8]. Ein Vergleich mit Versuchsdaten nach [13] suggeriert Werte um c = 0,25 1/m. Aktuelle Untersuchungen an der TUK mit Hochlochziegeln bestätigen einen höheren Wertebereich von 0,13 – 0,4 1/m.
Die beiden Parameter werden anhand von drei generischen Beispielen gegenübergestellt, indem die Tragfähigkeit der Wände mit dem Modell Lönhoff/Helm berechnet wird. In »Tabelle 1 sind die Wandeigenschaften und in den Abb. »6 a, b und c die Ergebnisse aufgezeigt.
Bei der zweiten Wand wird im Vergleich zur ersten die Wanddicke von 11,5 cm auf 24 cm erhöht. Bei beiden Wänden nimmt die Tragfähigkeit mit einer niedrigeren Knickhöhe zu. Für das 95 %-Quantil ergibt sich bei beiden Wänden unabhängig von der Kontaktsteifigkeit eine Abweichung in der Tragfähigkeit von ca. 20 % im Verhältnis zum 5 %-Quantil. Für eine Bemessung sollte auf der sicheren Seite für diese Wandtypen eine Knickhöhe von Qß0,95 = 0,65 gewählt werden.
Bei der dritten Wand wird angenommen, dass der Wandkopf vollflächig mit einer Stahlbetondecke vermörtelt ist. Bei dieser Wand ist ein Knick in Wandmitte am ungünstigsten. Werden auch hier zur besseren Einschätzung die Quantile für die Knickhöhe herangezogen, dann ergibt sich eine maximale Abweichung in der Tragfähigkeit von 24 %. Wird eine vertikale Steifigkeit, die einen maßgebenden Einfluss auf die Tragfähigkeit besitzt, berücksichtigt, dann ist die kleinere Knickhöhe von Qß0,05 = 0,55 bei einer Bemessung zu empfehlen.
Bei allen drei Wänden sinkt die Tragfähigkeit mit einer kleineren Kontaktsteifigkeit. Für den betrachteten Wertebereich von c = 0,02 - 0,40 1/m ergibt sich für die erste Wand bei jeder Knickhöhe eine Abweichung von 75 – 85 % in der Tragfähigkeit. Für die zweite Wand mit der geringeren Schlankheit beträgt die Abweichung dagegen nur 32 – 35 %. Somit scheint die Sensitivität direkt mit der Wanddicke bzw. der Schlankheit zusammenzuhängen. Bei der dritten Wand ist ein ausgeprägterer Zusammenhang mit der Knickhöhe vorhanden, hier streut die Abweichung für die Quantile Qß0,05 und Qß0,95 von 39 – 53 %.
Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die Tragfähigkeit aufgrund der vorhandenen Ungenauigkeit stark streut und eine genauere Quantifizierung der Kontaktsteifigkeit für eine zuverlässige Bemessung unerlässlich ist. Gerade für schlanke Wände muss für eine wirtschaftliche Bemessung ein unterer Grenzwert ermittelt werden.
4 Zyklische Biegeversuche an Ziegelmauerwerk zur Bestimmung der Kontaktsteifigkeit
Wie im Vorfeld erläutert, stellt die vorhandene Kontaktsteifigkeit im Zusammenhang mit der out-of-plane-Tragfähigkeit und deren Bemessung eine signifikante sowie notwendige Größe dar. Weiter wurde aufgezeigt, dass es mit derzeitigen analytischen Ansätzen nicht möglich ist die Kontaktsteifigkeit zu bestimmen, sodass hierfür experimentelle Untersuchungen durchzuführen sind.
Erfährt eine Mauerwerkswand eine horizontale Belastung aus einem Erdbeben oder beispielsweise Wind, Erddruck oder Anprall, stellt die vorhandene Biegezugfestigkeit im ungerissenen Zustand der Wand einen Widerstand dar. In Abhängigkeit des vorherrschenden Lastabtrages, resultierend im Mauerwerk aus der horizontalen Belastung Biegezugspannungen parallel oder senkrecht zu der Lagerfuge, aus welchen sich unterschiedliche Bruchebenen ergeben. Die experimentelle Bestimmung der Biegezugfestigkeit an kleinen Mauerwerkskörpern erfolgt nach DIN EN 1052-2 [15] durch Aufbringen einer Vierpunktbelastung. Hierfür ist im Institut für Ziegelforschung in Essen (IZF) ein Vierpunkt-Biegeprüfstand vorhanden, mit welchem Biegebeanspruchungen sowohl parallel als auch senkrecht zur Lagerfuge bis zum Versagen der Mauerwerkskörper aufgebracht werden können (»7).
Bei der Prüfung der Biegezugfestigkeit nach DIN EN 1052-2 [15] werden kleinformatige Prüfkörper meist in vertikaler Lage unter einer definierten Vierpunktbelastung bis zum Bruch geprüft. Dabei müssen die Auflager so ausgebildet sein, dass sowohl die Lasteinleitung als auch der Lastabtrag über die gesamte Breite des Prüfkörpers erfolgen. Nach durchgeführter Prüfung ergibt sich aus der bestimmten maximalen Bruchlast rechnerisch unter Einbezug der jeweiligen Prüfkörperabmessungen sowie den inneren und äußeren Auflagerabständen die Biegezugfestigkeit des Mauerwerkskörpers. Wird diese nach DIN EN 1052-2 [15] in vertikaler Lage bestimmt, so muss das Auflager am Wandfußpunkt möglichst reibungsfrei ausgebildet werden, wodurch an diesem ein Momentennullpunkt sowie zwischen den inneren Auflagern ein konstantes maximales Moment resultiert. In »8 sind schematisch die unterschiedlichen Anordnungen der Auflager sowie die Lasteinleitungsflächen mit denen jeweiligen für eine parallel und vertikal zu der Lagerfuge verlaufenden Bruchebene dargestellt.
Wird die Biegezugfestigkeit des Mauerwerkskörpers überschritten, tritt eine klaffende Fuge auf, was der klassischen out-of-plane-Versagensform (»1, »2, »5) entspricht. Die restliche out-of-plane-Tragfähigkeit hängt nun von verschiedenen Parametern wie dem Wandeigengewicht, der Knickhöhe, wirkender vertikaler Lasten, dem Kontakt zu einer Stahlbetondecke sowie der Kontaktsteifigkeit ab. Letzteres beschreibt genauer die Kontaktsteifigkeit (elastische Bettung) zwischen den, innerhalb der out-of-plane-Versagensform entstehenden, beiden starren Wandscheiben (»5). Um die Kontaktsteifigkeit insbesondere von Ziegelmauerwerk genauer definieren zu können, wurden verschiedene Versuchsreihen auf dem Vierpunkt-Biegeprüfstand durchgeführt.
Im Vergleich zu dem beschriebenen Prüfverfahren zur Bestimmung der Biegezugfestigkeit nach DIN EN 1052-2 [15], wurden in den Versuchen zur Ermittlung der vorhandenen Kontaktsteifigkeit bestimmte Modifikationen vorgenommen. Zum einen wurde die Ausbildung des Wandfußpunktes von einer gelenkigen nahezu reibungsfreien Lagerung an die in einem Gebäude vorhandenen realen Gegebenheiten angepasst. Dazu wurden die zu prüfenden Mauerwerkswände vollflächig auf entsprechende Betonfundamente platziert (»9), wodurch sich die typische out-of-plane-Versagensform an den gerissenen Mauerwerkskörpern einstellt.
Zum anderen wurden sogenannte Pushover-Versuche durchgeführt. Bei diesen wird die Mauerwerkswand zunächst bis zum Bruch und dem Auftreten der klaffenden Fuge belastet. Nachdem sich so die out-of-plane-Versagensformen an den zu prüfenden Mauerwerkswänden eingestellt hatten (»2), wurden die gerissenen Wände weggesteuert, um ein definiertes Maß ∆ ausgelenkt und die zugehörige notwendige horizontal aufzubringende Kraft aufgezeichnet. Da es sich bei Erdbebenereignisse um zyklische Belastungen handelt, wurden die Auslenkungen der gerissenen Wände mehrmals hintereinander durchgeführt. Nachdem Erreichen der maximal getesteten Auslenkung, welche um ein Stabilitätsversagen zu vermeiden bei der jeweiligen halben Wanddicke lag, wurde die Wand wieder in Ihre Ausgangslage gebracht, sodass gilt ∆ = 0. In »10 ist ein auf diese Weise ermitteltes Kraftverformungsverhalten einer geprüften 17,5 cm dicken Wand aus Hochlochziegeln für drei hintereinander durchgeführte Auslenkungen um 70 mm sowie dem anfänglichen Bruch dargestellt. Bei dieser Wand aus Hochlochziegeln ergibt sich aus der ermittelten maximalen Bruchlast nach DIN EN 1052-2 [15] eine Biegezugfestigkeit fxi von 0,33 N/mm² für eine Biegebeanspruchung senkrecht zur Lagerfuge. Wird exemplarisch aus diesem Einzelwert die charakteristische Biegezugfestigkeit fxk berechnet, ergibt sich dafür ein Wert von 0,22 N/mm², welcher mit den Ergebnissen nach [16] für Ziegelmauerwerk mit Dünnbettmörtel übereinstimmt.
Werden die drei verschiedenen Kraftverformungsverläufe der durchgeführten Auslenkungen betrachtet, so ist ein identisches Verhalten zu erkennen. Sowohl bei der Auslenkung nach dem anfänglichen Bruch, als auch bei den drei weiteren zyklischen Auslenkungen zeigt sich die gleiche aufzubringende Last. Auf Grundlage des so ermittelten Kraftverformungsverhalten wird die für das Ingenieurmodell notwendige Kontaktsteifigkeit von Ziegelmauerwerk mit Hilfe analytischer Auswertungen charakterisiert.
5 Zusammenfassung und Ausblick
Der Mauerwerksbau ist im heutigem Hochbau eine weit verbreitete und häufig eingesetzte Bauweise. In Bezug auf den vertikalen Lastabtrag besitzt Mauerwerk sehr positive Eigenschaften. Dagegen ist das Verhalten bei einwirkenden horizontalen Lasten, z. B. infolge seismischer Einwirkung, dem sogenannten out-of-plane-Verhalten in großen Teilen noch unbekannt und wird in analytischen Modellen nicht realitätsnah angesetzt. Um das out-of-plane-Verhalten von Ziegelmauerwerk bei Erdbeben besser abbilden zu können, wurde ein neuartiges Ingenieurmodell, welches alle maßgebenden Einflussfaktoren für den einaxialen Lastabtrag berücksichtigt, aufgestellt.
Bei einer Bemessung mit dem aktuell neu entwickelten realitätsnahen analytischen Modell müssen unter anderem die Knickhöhe β und die Kontaktsteifigkeit c, ein in dem Modell definierter Hilfswert, angenommen werden. Eine Sensitivitätsanalyse hat gezeigt, dass die Tragfähigkeit aufgrund der vorhandenen Ungenauigkeit stark streut und eine genauere Quantifizierung der Kontaktsteifigkeit für eine zuverlässige Bemessung unerlässlich ist. Daher wurden zur Verifikation des Modells sowie zur Bestimmung der im Modell definierten Kontaktsteifigkeit Pushover-Versuche geplant und durchgeführt. Dafür wurden Ziegelwände unter einer horizontalen Belastung bis zum Eintreten des Bruches belastet. Um das Tragverhalten der gerissenen Wände zu analysieren, wurden die Wände zyklisch aufgeschoben und dabei die notwendigen Kräfte aufgezeichnet.
Zur weiteren Verifikation des aufgestellten Ingenieurmodells werden die Pushover-Versuche weiter modifiziert und die Prüfrandbedingungen im Hinblick auf horizontale Einwirkungen, Auflagerungen sowie vertikale Lasten an die realen Einbausituationen angepasst. Damit wird eine fundierte Quantifizierung der Kontaktsteifigkeit zukünftig möglich. In weiteren Versuchsreihen werden Versuche an Ziegelwänden auf einem Rütteltisch (Shaking-Table) mit Erdbebenbelastungen geprüft. Außerdem wird das Ingenieurmodell für den zweiaxialen Lastabtrag erweitert.