Atomkraft und Erdgas übergangsweise nachhaltig
Statement von Dr. Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Ziegel, zum jüngst veröffentlichten Entwurf der Europäischen Kommission zur EU-Taxonomie.
Mit dem kurz vor Jahreswechsel versendeten Entwurf der EU-Verordnung zur Nachhaltigkeitsklassifizierung (Taxonomie) hat sich die EU-Kommission mit einem Knall aus dem Jahr 2021 verabschiedet. Hierin ist vorgesehen, Atomkraft und Erdgas übergangsweise als nachhaltig einzustufen. Die daraufhin entfachte Debatte über ein klimafreundliches Labeling einzelner Energieträger fokussiert zu stark auf ideelle Wunschvorstellungen und ignoriert die realen Verfügbarkeiten in den europäischen Mitgliedsländern. Der deutsche Ausstieg aus der Atomenergie ist nahezu abgeschlossen, während andere Staaten auf diesen Energieträger als Brückentechnologie setzen. Deshalb ist die Entscheidung, effiziente Gas- und Kernkraftwerke übergangsweise als taxonomiekonform einzustufen, für den Klimaschutz aus gesamteuropäischer Perspektive zwingend erforderlich.
Wenn Erdgas bereits kurzfristig als „nicht nachhaltig“ eingestuft werden sollte, trifft dies sämtliche Teile der deutschen Industrie, die mit diesem Energieträger produzieren, ohne Chance auf mittelfristige Verbesserung. Erst wenn Wasserstoff und grüner Strom in einigen Jahren in ausreichender Anzahl verfügbar sind, bestünden Chancen auf Zugänge zu nachhaltiger Finanzierung und grünen Krediten. Konsequenterweise würde über mehrere Jahre weniger Kapital in die Transformation der europäischen Industrie fließen. Es besteht das Risiko zu schrumpfender Wettbewerbsfähigkeit, Carbon Leakage und durch ausbleibende Fortschritte letzten Endes die Erosion der europäischen Vorbildungsfunktion im Klimaschutz.
Der Bundesverband hat eine Roadmap mit detaillierten Szenarien vorgelegt, wie Klimaneutralität erreicht werden kann. Die jährlichen Minderungsziele basieren in den ersten Jahren noch auf der Übergangstechnologie Erdgas, weil schlichtweg mit keinen verfügbaren Alternativen zu rechnen ist. Der Investitionsbedarf in eine klimaschonende Produktion ist zudem schon heute riesig. Industrien nun aus ideologischen Gründen für mehrere Jahre von nachhaltiger Finanzierung abzukapseln, ist für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele absolut kontraproduktiv. Aus Sicht der Ziegelindustrie zeigt der Entwurf deshalb, unabhängig wie man zu dem Gesamtprojekt der Taxonomie steht, dass die EU-Kommission in den energiepolitischen Realitäten der Mitgliedsländer angekommen ist.