Freie Schule Heilbronn: Klinkerfassaden als schützende „Stadtmauer“

Es war die größte Baustelle, die Heilbronn in den vergangenen Jahren gesehen hat: Auf dem ehemaligen US-Armeegelände an der Stuttgarter Straße ist das neue Katholische Bildungszentrum St. Kilian entstanden. Eine Ganztagsschule für über 1.000 Kinder – von der Grundschule bis zum Gymnasium. Hauptblickfang sind die beinahe klösterlich anmutenden Ziegelfassaden, die den Komplex schützend umschließen.

 

Das Katholische Bildungszentrum St. Kilian befindet sich auf dem östlichen Bereich der so genannten „Kennedy-Siedlung“. Die Gesamtfläche umfasst mehr als 27.500 Quadratmeter. Die Planung war schwierig, die Lage eine Herausforderung. Vor allem die stark befahrene Stuttgarter Straße musste von Anfang an mit in die Überlegungen einbezogen werden. Lärm und Verkehr sollten den Schulbetrieb nicht beeinflussen. Die Lösung sah schließlich so aus: Die Architekten entwarfen ein gradliniges, 120 mal 70 Meter großes, zweistöckiges Gebäude, das zur Stuttgarter Straße sowie an den Nord- und Südflanken mit hellem Tonklinker verkleidet wurde. Architekt Hans Jana vom Büro Broghammer, Jana, Wohlleber aus Zimmern ob Rottweil kommentierte die Umsetzung des Entwurfs später so: „Die Ziegelfassaden bilden eine schützende Stadtmauer um die Schule.“

Die Westseite – zum Schulhof hin - ist dagegen ganz in Glas gehalten. Ein Kontrast, der Transparenz und Offenheit ausdrücken soll. Mensa und Sporthalle komplettieren den äußeren Rahmen. Insgesamt tauchen hinter den Klinkerfassaden fünf Innenhöfe auf, dazu Mensa, Sporthalle und Aula. Projektleiterin Karin Zisterer vom Büro Broghammer, Jana, Wohlleber hat während des Richtfestes im November 2006 von einer „kleinen Stadt mit Straßen und Höfen“ gesprochen. Stadt und Stadtmauer, Schutz und Ruhe: Das neue Schulzentrum ist eine Insel der Geborgenheit. „Die Ziegelfassaden schließen das Haus nach außen hin ab“, erklärt Hans Jana. Eine Lösung, die auch das Preisgericht überzeugt hat, das die unterschiedlichen Vorschläge der Architekten zu bewerten hatte. Im Protokoll vom  25. Juni 2004 heißt es unter anderem: „Die geschlossene Gebäudefront bewirkt eine ausreichende Abschirmung für den dahinter liegenden Bereich. Ausreichend leise Zonen sind vorhanden.“ Gleichzeitig sei ein schlüssiger Übergang zur angrenzenden Wohnbebauung und eine angemessene Präsenz an der Stuttgarter Straße realisiert worden. Abschließend sind die Preisrichter damals zu folgendem Ergebnis gekommen. „Insgesamt ist es [...] gelungen, ein schlüssiges und kostengünstig zu realisierendes Projekt zu entwickeln, das städtebaulich und architektonisch von großer Qualität ist, und in den wesentlichen Teilen die geforderten Funktionen erfüllt.“

 

Die Farbe der Klinker ist beige nuanciert mit Kohlebrand, naturbelassen. Sie wurde von den Architekten ganz bewusst ausgewählt. Hans Jana: „Wir haben die großen alten Bäume gesehen und deshalb helle Steine ausgewählt. Das wirkte einfach freundlicher.“ Die ortsübliche Bebauung spielte bei der Entscheidung für den Einsatz von Klinkern keine Rolle, da ohnehin kein einheitliches Bild vorhanden ist. Die Stuttgarter Straße ist eine Ausfallstraße, an der praktisch jede Fassadenart vertreten ist. Jana: „Die Ziegelfassaden sollen einzig und allein die Trennlinie deutlich machen: auf der einen Seite der tosende Verkehr auf der Stuttgarter Straße, auf der anderen Seite die Schule.“ Die Klinkerfassade habe eine Art Abschottungs-Funktion. Deshalb gebe es sie auch gleich an drei Seiten – einmal um die Schule herum.

 

Um der Fassade ein naturbelassenes Aussehen zu verleihen, wurde spezieller, beiger Vormauermörtel verwendet. Außerdem wurde nach alter Väter Sitte mit Buchenholzspan gefugt. Dadurch erhalte die Fuge eine gröbere Struktur. Dieses Verfahren werde in Deutschland nur noch ganz selten eingesetzt.

Die Kosten für den Schulneubau in Heilbronn beliefen sich insgesamt auf rund 22,5 Millionen Euro. In der Folgezeit tauchten auf dem Gelände allerdings immer neue Überraschungen aus der deutsch-amerikanischen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte auf: leere Betonröhren, eine Hausmülldeponie, Kanäle, ein chaotisches Wasserleitungssystem, eine Jauchegrube und mehr. Einweihung wurde schließlich im September 2007 gefeiert. Dreieinhalb Jahre nach dem Abriss der Kasernen sind auf dem Gelände eine Grundschule, Hauptschule, Realschule und ein Gymnasium entstanden – für am Ende rund 1.000 Schüler.

 

Zusätzlich zur Einbindung in das schwierige Verkehrsumfeld, kam auf die Architekten in Heilbronn eine weitere Herausforderung zu. Das neue Schulzentrum ist nicht nach Schularten gegliedert, sondern nach Klassenstufen. Dadurch haben gleichaltrige Schüler jeweils einen Trakt für sich. „In der Architektur spiegelt sich das pädagogische Konzept wider“, hieß es nach der Fertigstellung.Herzstück des Gebäudes ist eine fast schon sakral anmutende Aula. Architekt Hans Jana spricht von der „Perle im Ganzen“. Sie befindet sich in der Mitte des größten Innenhofs – eine imposante Konstruktion mit Oberlicht und schmalen Fenstern.

 

Die Entscheidung der Architekten Broghammer, Jana, Wohlleber, das neue katholische Schulzentrum St. Kilian mit Klinkerfassaden zu versehen, zeigt nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie, dass der Naturbaustoff nichts von seinem guten Ruf eingebüßt hat. „Klinker vereinen Individualität und Funktionalität in besonders attraktiver Art und Weise“, erklärt Martin Roth, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. „Projekte wie der Schulneubau in Heilbronn zeigen, dass Klinkerfassaden weiter im Trend liegen.“

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