Potenzielle Folgen eines russischen Gaslieferstopps auf Ziegelindustrie
Eine Studie von Prognos kommt zu dem Ergebnis, dass im Fall eines Lieferstopps von russischem Gas die Ziegel- und Keramikhersteller potenziell mit die größten Produktionsausfälle zu verkraften haben werden. Die Folgen für die Gesamtwirtschaft sind zwar geringer, bleiben aber erheblich.
Die Verunsicherung darüber, wie lang noch ausreichende Mengen an russischem Erdgas in Deutschland ankommen, wächst. Ebenso ungewiss ist, was eine weitere Senkung oder sogar ein Ausfall der Gaslieferung für die deutsche Wirtschaft bedeuten könnte. Klar ist nur, dass es in diesem Fall Folgen für die Wirtschaftsleistung geben wird. Denn der größte Teil des produzierenden Gewerbes zählt nicht zu den sogenannten „geschützten Kunden“. Im Fall einer Knappheit werden diese nachrangig mit Gas versorgt.
Ursprünglich stand diese Frage im Zusammenhang mit einem Gasboykott zur Diskussion. Inzwischen hat sich die Problemgestalt gewandelt – es geht nicht länger um die Folgen eines deutschen Embargos russischer Gaslieferungen, sondern ein von russischer Seite möglicher Lieferboykott. Die Liefermengen sind bereits eingeschränkt. Mitte März stellte die Ukraine den Gastransit teilweise ein, Mitte Juni drosselte GazProm die tägliche Liefermenge um rund ein Drittel. Ab dem 11. Juli wird die Pipeline Nord Stream 1 einer jährlichen zehntägigen Routinewartung unterzogen. Die Sorge der deutschen Regierung ist, dass die Gaslieferung danach nicht wieder aufgenommen wird.
Welche potenziellen Folgen ein abrupter Lieferausfall für die deutsche Wirtschaft insgesamt und insbesondere für die Ziegelindustrie nach sich ziehen kann, zeigt eine Ende Juni veröffentlichte, von Prognos ausgearbeitete Studie. Die Analyse bezieht neben den direkten Effekten auf Gasabnehmer auch die indirekten Auswirkungen in vor- und nachgelagerten Branchen ein. Dafür fokussiert die Untersuchung auf relevante Produktionsprozesse der deutschen Industrie und mögliche Produktionsrückgänge. Ausgangspunkt ist ein Szenario, dass ab dem 1. Juli 2022 Gaslieferungen aus Russland ausbleiben. Die Analyse untersucht die Folgen im Betrachtungszeitraum, dem zweiten Halbjahr 2022.
Ziegel- und Keramikhersteller am abhängigsten von Erdgas
Die Mineralien verarbeitenden Branchen weisen laut der Prognos-Studie die größte Abhängigkeit von Erdgas auf. In der Ziegelindustrie liegt der Erdgasanteil am Endenergieverbrauch bei 82 Prozent. Lediglich die Keramikbranche weist mit 86 Prozent einen höheren Anteil auf. Keine andere Branche ist so auf Erdgas angewiesen. Die Studienautoren sprechen von einer „massiven Abhängigkeit“.
Dabei fällt auf, dass die hohe Abhängigkeit nicht mit einem hohen Verbrauch relativ zur Gesamtmenge einhergeht. Die Ziegelindustrie nutzt lediglich zwei Prozent der Gasgesamtmenge, die Keramikindustrie sogar nur ein Prozent. Andere Wirtschaftszweige verbrauchen anteilsmäßig deutlich mehr, wie die Grundstoffchemie (35 Prozent), Nahrungsmittelbranche (10 Prozent) sowie die Papier- und Stahlindustrie (8 bzw. 7 Prozent).
Produktionsrückgang um 32,5 Prozent im Sektor
Keramik, bearbeitete Steine und Erden
Im Fall einer Lieferunterbrechung gemäß dem Szenario erwartet Prognos im Ergebnis der Berechnungen, dass die Produktion in der Branche Keramik, bearbeitete Steine und Erden, zu der die Ziegelindustrie gehört, um 32,5 Prozent zurückgehen könnte. Das wären die prozentual dritthöchsten Ausfälle. Lediglich die Roheisen- und Stahlbranche (minus 34 Prozent) und die Glasindustrie (minus 47,8 Prozent) hätten mit größeren Produktionseinbußen zu rechnen.
Potenzielle Wertschöpfungsverluste: minus 34 Prozent
Die mit dem Produktionsrückgang einhergehenden Effekte auf die Wertschöpfung sind auf die ganze Volkswirtschaft betrachtet groß, in einzelnen Branchen sogar massiv. Die Bruttowertschöpfung in Deutschland könnte um rund 12,6 Prozent sinken. Davon entfallen 3,2 Prozent auf direkte Verluste, 3,0 Prozent auf vorgelagerte und 6,4 Prozent auf nachgelagerte Verluste der Wertschöpfung.
Die Effekte auf die Wertschöpfung einzelner Branchen sind teils erheblich größer. Für die Branche Keramik, bearbeitete Steine und Erden kommt die Studie zu potenziellen Wertschöpfungseffekten von minus 34 Prozent. Lediglich die Branchen Roheisen/Stahl (minus 50 Prozent), Glas (minus 48 Prozent), Chemie (minus 37 Prozent) und Druckerei (minus 35 Prozent) sind noch stärker betroffen. Der Bau gehört zu den zwar nur indirekt betroffenen Branchen. Allerdings rechnet Prognos hier aufgrund von Vorleistungsverflechtungen mit einem Wertschöpfungsrückgang von knapp 11 Prozent.
Die Auswirkung des Produktions- und Wertschöpfungsrückganges der Keramikbranche auf die gesamte Wirtschaft fallen eher gering aus. Der Effekt schlägt sich mit minus 0,1 Prozent nieder. Dagegen geht die Studie davon aus, dass die Ausfälle im Baugewerbe die Gesamtwertschöpfung Deutschlands um 0,5 Prozent senken könnte.
Die Studie „Folgen einer Lieferunterbrechung von russischem Gas für die deutsche Industrie“ wurde von der Prognos AG im Auftrag des vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. erstellt. Sie steht auf der Website der VBW zur Verfügung.