Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V.

„Wir brauchen eine allgemeingültige Definition vom nachhaltigen Bauen!“

Der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie hatte im Herbst letzten Jahres den neuen Ausschuss „Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen. Er verfolgt das Ziel, die vielfältigen nationalen und europäischen Entwicklungen im Bereich „Nachhaltiges Bauen“ gebündelt für alle Ziegelhersteller zu begleiten. Im Interview zieht der Vorsitzende Thomas Maucher eine erste Zwischenbilanz.

Herr Maucher, aktuell hat man den Eindruck, Marktlage und Baukonjunktur überlagern alle anderen Themen. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit da noch?

Thomas Maucher (TM): Zu Recht eine überragende. In meinen Kundengesprächen zum mehrgeschossigen Wohnungsbau ist sie neben der Finanzierbarkeit das wichtigste Thema. Und ich weiß, dass es allen meinen Kollegen in der Branche so geht. Anders sieht die Lage im Einfamilienhaussegment aus. Hier sind die KfW-Förderkonditionen inzwischen leider unattraktiv und stehen in keinem Verhältnis zum notwendigen Mehraufwand, so dass die möglichen Fördermittel in der Folge nur in sehr geringen Umfang beantragt werden. Das heißt nicht, dass die Häuser weniger enkeltauglich gebaut werden, sondern dass sich das politisch eingeforderte höhere Niveau nur schlicht nicht mehr wirtschaftlich darstellen lässt.

Welche Akteure sind wesentliche Treiber der Debatte?

TM: In erster Linie die Investoren. Hier erkennt man den Einfluss von Taxonomie und ESG, ohne zertifizierte Nachhaltigkeit sind Investitionen in den Wohnungsbau nicht mehr finanzierbar. Und natürlich spielt auch die Neuausrichtung der KfW-Förderung eine Rolle. Auch bei unseren Partnern in Architektur- und Planungsbüros werden entsprechende Informationen für nachhaltige Bauprodukte eingefordert. Mit unseren Branchen-EPDs bieten wir eine verlässliche Grundlage für die Nachweisführung.

Und wo steht die Ziegelindustrie in ihren Bemühungen?

TM: Wir alle arbeiten unsere Agenda zur klimaneutralen Produktion konsequent ab. Mein Eindruck, in den Werken ist vor allem beim Thema Energieeinsparung bereits sehr viel passiert. Die große Sorge der Branche ist derzeit, dass auf absehbare Zeit weder grüner Strom noch grüner Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Hier brauchen wir schnell politische Klarheit. Schließlich müssen unsere Hersteller irgendwann die Entscheidung treffen, mit welchem Energieträger Ziegel künftig gebrannt werden sollen. Das sind Millioneninvestitionen mit jahrzehntelangen Konsequenzen. Die Unsicherheit hemmt Investitionsentscheidungen ebenso wie endlose Genehmigungsverfahren, wie etwa für Windräder.

Der Ausschuss ist seit sechs Monaten aktiv, was wurde inzwischen geschafft?

TM: Wir sind in unserer Industrie ein besonderer Ausschuss, weil wir alle Produktbereiche der Ziegelindustrie abbilden, also Dach, Wand und Flächenbefestigung. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten konstruktiv zusammen, lernen und teilen ihr Wissen auch über den eigenen Tellerrand hinaus. Dieser Spirit ist sehr motivierend. Intern können wir auf ein umfangreiches, stark nachgefragtes Schulungsprogramm für unsere vielen Kollegen in den Werken und im Vertrieb zurückblicken. Im fachlichen Austausch mit Ministerien, Verbänden und Stakeholdern unserer Branche haben wir einen guten Auftakt geschafft und werden mit unserer Expertise wahrgenommen. Wir freuen uns über grundsätzliches Interesse, erleben aber häufig auch eine stark ideologiebefrachtete Sichtweise auf Nachhaltigkeit.

Was meinen Sie konkret?

TM: Nachhaltiges Bauen kann nur gelingen, wenn ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte gleichwertig betrachtet werden. Insbesondere im politischen Austausch ist eine Einseitigkeit hinsichtlich der Ökologie zu konstatieren. Aber – nur weil ein Baustoff nachwachsenden Ursprungs ist, ist er nicht per se nachhaltig.

Was brauchen wir?

TM: Aktuell versteht jeder unter Nachhaltigkeit etwas anderes. Es gibt keine allgemeingültige Definition, was genau das Nachhaltige Bauen eigentlich ausmacht. Diese gesellschaftliche Verständigung brauchen wir. Nicht zuletzt, um einen fairen Wettbewerb aller Bauweisen zu gewährleisten, denn es wäre falsch in dieser Hinsicht nur auf einen Baustoff oder eine Technologie zu setzen.

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