12.07.2010 News: Ziegel Zentrum Süd e.V.: Professoren zwischen römischer Architektur und Moderne
Althergebrachtes Wissen ist in Zeiten ökologischer Umwälzungen häufig Grundstock für neues Denken. Die Entwicklungsschritte von nahezu unverwüstlichen römischen Ziegelbauten, die in Trier als Weltkulturerbe erlebbar sind, zu innovativen Ideen junger Ziegelproduzenten im 21. Jahrhundert bildeten den gedanklichen und stofflichen Rahmen der Professoren-Tagung des „Ziegel Zentrum Süd“. Die Tagung fand von 18. bis 20. Juni an der Hochschule Trier statt. Bausteine für nachhaltige Gebäudehüllen, die auch in den kommenden Jahren auf die Neuerungen der Energieeinsparverordnung eingehen können und Garant für energieeffizientes Planen und Bauen sind, wurden exemplarisch in den Vorträgen aufgezeigt und gleichzeitig in drei Ausstellungen – quasi zum Anfassen – präsentiert. Die Grundprinzipien von Urbanität und Stadtgestalt waren ebenso Thema der Tagung wie gelungene System- und Raumstrukturen, die aus dem erfolgreichen Zusammenspiel der Planung von Fachleuten entstehen können. Die Baugeschichte der Stadt Trier wurde im Vortrag am ersten und bei einer Exkursion am zweiten Tag beleuchtet. Die Fortführung dieser Exkursion nach Luxemburg, in das riesige Stadtentwicklungsgebiet von Esch-Belval und zu nicht minder spektakulären Projekten in der Hauptstadt rundeten die Veranstaltung ab.
„Vor allem die konstante Verschärfung der Energieeinsparverordnung wurde von so manchem Planer vermeintlich als Todesstoß für Ziegel als Außenwandbaustoff gesehen. Weit gefehlt! Die ungeheure Innovationskraft der Ziegelindustrie der letzten Jahre und Jahrzehnte zeigt deutlich, dass dieser Baustoff nach seiner 6.000-jährigen Erfolgsgeschichte noch lange nicht am Ende angelangt ist“, betont Diplom-Ingenieurin Waltraud Vogler, Geschäftsführerin des Ziegel Zentrum Süd.
Die Bandbreite von schweren, speicherfähigen, nahezu unverwüstlichen Ziegeln – wie bei den römischen Bauten, die in Trier zu sehen sind – zu den filigranen, großformatigen, hochwärmedämmenden Ziegelerzeugnissen des 21. Jahrhunderts dokumentieren den Erfindergeist und die Fachkenntnis der jungen Ziegelhersteller.
Heutzutage sehnen sich allergiegeplagte, gestresste Auftraggeber nach behaglichem Raumklima und nach Baustoffen, die die Gesundheit nicht gefährden. Zukünftigen Generationen soll ein unbedenkliches Erbe hinterlassen werden.
Das Ziegel Zentrum Süd mit Sitz in München fördert Lehrende und Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens. Dabei steht der Baustoff Ziegel mit seinen Potentialen im Vordergrund. Anlässlich der Professoren-Tagung in der Aula des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Trier trafen sich an die 40 Professorinnen und Professoren der Architektur und des Bauingenieurwesens, um sich über neue Projekte und Erkenntnisse auszutauschen.
Wert und Nutzen der Gebäudehülle
Neue Ansprüche, zum Beispiel veränderte Wohnformen, hohe Anforderungen zum Wärmeschutz, neue Bedingungen aus der Nachhaltigkeit stellen die Haut eines Gebäudes vor neue Herausforderungen. Prof. Dr. Thomas Jocher, Universität Stuttgart, näherte sich anlässlich dieser Tagung dem Wert und Nutzen von Gebäuden über die Beschaffenheit der Hüllen, die sie umschließen, und betrachtete die spezifische Leistungsfähigkeit der „Haut“ im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und „Schönheit“. Auch energetische Aspekte waren Teil seiner Überlegungen. Aspekte, die Kernpunkte der Arbeit von Prof. Georg Sahner, Hochschule Augsburg, sind, der in seinem Vortrag Systemstrukturen energieeffizienter Architektur beleuchtete. Kybernetische Planungsprozesse und sich selbst regulierende Systeme brachte er in Zusammenhang mit nachhaltiger Architektur im Zeitalter des demographischen Wandels. Dipl.-Ing. Michael Pröll, Ziegel Zentrum Süd, spannte den Bogen von jahrtausendealten Bauwerken aus Ziegel zu heutigen Gebäuden und ihren Eigenschaften und den Anforderungen, die in Bezug auf Wärmeschutz, Schallschutz und Bautechnik und -konstruktion zu beachten sind.
Drei Ausstellungen zur Tagung
Erstmalig wurden drei Ausstellungen anlässlich der Professoren-Tagung eröffnet. Die Ausstellung zum Architekturpreis 2009, die seit Februar 2010 die Wanderschaft durch acht süddeutsche Hochschulen angetreten hat, bildete mit 32 gebauten Projekten den Kern der Ausstellungen. Arbeitsmodelle aus gebranntem Lehm, die im Herbst 2009 in einem Entwurfsworkshop der Hochschulen Augsburg und Trier im Kloster Lichtenthal in Baden-Baden entstanden, wurden als beeindruckende Formation gezeigt. Die gelungene Präsentation wurde ergänzt durch Anschauungsmaterial in Form von Hintermauerziegeln der neuesten Generation und Klinker, Vormauerziegel und Keramikhohlplatten in Oberflächen, Farben und Formaten, die den gestalterischen Nerv der Architekten besonders treffen.
Wie bauen wir eine Stadt
Prof. Dr. Matthias Sieveke, Hochschule Trier, der diese Kooperationsveranstaltung mit dem Ziegel Zentrum Süd maßgeblich mit vorbereitete, dokumentierte in seinem Vortrag die gut 2.000-jährige Geschichte der Stadt Trier von ihren römischen Anfängen, über die dramatischen Veränderungen, die das Mittelalter und die Entstehung der Bischofsstadt für das Stadtgefüge mit sich brachte, bis hin zur Moderne. Stadträumliche Qualitäten und wesentliche Prinzipien zur Stadtgestaltung sind seit Jahrzehnten Anliegen von Prof. Rob Krier, Berlin. Er zeigte eine beeindruckende Zahl von zum Teil großräumigen Stadtbausteinen, anhand derer er sehr eloquent seine Thesen zur Stadtkomposition herleitete. Die Cité Judiciaire, sein erst kürzlich vollendetes Werk am Rande der Luxemburger Altstadt, leitete über zur sehr lebhaften Diskussion zum Abschluss der Tagung. Sie war bestimmt von der Kontroverse zwischen Prof. Krier’s Auffassung vom Umgang mit der Moderne, vor allem in Bezug auf Formensprache und Materialität, die in weiten Zügen abwich von der Auffassung vieler Professorinnen und Professoren.
Exkursion durch Trier und Luxemburg
Prof. Oskar Spital-Frenking, Hochschule Trier, führte die Tagungsteilnehmer am Samstagvormittag zu den wesentlichsten Bauten Triers – den römischen Bauten, der mittelalterlichen Bischofsstadt und über modernen Wohnungsbau auf dem Petrisberg wieder zurück zu den Römern, zum ausgedehnten Gräberfeld unter der Kirche St. Maximin.
Die anschließende Luxemburg-Exkursion führte nach Esch-Belval, einem großen Stadtentwicklungsgebiet, das auf Brachland der Schwerindustrie nach dem Masterplan von Jo Coenen zwischen archaisch anmutenden Hochöfen am Entstehen ist. Die Besichtigung der beeindruckenden Gebäude des Europäischen Gerichtshofs auf dem Kirchberg in Luxemburg rundete den Samstagabend ab. Prof. Rob Krier führte persönlich am Sonntagmorgen durch die Cité Judiciaire auf dem Heilig-Geist-Plateau. Der Blick von dort hinüber zu den Bauten des Kirchberg-Plateaus hätte die Kontraste kaum deutlicher veranschaulichen können! Der Besuch des erst im Mai 2010 eröffneten städtischen Museum „Villa Vauban“, geführt durch den Architekten Philippe Schmit, vermittelte eine wohltuende Gestaltungs- und Detailsicherheit und gekonnten Umgang mit komplexen Raumzusammenhängen und hochwertigen Oberflächen zum Abschluss der Luxemburg-Exkursion.
„Viele Professoren fragen begierig nach den Zielen und Themen unserer Veranstaltungen für Professoren im nächsten Jahr“, berichtet Architektin Waltraud Vogler vom Ziegel Zentrum Süd erfreut. „Wir fühlen uns in unserer Arbeit bestätigt und wollen dieses lebendige Netzwerk in 2011 gerne weiter ausbauen.“
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