14.04.2010 News: Bau und Fraunhofer-Allianz Bau schließen strategische Allianz
Die Bau und die Fraunhofer-Allianz Bau haben sich auf eine strategische Allianz verständigt. Die Kooperation zwischen der Weltleitmesse für Architektur, Materialien, Systeme und Deutschlands bedeutendster Forschungseinrichtung für das Bauwesen ist langfristig angelegt.
Die Fraunhofer-Allianz Bau wird die Bau künftig mit ihrem Know How und ihrem Netzwerk unterstützen – und umgekehrt. Die Allianz legt ihren Forschungsschwerpunkt auf Fragen zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, aber auch auf den Aspekt der Gesundheitsverträglichkeit des Bauens und Wohnens sowie auf Problemstellungen von Produkt-, System- und Prozessoptimierung. Bereits Im Vorfeld der Bau 2011 werden beide Partner auf Pressekonferenzen im In- und Ausland gemeinsam auftreten und bei Marketing-Aktivitäten kooperieren.
Auf der Bau 2011 wird die Zusammenarbeit in eine von der Fraunhofer-Allianz Bau präsentierten Sonderschau zum Thema „Intelligentes Bauen“ münden. Mit der Sonderschau leistet die Fraunhofer-Allianz auch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Bau-Leitthemen „Nachhaltig bauen“ sowie „Forschung und Innovation in der Bauwirtschaft“. Vom Werkstoff über Bauteil, Raum und Gebäude bis hin zum kompletten Siedlungskonzept zeigen die 16 Fraunhofer-Institute der Allianz Bau auf der Sonderschau innovative Lösungen zu den Forschungsthemen Innenräume und Menschen, klima- und kulturangepasstes Bauen sowie Hochleistungswerkstoffe und intelligente Gebäudeleitsysteme.
Messe-Geschäftsführer Dr. Reinhard Pfeiffer sieht in der Kooperation einen wichtigen Baustein für die weitere Entwicklung der Bau: „Das Motto der Bau lautet: ´Die Zukunft des Bauens´ - das ist genau das Thema, mit dem sich die Fraunhofer-Allianz Bau beschäftigt. Wir arbeiten beide in die gleiche Richtung, ziehen am selben Strang. Bei der Entwicklung neuer Technologien und Materialien arbeitet die Fraunhofer-Allianz Bau eng mit Unternehmen zusammen, die auch auf der Bau ausstellen. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit sind dann auf der Bau zu besichtigen. Bau, Fraunhofer-Allianz BAU und Bauindustrie - das ist wie ein magisches Dreieck, das sich in der Champions-League die Bälle zuspielt.“
„Das Wachstum der Städte wird die Entwicklung im 21. Jahrhundert entscheidend beeinflussen, denn der Wettlauf um eine ökologisch nachhaltige Zukunft findet vor allem in den urbanen Zentren statt“, erläutert Professor Klaus Sedlbauer, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Bau und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP), das Potential für Forschung und Entwicklung im Baubereich. "Gemeinsam mit der Bauwirtschaft wollen wir die technologische Führerschaft Deutschlands in den Bereichen Bauprodukte und -prozesse weiter ausbauen, gerade auch im Hinblick auf den Aspekt der Nachhaltigkeit bei Planung, Realisierung und Nutzung von Gebäuden. Nachhaltigkeit ist das Ziel unserer Forschungsarbeit, intelligentes Bauen ist der entsprechende Weg dorthin," so Prof. Sedlbauer: „Die Kooperation zwischen der Weltleitmesse BAU und der führenden Forschungsallianz für angewandte Bauforschung ist dabei eine logische Konsequenz.“
Die Fraunhofer-Allianz Bau ist ein Zusammenschluss von 16 Forschungseinrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft. Sie wurde am 28. Mai 2008 gegründet. Als interdisziplinäre Organisation agiert die Allianz Bau als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik. Sie bildet alle wesentlichen forschungsrelevanten Fragestellungen zum Thema Bau innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft ab. Das Portfolio der Allianz richtet sich gleichermaßen an kleine wie große Unternehmen, viele davon Aussteller und Besucher der Bau. Darüber hinaus versteht sich die Fraunhofer-Allianz als Indikator und Initiator neuer und innovativer Themen rund um die Bauforschung. Die zentrale Geschäftsstelle der Allianz Bau hat ihren Sitz am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), Institutsteil Holzkirchen, etwa 30 Kilometer südlich von München. Weitere Informationen zur Forschungsallianz findet man unter: www.bau.fraunhofer.de
“Der größte Innovationstreiber ist der Klimawandel“
Die Bauwirtschaft wird in der Öffentlichkeit häufig als träge, konservativ und wenig innovativ wahrgenommen. Ist das so oder trügt dieses Bild?
High-Tech, Low-Tech, Bau-Tech – das ist das Bild, das viele von der Baubranche haben, zum Teil durchaus berechtigt. Das Problem liegt darin, dass wir sehr langlebige Güter beforschen und daran arbeiten. Ein Gebäude steht nun mal 30, 50, 80 Jahre. Dennoch gibt es hoch spannende Bereiche in der Bauforschung, die von Low-Tech weit entfernt sind. Denken Sie zum Beispiel nur an innovative Materialien und Werkstoffe, an die Gebäudeleittechnik und die Gebäudeautomation. Energiepreis, Klimawandel, Ressourcenverknappung – angesichts dieser Entwicklungen müssen wir unsere Gebäude deutlich intelligenter bauen und betreiben. Hier kommen wir unvermeidlich in den High-Tech-Bereich.
Wer sind die Innovationstreiber am Bau?
In erster Linie werden wir von außen getrieben. Der größte Innovationstreiber ist dabei der Klimawandel. Wenn wir die Reduktion der CO2-Emissionen ernst nehmen und etwas dafür tun wollen, dann haben wir mit der Baubranche einen riesen Hebel. Die Baubranche ist eine der Schlüsselbranchen, denn sie bindet weltweit einen enormen Anteil aller Ressourcen, insbesondere an Material und Energie. Wenn es um technologische Entwicklungen geht, gibt es viele unterschiedliche Innovationstreiber. Das kann die Architektur sein, wenn man an hochmoderne nachhaltige Gebäude denkt. Es kann die Forschung sein, wenn man an Plusenergiehäuser denkt. Das können aber auch große Baukonzerne sein, die mit neuen Modellen die betriebliche Steuerung von Baustellen voran treiben. Allerdings handelt es sich dabei meist um Einzelaktivitäten. Der interdisziplinäre Austausch war bislang eher unzureichend.
Es fehlt also an Abstimmung und Koordination. Welche Aufgabe fällt in diesem Zusammenhang der Fraunhofer-Allianz Bau zu?
Wir haben drei Zielsetzungen. Das eine ist, die Kompetenzen und Aktivitäten in der Bauforschung zu bündeln und an den Schnittstellen Innovationen voranzutreiben. Der zweite Punkt ist, größere Projekte gemeinsam anzugehen. In Stuttgart sind wir beispielsweise gerade dabei, ein großes Innovationscluster zur Thematik Nachhaltigkeit aufzustellen. Drittens arbeiten wir darauf hin, das Themenfeld Bauforschung in der Politik stärker zu verankern und dessen enormes technisches und wirtschaftliches Potential aufzeigen. Der Gesellschaft muss bewusst werden, dass die Baubranche die Schlüsselrolle bei der Bewältigung unserer globalen Probleme wie Klimawandel, Ressourcenverknappung und Energieversorgung spielt.
Wie sehen Sie die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie? Funktioniert das oder gibt es Optimierungspotential?
Die Zusammenarbeit hat immer funktioniert, auch zuletzt während der Finanzkrise. Jeder zweite Euro, den wir verdienen, kommt durch Aufträge aus der Wirtschaft. Nehmen wir ein Beispiel: Unser inHaus-Zentrum in Duisburg hat das Ziel, Forschung und Wirtschaft zusammen zu bringen und so Innovationen anzuschieben. Es geht um Brainstorming, Ausprobieren von Ideen bis hin zur Demonstration von Innovationen, die als marktnahe Systemlösungen mit der Industrie entwickelt werden.
Stichwort Forschungsaktivitäten. Was sind dabei die vorherrschenden Themen, mit denen sich die Fraunhofer-Allianz Bau beschäftigt?
Es gibt vier Säulen. Zum einen der Themenkomplex Nachhaltigkeit, also Gebäude so zu planen, zu erstellen, zu betreiben und rückzubauen, dass der Einfluss auf die Umwelt minimiert wird. Hier spielen ökologische Faktoren eine Rolle wie Ökobilanzen oder recyclinggerechtes Konstruieren. Hinzu kommen ökonomische Faktoren. 80 Prozent der Kosten eines Gebäudes entstehen in der Nutzungsphase, das ist zuviel. Wir müssen auch einen stärkeren Focus auf die Ökobilanz der Produkte legen, die wir verbauen. Die zweite Säule betrifft die Frage, warum wir bauen – für den Menschen. Also müssen wir Räume gesund und behaglich gestalten. Wenn Mitarbeiter in Büros leistungsfähiger und produktiver arbeiten können, spart das dem Unternehmen Kosten ohne die Mitarbeiter mehr zu belasten. Die dritte Säule der Bauforschung, das sind Hochleistungswerkstoffe, multifunktionale Produkte, Fassadensysteme. Ich denke beispielsweise an Sanierungssysteme, die es erlauben, mit minimalinvasiven Eingriffen einen Altbau zu ertüchtigen und zugleich die Sanierungszeiten extrem zu verkürzen. Die vierte Säule betrifft die Softwareentwicklung, dass man also, ausgehend von der CAD-Skizze eines Architekten, die gesamten Funktionalitäten simulieren und ein Gebäudemodell entwickeln kann - da stehen wir im Baubereich vor einem Riesensprung.
Werden diese Themen irgendwann in konkrete Produkte münden?
Die anwendungsorientierte Forschung mit einer marktnahen Umsetzung entspricht dem Fraunhofer-Prinzip. Ein Beispiel dafür sind die akustischen Absorber. Das ist mittlerweile eine ganze Produktfamilie. Die Absorber schlucken den Schall und führen zu höherer Sprachverständlichkeit in Räumen. Oder: Wenn ich weiß, welche Moleküle zu welcher Geruchsbelastung führen und woher sie kommen, kann ich eine Lüftungsanlage nach sensorischen Ereignissen steuern. Wenn also der Bauer draußen Gülle streut, fährt die Lüftungsanlage runter. Unser Ziel ist immer, Entwicklungen, die wir aus der Chemie, Physik, Werkstoffwissenschaft und Mikroelektronik kennen, in die harte Technologie des Bauens zu überführen und als Produkte zum Einsatz zu bringen.
Wie steht die deutsche Bauwirtschaft hinsichtlich ihrer Innovationskraft im internationalen Vergleich da?
Sie steht hervorragend da, aber kommuniziert das zu wenig. Die Bauwirtschaft täte gut daran, mit mehr Überzeugungskraft aufzutreten. Mehr Hosenträgerschnalzen, würde man in Bayern sagen. Nehmen Sie zum Beispiel die USA. Beim LEED-Zertifizierungssystem spricht man dort von Leadership, obwohl Amerika in Sachen Bauforschung bislang eher Entwicklungsland war. Hier setzt nun die Fraunhofer-Allianz Bau an, die vorhandene Innovationskraft der deutschen Bauforschung- und ‑wirtschaft aufzugreifen und zu bündeln.
Auf der BAU 2011 wird sich die Fraunhofer-Allianz Bau mit einer Sonderschau zum Thema „Intelligentes Bauen“ präsentieren. Was versprechen Sie sich von diesem Auftritt?
Wir möchten die Kompetenz der deutschen Ingenieurskunst darstellen. Ohne mich jetzt schon festzulegen, wären drei zentrale Themenfelder vorstellbar: Erstens Nachhaltigkeit; zweitens Innenräume und Menschen, klima- und kulturangepasstes Bauen und drittens: Hochleistungswerkstoffe und intelligente Gebäudeleitsysteme. Die Besucher der Sonderschau sollen sich von der Vielseitigkeit der Bauforschung begeistern lassen.
Machen wir einen Zeitsprung ins Jahr 2050. Wie leben wir dann? Wie sieht das Gebäude der Zukunft aus?
Wir werden in kleinen Kraftwerken wohnen, also in Gebäuden, die mehr Energie liefern als sie verbrauchen. Diese Plusenergiehäuser werden auch unsere Elektroautos auftanken. Als Folge der Ressourcenverknappung werden das Gebäude sein, die man mit einfachen Mitteln komplett recyclen kann. Nachhaltiges Bauen ist dann kein angestrebtes Ziel mehr sondern längst Standard. 2050 wird das Kupfer aus dem Baubestand kommen und nicht mehr aus der Kupfermine. Die Gebäude werden außerdem sehr viel intelligenter sein und ihre Nutzer unterstützen. Sie werden flexibel und multifunktional sein und sich über die Wettervorhersagen dem Klima anpassen. Wir werden Gebäude künftig auch nicht mehr komplett auf 20 Grad heizen, sondern die Klimabedingungen, die wir brauchen, sehr viel lokaler und temporärer herstellen. Ein Sensor im Schuh kann kalte Füße signalisieren, dann schaltet sich kurzfristig ganz kleinräumig die Heizung unter der Tischplatte an. Mit minimalem energetischem Aufwand und maximaler Intelligenz das Optimum an Komfort für den Menschen herausholen – das werden wir 2050 erleben.
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Klaus Sedlbauer, Jahrgang 1965, ist Inhaber des Lehrstuhls für Bauphysik der Universität Stuttgart (LBP), Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP), und Senatsmitglied der Fraunhofer Gesellschaft. 2007 war Sedlbauer Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), deren Präsidium er angehört. Auch die Gründung der Fraunhofer-Allianz Bau ging maßgeblich von Sedlbauer aus, deren Vorsitzender er ist. Er ist seit 2003 ständiges Mitglied der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes. Als Sachverständiger wurde er im Jahr 2008 in den wissenschaftlichen Gutachterausschuss des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) berufen.
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