30.07.2009 News: Ziegel Zentrum Süd e.V. - Professoren im Spannungsfeld von Städtebau und regionaler Architektur

Bauen in Zeiten von Wirtschaftskrise, Nachhaltigkeits-Debatten und steigenden energetischen Anforderungen: Diese Themen standen im Mittelpunkt der zweitägigen Professoren-Tagung des „Ziegel Zentrum Süd“ in Konstanz. Ökologisch, sozial und ökonomisch ausgewogene Stadtentwicklung wurde an den Beispielen Konstanz und Winterthur diskutiert. Die neuesten Entwicklungen im Wohnungsbau in den Niederlanden wurden zum Vergleich exemplarisch aufgezeigt. Zudem standen die spektakulären neuen Bauten des Landtages in Liechtenstein und die Präsentation einer experimentellen Turmskulptur in Nepal mit hohem gestalterischem Potential auf dem Programm. Schalungsfreier Gewölbebau und erdbebengerechtes Bauen waren Spezialthemen der Tagung. Eine Altstadtführung durch Konstanz sowie eine Besichtigung der lokalen Stadt-Architektur rundeten die zweitägige Veranstaltung ab.

„Die energetische Optimierung bestehender und geplanter Bausubstanz ist ein sehr wesentliches Thema, jedoch darf die Bautätigkeit auf keinen Fall aufgrund extrem komplizierter und teurer Gesetzesvorgaben so gut wie komplett zum Erliegen kommen. Bauwillige und ausführende Firmen benötigen dringend Anreize zum Bauen statt Abschreckung, vor allem in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation“, betont Diplom-Ingenieurin Waltraud Vogler, Geschäftsführerin des Ziegel Zentrum Süd. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in vielen Ballungs­gebieten spitzt sich derzeit zu und Millionen von Altbauten müssen energetisch saniert oder durch Neubauten ersetzt werden. Trotz globaler Wirtschaftskrise besteht in Deutschland verstärkt ein großer Bedarf an Bauleistungen – auch was die bauliche Infrastruktur der Hochschulen und Universitäten angeht. Die Verschärfung der Energie-Einsparverordnung und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes steigert die Baukosten kontinuierlich und stellt Fachleute und Bauherren ständig vor neue Herausforderungen. Der Innovationssinn der Deutschen und ihre Führungsrolle bei der Entwicklung ökologischer Konzepte und umweltfreundlicher Methoden sind gleichzeitig in vielen Bereichen der Wirtschaft sehr gefragt. Das Ziegel Zentrum Süd mit Sitz in München fördert Lehrende und Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens. Dabei steht der Baustoff Ziegel mit seinen Potentialen im Vordergrund. Anlässlich der Tagung trafen sich rund 50 Professorinnen und Professoren der Architektur und des Bauingenieurwesens in der Aula der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) Konstanz, um sich über neue Projekte und Erkenntnisse auszutauschen.

 

Behutsamer Umgang mit Ressourcen

Die steigenden energetischen Anforderungen an Gebäude sowie die ständige Veränderung von sozialen Strukturen und ökonomischen Gesichtspunkten erfordern neue Wege im Städtebau. Der Baubürgermeister von Konstanz, Architekt Kurt Werner, referierte auf der Tagung über die ressourcenbewusste Entwicklung seiner Stadt. Durch konse­quentes Weiterbauen, der Schaffung urbaner Dichte und qualitätvoller Freiräume soll die Universitätsstadt einen hohen Standard erreichen. Dieser Diskussion über stadt- und landschaftsräumliche Qualität schloss sich Professor Leonhard Schenk von der HTWG Konstanz an. Behutsame Stadterneuerung in den Niederlanden statt kompakte Reihenhaussiedlungen in den Außenbezirken wie zu Zeiten des Baubooms in den 1990er Jahren dokumentierte er in seinem neuesten Buch. Er beschrieb verträgliche Verdichtung der Städte und den individuellen Ausbau von Bestandsgebäuden als die heute dominierenden Themen in den Niederlanden.

 

Bereits Bestehendes ressourcenschonend nutzen und nachhaltig aufbereiten: Unter diesem Motto referierte Architekt Walter Muhmenthaler über die Entstehung eines neuen Stadt­quartiers im Gebiet der Industriebrache des Sulzer Areals in Winterthur. Besonderheit des Projektes: Riesige Hallen mit historischen Klinkerfassaden, die zahlreichen Bestandsbauten der ehemaligen Metallgießerei, werden saniert und umgebaut und dazwischen mit anspruchsvollen Neubauten verdichtet. Ein komplettes Viertel erhält hier eine neue Identität.

 

Das „Hohe Haus“ in Vaduz und der „Turm zu Bhaktapur“

Prof. Hansjörg Göritz von der Tennessee University Knoxville zeigte in seinem Werkbericht über die Parlamentsbauten in Liechtenstein das neue Zentrum von Vaduz mit seinen spektakulären Neubauten. Ihre hell leuchtende Hülle aus gelbem Klinker – aus örtlichen Tongruben gefördert – zieht sich als bestimmendes Element monochrom bis über die Dachflächen. Das „Erste Haus am Platz“, von Prof. Göritz als elementares „Steindachhaus“ nördlicher Prägung entworfen, bestimmt in anspruchsvoller Schlichtheit wie eine Skulptur die Ortsmitte.

Eine Skulptur anderer Art präsentierte Professor Wolfgang Rang vom Fachbereich Architektur der FH Frankfurt am Main anhand eines Films und einer Buch­vorstellung. Der Turm zu Bhaktapur (Nepal) entstand als internationale Gemeinschaftsarbeit der FH Frankfurt und dem Exzellenzcluster „Asia and Europe“ der Universität Heidelberg. Das deutsche Projektteam mit 25 Studierenden entwickelte Prototypen für profilierte Ziegel, die dann in Nepal hergestellt und gebrannt wurden. Anschaulich präsentierte Prof. Rang den Tagungs­teilnehmern, wie die Studenten – gemeinsam mit nepalesischen Maurern – den in zweischaligem Verbund gemauerten Turm zu Bhaktapur errichteten. Begeistert beschrieb der Referent die Farbigkeit und Haptik gebrannter Erde, die hier als bergende Haut und lebendige Wandfläche erfahrbar wird.

Auch ein Einblick in die lokale Architektur Konstanz‘ kam bei der Tagung nicht zu kurz. Die Teilnehmer hatten unter anderem Gelegenheit dazu, die Bleiche in „Stromeyersdorf“ zu besichtigen, die auf eindrucksvolle Weise den gelungenen Umgang mit Industriebrachen demonstriert. Das kühne architektonische Wohnhaus-Ensemble von Christoph Mäckler Architekten, ganz in der Nähe der neuen Bodenseetherme direkt am See gelegen, begeisterte die Tagungsteilnehmer. Auch die Altstadtführung durch den Leiter des Baurechts- und Denkmalamtes der Stadt Konstanz, Dipl.-Ing. Frank Mienhardt, trug zu einer perfekten Symbiose aus Vorträgen, Diskussionen und Besichtigungen bei. „Viele Professoren wollen im nächsten Jahr wieder dabei sein“, freut sich Waltraud Vogler vom Ziegel Zentrum Süd. „Wir fühlen uns in unserer Arbeit bestätigt und wollen dieses lebendige Netzwerk kontinuierlich weiter ausbauen.“

 

Ziegel Zentrum Süd e.V.

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