59. Würzburger Ziegellehrgang

Volles Haus und voller Erfolg nach zwei Jahren Pause

Die Wiedersehensfreude stand den Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Nach einem zweijährigen Hiatus konnte der Würzburger Ziegellehrgang wieder stattfinden. Mehr als 200 Fachleute der Branche aus Hersteller- und Zuliefererbetrieben kamen dafür am 29. und 30. November 2022 zusammen. Angesichts der überraschend zahlreichen Anmeldungen fand der Lehrgang nicht in der Landesgewerbeanstalt (LGA) statt, sondern wurde in eine eigens angemietete Veranstaltungshalle in Würzburg verlegt. Um den Ziegellehrgang vor dem Hintergrund des immer noch virulenten Corona-Virus so sicher wie möglich stattfinden zu lassen, wurde das Programm von traditionell drei auf zwei Tage gestrafft und die Exkursion ausgelassen.

Vorträge des ersten Tages

Zum Einstieg begrüßte David Ostendorf, Technischer Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Ziegelindustrie, die Teilnehmer des Lehrgangs. Zu Eröffnung des Vortragsprogramms ging er auf die aktuellen Herausforderungen der Ziegelindustrie in Deutschland in. Die Lösung, so Ostendorf, bestehe in der konsequenten Fortsetzung der Forschungsbemühungen der gesamten Branche, um Energieknappheit und -kostenanstiegen erfolgreich begegnen zu können.

Katharina Armbrecht, Leiterin des Bereichs Energie und Umwelt beim BVZi, ging in ihrem Vortrag auf die energie- und klimapolitischen Herausforderungen, denen sich die Ziegelindustrie gegenübersieht, ein. Dabei informierte sie auch über den aktuellen Stand der geplanten politischen Maßnahmen wie bspw. Gas- und Strompreisbremse.

Silbe Sabath vom Institut für Ziegelforschung e. V. in Essen gewährte dem Auditorium einen Überblick über die bestehenden Förderprogramme. Vortragsschwerpunkt bildete die ausführliche Vorstellung des neu aufgelegten Förderprogramms des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“.

Die Einsatzmöglichkeit von Wasserstoff als Brennstoff der Zukunft diskutierte Anne Giese vom Gas- und Wärmeinstitut Essen e. V. Grüner Wasserstoff bietet Potenzial für eine umweltfreundliche Bereitstellung von Prozesswärme. Hürden bestehen noch bei der Beherrschung der Veränderungen bei Flammentemperatur und NOx-Emissionen. Die zentrale Herausforderung bestehe darin, Wasserstoff im industriellen Maßstab zur Verfügung zu stellen. Der Einsatz von Ammoniak als chemischer Speicher für Wasserstoff oder sogar als Brennstoff kann eine Lösung darstellen.

Torsten Bärtels von der Firma Keller HCW GmbH beschrieb in seinem Vortrag „Klimaneutraler Brennprozess in der Ziegelindustrie – Machbar für uns?“ die bisherigen Erfahrungen seines Unternehmens mit verschiedenen technischen Pfaden, eine klimaneutrale Ziegelproduktion zu erreichen. Im Einzelnen ging er auf ein aktuelles Wasserstoffforschungsprojekt in NRW, die bisher mit Elektrifizierung gemachten Erfahrungen sowie daraus abgeleiteten Einschätzungen sowie Ansätze zur Steigerung der Energieeffizienz des Tunnelofens bzw. des Trockner-Ofen-Verbundes ein.

Die Herausforderungen der Reingasbrenntechnik sowie die damit gemachen Erfahrungen und gefundenen Lösungen skizzierte Christoph Brune von Innovatherm Prof. Dr. Leisegang Gmbh + Co. KG. Die Reduzierung der im Ofen eingesetzten Luftmenge verringert die nötige Wärmemenge und spart so Brennstoff und Emissionen. Um die Konvektion aufrecht zu erhalten und lokale Überhitzungen und Reduktionseffekte zu vermeiden, wurde ein neues Brennerkonzept entwickelt. Eine Feuerung in Impulsen unterschiedlicher Länge kann die Qualität und Effizienz des Ofenbrandes beeinflussen.

Über die am KI Keramik-Institut in Meißen gemachten Erfahrungen mit Versuchsbränden in einem mit Wasserstoff betriebenen Kammerofen und in einem elektrisch betriebenen Tunnelofen berichtete Institutsleiter Jens Petzold. Beim Wasserstoff fokussierte der Vortrag auf den Einfluss des sich bildenden Wasserdampfpartialdrucks auf die Scherben- und Glasurausbildung. Eine Senkung des Wasserdampfpartialdrucks kann bei gemuffelt elektrisch betriebenen einlagigen Tunnelöfen zu einer Senkung des Energieverbrauchs führen.

Herbert Grünbichler von Cress stellte eine Ofeninnenbeschichtung mit hohem Emissionsvermögen vor. Ausgehend von den Eigenschaften Emissivität und Reflexivität wurde die Funktionsweise der Beschichtung erläutert. Emisshield soll Wärmeverluste im Ofen reduzieren und dessen Lebensdauer verlängern. Anhand einer Liste von Referenzen wurde das Energieeinsparpotenzial dargestellt.

Im letzten Vortrag des ersten Tages diskutierte Lucas Briest von der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg die Möglichkeit effizienter Ziegeltrocknung durch eine Kombination von intermittierender Mikrowelle und Konvektion. Aus den vorgestellten Untersuchungsergebnissen ergibt sich, dass ein intermittierender Energieeintrag Temperaturprofile vergleichmäßigt und den Gesamtenergieverbrauch reduziert. Der Effizienzgrad beträgt zwischen 62 und 80 Prozent. Die Effizienzsteigerung steht in Abhängigkeit von den Materialeigenschaften und der Wasserbeladung. Eine zusätzliche Erwärmung mit heißer Luft erweist sich dagegen als unverhältnismäßig.

Zum Abschluss des ersten Lehrgangstages trafen sich Teilnehmende, Vortragende und Organisierende zum gemeinsamen Abendessen und Austausch im Würzburger Hofbräu.

Vorträge des zweiten Tages

Den zweiten Lehrgangstag leitete Dr. Lutz Krakow von Dr. Krakow Rohstoffe mit einem Überblick über 10 neue Rohstoffkonzepte für die Ziegelindustrie ein. Potenziale für nachhaltige Tongewinnung außerhalb von Tongruben bestehen beispielsweise in der Mineralwäsche, beim Tunnelaushub, dem Rückbau von Schlammteichen oder dem Einsatz moderner Filterpressen. Dabei wurden auch Untersuchungsergebnisse über die Eignung der so gewonnenen Alternativrohstoffe für die Ziegelherstellung vorgestellt.

Daran schloss sich eine Einführung in die Tonmineralogie für Ziegler an. Kathrin Müller erläuterte in ihrem Vortrag die grundlegenden tetraedischen und oktaedrischen Strukturen von Tonmineralien. Auf dieser Grundlage wurden dann verschiedene Gruppen von Tonmineralien erfasst und in ihren chemischen und strukturellen Eigenschaften beschrieben: Kaolin-Serpentin, Pyrophyllit-Talk, Glimmer, Smektit und Chlorit.

Matthias Daut, Vertriebsleiter bei VHV Anlagenbau GmbH im Münsterland stellte anhand eines Fallbeispiels vor, wie die Modernisierung einer Anlage zum Tontransport durch VHV vorgenommen wird. Das Fallbeispiel behandelte den Austausch eines Schuppenbands gegen einen Deckbandförderer. Daut stellte darüber hinaus Serviceleistungen der VHV vor wie Maßaufnahme mit 3D-Scanner und Visualisierung im CAD-System sowie Produkte wie die Walzwerkeinlaufhaube und die Walzwerkauslaufschnurre.

Eine Innovation für den Dachziegelbrand kündigte Wilbert Jochims von Imerys Kiln Furniture an. Er stellte die von seiner Firma entwickelte und patentierte T-Form-Kassette vor. Diese soll, im Gegensatz zur klassischen H-Kassette, ein Abplatzen an den Dachziegeln verhindern.

Die Gratwanderung zwischen Energieeffizienz und Langlebigkeit diskutierte Mario Hollmann von Refratechnik Ceramics GmbH. Als Lösungen aus seinem Haus präsentierte er unter anderem verschiedene Ofenwagensystemen von Refratechnik, die diesen Zielkonflikt berücksichtigen. Leicht-Materialien reduzieren den Energieverbrauch, stabile Geometrien gewährleisten langlebige Nutzungsdauer. Steigerungen der Energieeffizienz seien mit dem Schüttgut Refratherm Eco möglich.

Eine automatische Wandteil-Verlegeanlage für Riemchen stellte Michael Seitzer von Lingl Anlagenbau vor. Die Anlage kann drei unterschiedliche Riemchentypen (Farben, Dicken, Größen) auf unterschiedliche Trägermaterialien montieren. Die Leistung soll bei 2.000 montierten Riemchen pro Stunde liegen. Als Anordnungen der Steine sind Wildverband, Halbsteinverband und Blockverband möglich.

Im Anschluss an die Mittagspause diskutierte Ulrich Hagemann von der Firma Keller HCW GmbH in seinem gleichnamigen Vortrag die These, ob effiziente industriell vorgefertigte Ziegelfertigteilwände ein modernes High-Tech-Produkt sind. Er stellte in seinem Vortrag verschiedene Fertigteilwände aus Ziegeln und anderen Baustoffen vor und diskutiert die Vorteile der Vorfertigung. Im Anschluss präsentierte er die von Keller entwickelte Produktionsanlage zur Fertigung von Fertigwandelementen. In Exkursen wurden auch der Bauroboter Hadrian X in Australien sowie der 3D-Hausdruck am Beispiel Beckum erörtert.

Horst Heffter von Cermyc Heffter Consult stellte ein verschleißfestes System für Pressschnecken der italienischen Firma Latermec vor. Es handelt sich um eine Behandlungslösung für Pressschnecken. Dabei wird verschleißfestes Wolfram- und Chromkarbid-Schweißen mit einer hartchromierten Oberfläche versehen. Diese Kombination gleicht die jeweiligen Nachteile beider Verfahren aus, reduziert den Energieverbrauch sowie die Anzahl der Wartungsintervalle.

Alexander Freyburg von der Materialforschungs- und Prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar diskutierte die Frage, ob eine zirkuläre Wirtschaft für die Ziegelindustrie eher eine Chance oder ein Hindernis bedeutet. Ergänzend stellte er aktuelle Forschungsthemen vor, die zur Etablierung einer Ziegelkreislaufwirtschaft beitragen können, wie bspw. Bauwerke aus Ziegeln zukünftig sortenrein trennbar zu errichten.

Alexander Winkel vom Institut für Ziegelforschung in Essen diskutierte den Einfluss mineralischer Additive auf das Trocknungsverhalten und die Produkteigenschaften von Ziegeln. Vorgestellte Versuchsergebnisse zeigen, dass eine gezielte Erhöhung der Packungsdichte das Trocknungsverhalten verbessert. Die Biegefestigkeit der getrockneten und gebrannten Produkte verringert sich teils stark. Die Eignung eines Additivs muss für jeden Einzelfall geprüft werden, da die Reaktion mit dem Ton nicht vorausgesagt werden kann.

Lukas Helm von der Technischen Universität Kaiserlautern (TUK) und Lars Etscheid (IZF) referierten über den Forschungsstand zur out-of-plane Tragfähigkeit von Ziegelmauerwerk bei Erdbeben. Sie stellten dazu ein Ingenieursmodell zur Berechnung der out-of-plane-Tragfähigkeit vor mit Fokus auf der Berücksichtigung der vertikalen Steifigkeit am oberen Auflager. Das sei als wesentlicher Faktor identifiziert und bislang in keinem bekannten Modell ausreichend genau berücksichtigt worden. Mithilfe des Modells werden schlanke, nichttragende und besonders anfällige Innenwände untersucht, unter anderem an einem dreiaxialen Schwingungsprüfstand des Lehrstuhls für Konstruktion in Maschinenbau und Fahrzeugtechnik.

Valentin Heizinger von Leipfinger Bader diskutierte den aktuellen Stand beim Ziegelrecycling. Am Beispiel seines Unternehmens erläuterte er, wie das Recycling im Unternehmensmaßstab funktioniert und welche Vorteile es bringt. Als Recycling-Baustoff der Zukunft stellte er den Kaltziegel vor, der aus verschiedenen Stoffströmen aus Produktion, Recycling und Abbruch herstellbar sei. Im nächsten Schritt seien Anlagen und Marktpotenziale für die großtechnische Herstellung zu klären. Ziegelrecycling erweise sich so als Basis für zahlreiche Produktinnovationen.

Feuerwiderstand von wärmedämmendem Ziegelmauerwerk stand im Zentrum des letzten Vortrags des Lehrgangs. Heiner Kruse (TUK) erörterte die Kriterien für die Klassifizierung eines Bauteils: Zeit, Raumabschluss, Wärmedämmung und mechanische Stabilität. Ein aktuelles Forschungsvorhaben zur Klassifizierung von wärmedämmenden Hochlochziegeln wurde vorgestellt. Das beinhaltet auch die Definition eines erweiterten Anwendungsbereiches der Tabellenwerte für die Einstufung.

Abschluss und Ausblick

Die Organisatoren der LGA, Dagmar Schädel und Joachim Deppisch waren im Rückblick sehr zufrieden. Die Veranstaltung hielten sie für sehr gelungen, der neue Tagungsort sei gut angekommen. Auch unter den Teilnehmern war die Stimmung sehr gut. Der Lehrgang wurde durchwegs gut beurteilt.

Schädel und Deppisch sowie die anderen Organisatoren hoffen, dass der Würzburger Ziegellehrgang ab 2023 wieder in gewohnter und bewährter Form abgehalten werden kann.

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