Wasserstoff - ein zukünftiges Brenngas im Ziegelwerk? (Teil 1)
Die Nutzung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff anstelle von Erdgas wird als wichtiger Baustein bei der Transformation der Industrie zu einer CO2-freien Produktion angesehen. Wasserstoff als Brenngas im Ziegelwerk einzusetzen, bietet im Vergleich zur ebenfalls diskutierten elektrischen Beheizung von Tunnelöfen den Vorteil, dass lediglich geringe Veränderungen der Brennerausrüstungen erforderlich sind. Dennoch ergeben sich bei der Anwendung von Wasserstoff vielseitige Fragenstellungen sowohl zur Wirtschaftlichkeit, zu den Verbrennungseigenschaften sowie zum Einfluss der veränderten Abgaszusammensetzung auf die Produkteigenschaften. Zu diesen Themen wurde am IAB Weimar von 04.2021 - 02.2023 ein Forschungsvorhaben speziell für Thüringer Ziegelwerke durchgeführt und von der Thüringer Aufbaubank gefördert. (Der Artikel wird in drei Teilen veröffentlicht)
1 Einleitung
Zu Beginn wurden die derzeit verfügbaren Daten über die zukünftigen Möglichkeiten und Grenzen der Wasserstoffversorgung analysiert und die notwendigen Voraussetzungen für die Ziegelwerke herausgearbeitet. Zudem wurden ausgewählte physikalische Eigenschaften von Erdgas und Wasserstoff und deren Gemischen sowie Erfahrungswerte zum Wärmeübergang und zur Energiebilanz betrachtet. Die Abgaszusammensetzung wurde sowohl bei stöchiometrischer Verbrennung als auch unter den Bedingungen im Tunnelofen berechnet. Diese Ergebnisse dienten als Grundlage für die durchgeführten Laboruntersuchungen an grobkeramischen Rohmaterialien, deren Ergebnisse hier exemplarisch vorgestellt werden.
2 Wasserstoffversorgung im Ziegelwerk
Im ersten Teilprojekt wurden die Möglichkeiten zur Herstellung, Speicherung und zum Transport von Wasserstoff (H2) sowie zur erforderlichen Sicherheitstechnik im Ziegelwerk untersucht. So sind einerseits lokale Elektrolyseure oder Tankspeicher (Lieferung per LKW/Bahn) für Ziegelwerke denkbar. Andererseits ist die Anlieferung über vorhandene Erdgas-Pipelines angedacht. Das europäische Erdgasnetz soll zukünftig für einen Transport von bis zu 100 % H2 ausgebaut werden. Eine nahezu flächendeckende Gasversorgung wie es derzeit bei Erdgas der Fall ist, wird jedoch zumindest für das kommende Jahrzehnt als unrealistisch eingeschätzt [1], [2], [3], [4].
Aktuell dürfen im europäischen Erdgas bis maximal 10 % H2 zugemischt werden [1], [5]. Die ungleichmäßige Einspeisung von alternativ erzeugten Brenngasen führt jedoch zunehmend zu einer schwankenden Gaszusammensetzung im Netz. Großabnehmern wie Ziegelwerken wird daher empfohlen, vor Ort eine kontinuierliche Gasanalyse durchzuführen und die Brenngas- und Verbrennungsluftmengen an den realen Heizwert anzupassen [6], [7].
Ab einem geplanten Anteil von 20 % H2 im Erdgas ist beim Verbraucher eine Prüfung und ggf. eine Modifikation der vorhandenen Leitungs- und Brenntechnik erforderlich [7]. Wie in Punkt 3.2 gezeigt wird, wirkt sich ein H2-Anteil < 80 % im Erdgas jedoch vergleichsweise wenig auf das eigentliche Ziel des Einsatzes von H2 - der Verringerung von CO2-Emissionen - aus.
Die Zumischung von H2 zu den derzeit in Mitteleuropa genutzten Erdgasen ist zudem vom Brennwert und der Dichte des jeweiligen Erdgases abhängig (vgl. Gleichung (4)). Die möglichen Grenzen der Zumischung sind in [7] und [8] beschrieben. Maximal tolerierbare Wobbe-Indices sind für Erdgas H mit 13,6 - 15,7 kWh/mN³ und relativen Dichten (Gasdichte bezogen auf die Luftdichte) von 0,55 - 0,75 angegeben [2], [9]. Die sich daraus ergebende maximal zumischbare Menge an H2 ist damit von der Zusammensetzung des jeweiligen Erdgases abhängig. In [10] wurden je nach Veränderung des Wobbe-Indexes folgende unterschiedliche Auswirkungen auf den Produktionsprozess festgestellt: siehe »Tabelle 1.
Ein weiterer Projektschwerpunkt lag in der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit einer H2-Nutzung. Dazu wurden die Produktionsdaten der Tunnelöfen aus fünf Thüringer Ziegelwerken verwendet. Die dem Brennen vorgelagerte Trocknung der Ziegel mit einem ähnlich hohen Energiebedarf wurde nicht betrachtet. Da im kommenden Jahrzehnt mit einer flächendeckenden Versorgung von 100 % H2 über das Erdgasnetz nicht zu rechnen ist, wurde zunächst die Anlieferung des H2 per LKW-Trailer betrachtet. Die Berechnungsgrundlagen befinden sich in »Tabelle 2.
Diese Variante erfordert für die angegebenen Produktionsleistungen ca. 2 - 10 LKWs mit H2 pro Tag und Ziegelwerk. Zudem empfiehlt sich ein H2-Zwischenspeicher, um die Öfen bei Lieferengpässen kontinuierlich weiterbetreiben zu können. Bei einem Tankinhalt von 350 kg [11] benötigen die Ziegelwerke bei einer angenommenen Vorratshaltung von zehn Tagen 37 - 197 Tanks je Werk. Dieses Tankvolumen entspricht bei einer angenommenen Kugelform Durchmessern von 18 - 32 m.
Für die fünf Thüringer Ziegelwerke ergibt sich in Summe eine erforderliche H2-Menge von 24,5 t/d. Um Transportkosten zu minimieren, sollte diese Menge im Umkreis der Werke zur Verfügung stehen und ist zurzeit nicht realisierbar. Der im Jahr 2022 gebaute größte PEM-Elektrolyseur der Fa. Linde AG in Leuna produziert mit einer Leistung von 24 MW beispielsweise ca. 9 t/d H2, welcher vollständig für die Anlagen vor Ort benötigt wird.
Deswegen wird im Folgenden die Variante geprüft, H2 im eigenen Elektrolyseur vor Ort herzustellen. Das Betreiben des Elektrolyseurs ist sowohl mit Strom aus dem Netz als auch mit Strom aus regenerativ erzeugten Energien wie mit einer eigenen PV- oder Windkraftanlage, aus Wasserkraft- oder Biogasanlagen möglich. Die Berechnungsgrundlagen zeigt »Tabelle 3.
Der Preis für den PEM-Elektrolyseur (Proton Exchange Membran) wurde von der Firma Linde AG in 2022 angegeben und gilt bis zu einer Leistung von maximal 20 MWel. Der Betrieb eines PEM-Elektrolyseurs erfordert zudem aufbereitetes, deionisiertes Wasser [12]. Die Leistung von Onshore-Windrädern beläuft sich derzeit auf 3 - 6 MW je Windrad [13]. In Deutschland bestehen ca. 7.300 Wasserkraftanlagen, welche zusammen über eine installierte Leistung von etwa 5.600 MWel verfügen. Dabei haben 94 % der Anlagen eine installierte Leistung von unter 1 MW und gelten dementsprechend als Klein-Wasserkraftanlagen [14].
Für die Berechnung der erforderlichen Leistung der Windräder sowie PV-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen wurden die in »Tabelle 4 angegebenen Volllaststunden verwendet [12]. Je geringer die Volllaststunden einer Anlage sind, umso größer muss diese ausgelegt werden, damit während der Produktionszeiten ohne Sonne, Wind, Wasserkraft oder Biomasse ausreichend H2 produziert werden kann. Diese Ausfallzeiten erfordern zudem für die Zeit ohne H2-Produktion wesentlich größere Gaszwischenspeicher als oben gezeigt wurde (bei PV z. B. für 326 Tage im Jahr). Ergänzend sei erwähnt, dass die Stromerzeugung aus Biomasse zwar die höchste Anzahl an Volllaststunden aufweist, jedoch mit 52,6 ha/GWh/a einen wesentlich größeren Flächenverbrauch hat als z. B. Photovoltaikanlagen mit 1,0 - 1,2 ha/GWh/a [15].
Die Ergebnisse, wie die Anzahl der Anlagen und die dafür erforderlichen Aufstellflächen sowie den H2- und Wasserbedarf je Ziegelwerk zeigt »Tabelle 5.
Die Ergebnisse zeigen exemplarisch, wieviel Anlagen und welche Flächen zur Erzeugung des erneuerbaren Stroms benötigt werden, um einen eigenen Elektrolyseur zur H2-Erzeugung zu betreiben und die Öfen vollständig mit regenerativ erzeugtem H2 zu versorgen.
Die Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit ergaben, dass mit den aktuellen Preisen allein die Herstellung und die Anlieferung des Wasserstoffs um das fünf- bis achtfache teurer als Erdgas ist. Hinzu kommen weitere Kosten für die Wasseraufbereitung, die Baukosten der PV-Anlage, die Windräder, die Zwischenspeicher, die Brennermodifikation, die Anpassung der Gasleitungen und -dichtungen sowie die Mess-, Regel- und Sicherheitstechnik. Zusätzlich ist für die hier nicht betrachtete Ziegeltrocknung mit einer ähnlichen Energiemenge sowie mit weiteren Investitionen zu rechnen.
Nach derzeitigem Stand sind somit enorme Aufwendungen zur Eigenerzeugung von H2 erforderlich, die von den Ziegelwerken allein nicht erbracht werden können. Hier ist die Politik gefragt, um die Rahmenbedingungen zur Bereitstellung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff in den verfügbaren Leistungsnetzen zu schaffen. Aufgrund der gestiegenen Erdgaspreise fokussieren sich derzeit die Betreiber von Ziegelwerken weiter auf Energiesparmaßnahmen. Durch neue, hocheffiziente Öfen sind weitere Potenziale zur Senkung des Energieverbrauches um bis zu 70 % möglich [16].
3 Grundlagen Erdgas und Wasserstoff
3.1 Eigenschaften reiner Gase
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH4). Die vollständige Oxidation von CH4 erfolgt gemäß Gleichung (1). Dabei entstehen neben der freiwerdenden Wärme, die der Bildungsenthalpie (dHB) entspricht, die Gase Wasserdampf (H2O(g)) (g - gaseous = gasförmig) und Kohlenstoffdioxid (CO2) in den angegebenen Mengen. Die Bildungsenthalpie hat einen negativen Wert und ist exotherm. Sie entspricht dem Heizwert Hi,n (i von inferior = unterer, n = auf den Normzustand bezogen).
CH4 + 2O2 2H2O (g) + CO2 dHB = -802 kJ/mol (1)
1,00 kg + 4,00 kg 2,25 kg + 2,75 kg
1,00 m³ + 2,00 m³ 2,00 m³ + 1,00 m³
Die Verbrennung von H2 findet entsprechend Gleichung (2) statt. Dabei entsteht neben der Wärme lediglich Wasserdampf.
H2 + 1/2 O2 H2 O (g) dHB = -242 kJ/mol (2)
1,00 kg + 7,94 kg 8,94 kg
1,00 m³ + 0,50 m³ 1,00 m³
Die auf die Masse oder das Volumen bezogene Wärmemenge, die Brennstoffe beim vollständigen Verbrennen sowie der Nutzung der Kondensationswärme des Wassers freisetzen, wird als Brennwert (Hs,n) bezeichnet (s von superior = oberer, n = auf den Normzustand bezogen). Der Brennwert gasförmiger Brennstoffe berechnet sich aus deren Zusammensetzung, die mittels Gasanalyse bestimmt wird [3], [7], [17], [18].
Der Heizwert (Hi,n) wird aus dem Brennwert abzüglich der Kondensationswärme des Wassers im Abgas gemäß Gleichung (3) vereinfacht unter Vernachlässigung der Volumenarbeit berechnet. Das Wasser stammt sowohl aus der Brennstofffeuchte als auch aus der Verbrennung des im Gas vorhandenen Wasserstoffs sowie der Kohlenwasserstoffe. Der Brennwert als maximal nutzbare Wärmemenge eines Brennstoffes ist durch die Addition der Kondensationswärme des Wassers stets größer als der Heizwert (»Tabelle 6) [3], [7], [17], [18].
Hi,n = Hs,n - VH2O * rn (3)
Hi,n Heizwert, bezogen auf das Normvolumen [kJ/mN3]
Hs,n Brennwert, bezogen auf das Normvolumen [kJ/mN3]
VH2O Wasseranteil aus Elementaranalyse, bezogen auf das Normvolumen des trockenen Brenngases [-]
rn Verdampfungsenthalpie von Wasser bei 25 °C von 1.990 kJ/mN3, bezogen auf das Normvolumen
Der Wobbe-Index (Ws,n) ist ein Maß für die Energielieferung eines Brenners sowie einer Gasleitung. Er wird verwendet, um die Austauschbarkeit eines Brenngases zu bewerten und nach Gleichung (4) aus dem Brennwert und dem Dichteverhältnis vom Brenngas bezogen auf Luft berechnet [3], [7], [18].
Ws,n = Hs,n/√(ρGas/ρAir ) (4)
Ws,n Wobbe-Index, bezogen auf das Normvolumen [kJ/mN3]
Hs,n Brennwert, bezogen auf das Normvolumen [kJ/mN3]
ρGas Dichte des Gases im Normzustand [kg/mN3]
ρLuft Dichte der Luft im Normzustand [kg/mN3 ]
Haben unterschiedlich zusammengesetzte Gase den gleichen Wobbe-Index, kann theoretisch bei gleichem Druck mit ein und demselben Brenner der gleiche Wärmestrom umgesetzt werden. Dies gilt auch für den in einer Gasleitung transportierten Wärmestrom [19].
Der CH4-Anteil in Erdgasen liegt weltweit zwischen 62 % (USA, Cunningham) und 100 % (Italien, Corregio, Ravenna) [18]. Weitere Bestandteile im Erdgas können höherwertige Kohlenwasserstoffe wie Ethan (C2H6), Propan (C3H8), Butan (C4H10) sowie Stickstoff (N2) und Schwefelwasserstoff (H2S) sein [18], [19], [20].
»Tabelle 6 zeigt ausgewählte Eigenschaften von CH4 (stellvertretend für Erdgas H) und H2 [18], [19], [21], [22], [23]. Zusätzliche Literaturquellen sind in der Tabelle angegeben. Die Eigenschaften von Erdgasen können je nach ihrer Zusammensetzung von den CH4-Eigenschaften abweichen. [Tabelle 6]
Die Eigenschaften gasförmiger Brennstoffe werden üblicherweise auf das Volumen des Gases in Normkubikmetern bezogen. Die Auslegung eines Brennaggregates erfordert - neben dem Gasvolumen, welches transportiert und angeliefert werden muss - jedoch zur Stofferwärmung und -umwandlung eine bestimmte Energiemenge. So beträgt der spezifische Energieverbrauch zum Brennen von Grobkeramik im Tunnelofen 400 - 3.500 kJ je kg gebranntes Material [26]. Für einen Vergleich der Brenngas-Eigenschaften für ein und dieselbe Energiemenge wurden die Luft- und Gasmengen, das Abgasvolumen sowie die Wasser- und CO2-Emissionen daher auf den jeweiligen Heizwert bezogen (»Tabelle 6, zweite Spalte von rechts). H2 hat im Vergleich zu CH4 folgende Eigenschaften:
der massebezogene Heizwert beträgt das 2,40-fache
der volumenbezogene Heizwert hingegen beträgt lediglich 30 % und die Dichte 13 %, dadurch ist für die gleiche Energiemenge das 3,33-fache Brenngasvolumen erforderlich
der Wobbe-Index beträgt 90 %
die adiabate Flammentemperatur ist um das 1,08-fache größer
die Zündgeschwindigkeit beträgt das 7,4-fache
der Zündbereich, in dem ein explosives Brenngas/Luft-Gemisch entsteht, ist wesentlich größer (der Zündbereich ist damit ähnlich dem von Acetylen C2H2 mit 2,3 - 78,0 V.-%)
die Zündtemperatur ist um 40 K geringer
der minimale Verbrennungsluft-Bedarf je mN³ Brenngas beträgt lediglich 25 %, für die gleiche Energiemenge je MJ Heizwert hingegen 83 %
die Summe aus dem Brenngas- und Verbrennungsluftvolumen ergibt für das CH4-Luftgemisch 0,294 mN³/MJ und für das H2-Luftgemisch 0,314 mN³/MJ, das Brenngas-Verbrennungsluftvolumen je Energiemenge steigt um 7 %
das feuchte Abgasvolumen je mN³ Brenngas beträgt lediglich 27 %, für die gleiche Energiemenge je MJ Heizwert hingegen 91 %
der Wassergehalt je mN³ Brenngas beträgt lediglich 50 %, je mN³ feuchtes Abgas beträgt er das 1,83-fache, bei der gleichen Energiemenge entsteht hingegen die 1,67-fache Wassermenge; dadurch erhöht sich der Taupunkt des Abgases von 59 auf 73 °C um 14 K
die Verbrennung erfolgt ohne CO2-Emissionen (vgl. Gleichung (2))
die Dichte des feuchten Abgases verringert sich auf 89 %, d. h. der Transport des „dünneren“ Abgases erforderte bei einer theoretisch gleichen Abgasmenge eine größere Ventilatorleistung, aufgrund des geringeren Abgasvolumens von 91 % wird dies jedoch kompensiert
die spezifische Wärmekapazität des feuchten Abgases ist unverändert, d. h. bei gleicher Abgasmenge und -temperatur wird nahezu die gleiche Wärmemenge ausgetragen
der Emissionsgrad des feuchten Abgases nimmt temperaturabhängig zu: bei 1.000 °C ist er um 12 % geringer, bei 1.300 °C sind beide Werte etwa gleich groß, bei 1.800 °C steigt er auf das 1,36-fache; d. h. der Wärmeübergang durch Strahlung ändert sich, jedoch in noch geringer Größenordnung (vgl. Ergebnisse aus [7] unter 3.3)
CH4 kühlt sich bei einer Druckverringerung (Drosselung) aufgrund des Joule-Thomson-Effekts (JT) ab und wird deshalb vorgewärmt, hierfür wird Energie benötigt, H2 hingegen hat einen negativen JT-Effekt und erwärmt sich bei der Drosselung, eine Vorwärmung des Gases ist daher nicht erforderlich [27]
Für den Brennprozess von Bedeutung ist das 3,33-fache Brenngasvolumen, welche eine hohe Brenngasgeschwindigkeit und damit andere Rohrleitungsquerschnitte sowie Drücke erfordert. Dabei steigt das Normvolumen aus Brenngas- und Verbrennungsluft geringfügig an, welches am nicht vorgemischten Brenner austritt. Die höhere Verbrennungstemperatur führt zur Zunahme des Abgasvolumens im Betriebszustand und wirkt sich nachteilig auf die Materialien vorhandener Brennerdüsen aus. Dies erfordert eine Änderung der Brennerkonstruktion. Zudem entsteht bei unveränderter Düsenform im Vergleich zur CH4- bzw. Erdgasverbrennung mehr thermisches NOx. Die etwas geringeren Mengen an Verbrennungsluft und Abgas im Vergleich zum CH4 können sich positiv auf den Energieverbrauch einer Anlage auswirken (»Tabelle 9 in Teil 2 in ZI 2/2024). Die Zunahme des Wassergehalts im Abgas kann abhängig von den Luftmengen im Ofen die Produkteigenschaften beeinflussen.
3.2 Eigenschaften der Gasgemische
Die aus den Werten von »Tabelle 6 berechneten Eigenschaften für unterschiedliche Anteile von H2 im CH4 zeigen »1 und »2. Hierbei sei bemerkt, dass reale Temperaturen und Zündgrenzen in Gasgemischen von den berechneten Werten abweichen können. Die Werte gelten für eine stöchiometrische Verbrennung mit Luft (Luftfaktor λ = 1 ohne Luftüberschuss) und wurden aus den jeweiligen Anteilen an H2 in CH4 berechnet.
Für »3 wurden ausgewählte Eigenschaften von CH4-H2-Gemischen auf den jeweiligen Wert von CH4 bezogen. Sie ergeben eine relative Änderung der jeweiligen Eigenschaft des Gasgemisches im Vergleich zu CH4. »Tabelle 7 zeigt exemplarisch einige Werte aus »3 für ausgewählte H2-Anteile im CH4.
»3 dokumentiert den nichtlinearen Verlauf der Eigenschaften, welcher mit Literaturwerten übereinstimmt. So wurde in [27] für Erdgas mit einem CH4-Anteil von 98 V.-% eine Verringerung der CO2-Emissionen bei einem H2-Anteil von 10 V.-% um 3,3 % und bei einem H2-Anteil von 20 V.-% um 16,3 % berechnet.
Anhand der relativen Werte wird deutlich, dass sich bei einer praktisch möglichen Zumischung von 50 V.-% Wasserstoff zu CH4 die Wassermasse im Abgas um 15,2 % erhöht und die CO2-Masse sich lediglich um 23,1 % verringert. Die berechneten Werte stimmen mit den Messergebnissen in [7] für Erdgas mit einem CH4-Anteil von 98 % nahezu überein. Der Verbrennungsluftbedarf verringert sich um 4,2 % und das feuchte Abgasvolumen um 2,0 %. Eine Minderung der CO2-Emissionen von mehr als 50 % wird erst oberhalb eines H2-Anteils von ca. 77 V.-% erreicht.
Inwieweit sich die verringerten Verbrennungsluft- und Abgasmengen sowie erhöhte Wasserdampf-Emissionen auf die Strahlung und damit den Wärmeübergang zum Ziegel auswirken, erfordert weitere Untersuchungen.
3.3 Wärmeübergang und Energiebilanz
Die Abgaszusammensetzung nach einer Verbrennung hat einen wesentlichen Einfluss auf den Wärmeübergang zum Produkt. Am Gas-Wärme-Institut Essen (GWI) wurde der Einfluss des Brenngases auf die Wärmeübertragung in einem Prüf-Flammrohr untersucht. Dafür wurden alle ein- und ausgehenden Medientemperaturen und -mengen erfasst und die Wärmeströme für Wasser und Abgas sowie der feuerungstechnische Wirkungsgrad berechnet [7]. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl die Wärmeströme für Wasser und Abgas als auch der Wirkungsgrad zwischen 0 und 50 V.-% H2-Anteil im Erdgas gleich groß waren. Somit wurden bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% keine Unterschiede im Wärmeübergang im Vergleich zu reinem Erdgas festgestellt.
Zudem wurde der Wärmeübergang für einen H2-Anteil von 0 und 50 V.-% im Erdgas mit Computational Fluid Dynamics (CFD) simuliert. Die Ergebnisse zeigten [7]:
die Austrittstemperatur der Flamme sowie die Verbrennungstemperatur und die Temperaturverteilung im Ofenraum waren bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% nahezu gleich den Werten von reinem Erdgas
die Wärmeströme [J/h oder W] und die Wärmestromdichten [W/m²] sowie die Flammengröße als Indikator für den Wärmeeintrag nahmen bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% geringfügig zu
die Abgaszusammensetzung und damit auch der Anteil der strahlungsaktiven Moleküle CO2 und H2O änderten sich mit zunehmendem H2-Anteil; bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% im Erdgas wurde eine höhere Strahlungs-Wärmestromdichte berechnet, jedoch keine signifikante Änderung des Wärmeübergangs durch Strahlung festgestellt
der feuerungstechnische Wirkungsgrad blieb bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% gleich dem des Erdgases
Wie sich der Wärmeübergang bei der Verbrennung von 100 % H2 im Vergleich zu reinem Erdgas unterscheidet, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, da sich wie oben gezeigt wurde, die Abgaszusammensetzung erst ab einem H2-Anteil von ca. 80 % im Erdgas signifikant ändert. Aus diesem Grunde wurde der Energieverbrauch eines Tunnelofens bei Feuerung mit 100 % Erdgas und 100 % H2 berechnet (vgl. Punkt 4.1 in Teil 2 in ZI 2/2024).
3.4 Zusammensetzung des Abgases
Die Abgaszusammensetzung beeinflusst durch seine unterschiedlichen Bestandteile die Produkteigenschaften. Zu den Verbrennungsprodukten Wasserdampf und Kohlendioxid CO2 (»Tabelle 6) können abhängig vom Brenneraufbau und vom Brenngas zusätzlich Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx) entstehen. Hierzu wurden ebenfalls am GWI Essen umfangreiche Untersuchungen durchgeführt [7]. So wurde nach der Verbrennung von Erdgas-H2-Gemischen die Abgaszusammensetzung gemessen und der Wassergehalt im Abgas berechnet. Die Messwerte für H2-Anteile im Erdgas von 0 - 50 % wurden auf einen O2-Gehalt von 1 V.-% bezogen und entsprechen den in »Tabelle 7 berechneten Werten. Das Volumen an thermisch gebildetem NOx sowie der Wassergehalt steigen mit zunehmendem H2-Anteil, die CO- und CO2-Gehalte hingegen verringern sich. Der NOx-Gehalt kann nicht vorausberechnet werden, da er wesentlich vom Brenneraufbau und der Flammentemperatur abhängt [7].
Weitere Messungen wurden an 100 % Erdgas und Erdgas mit einem H2-Anteil von 10 V.- % durchgeführt. In einer Brennkammer wurde mittels eines mobilen Absaugpyrometers die Zusammensetzung der Atmosphäre sowie die Temperatur während der Verbrennung in der Mitte des Ofenraums gemessen. Dabei nahm die Konzentration an CO und CO2 bei einem H2-Anteil von 10 V.-% in der gesamten Brennkammer geringfügig ab, insbesondere direkt in der Flamme. Die NOx-Konzentration stieg aufgrund der erhöhten Temperatur im Brennraum geringfügig an [7].
Zudem wurden CFD-Simulationen mit einem H2-Anteil bis 50 % im Erdgas durchgeführt und zeigten [7]:
am Brenneraustritt entstand abhängig von der zugegebenen Luftmenge stets CO (je mehr Luft vorhanden war, desto geringer war der CO-Gehalt), bei einem H2-Anteil von 50 V.-% nahm der CO-Anteil in der Flamme im Vergleich zu Erdgas geringfügig ab
der CO2-Anteil im Abgas verringerte sich im Vergleich zu Erdgas, bei einem H2-Anteil von 10 % war keine, bei 50 V.-% H2 hingegen eine deutliche Verringerung zu erkennen
der NOx-Anteil im Abgas war bis zu einem H2-Anteil von 50 V.-% ähnlich wie beim Erdgas und stark vom Brenneraufbau abhängig, der getestete Low-NOx-Brenner zeigte auch mit H2 geringe NOx-Anteile im Abgas
die Änderung der Gasstrahlung des Abgases durch die Verbrennung von H2 zeigte sich im Vergleich zu Erdgas in der Zunahme der Intensität der Strahlungsbanden des Wassers hauptsächlich bei 1,5 µm, 1,9 - 2,0 µm und 2,5 - 3,5 µm sowie der Abnahme der CO2-Intensitäten zwischen 2,8 und 3,0 µm sowie zwischen 4,0 und 4,5 µm.
(Teil 2 lesen Sie in ZI 2/2024)