Baulicher Schallschutz als Übertragungssystem
Richtiger Schallschutz beginnt bei der Planung: Die Art der Nutzung von Gebäuden, die Grundrissgestaltung sowie das Baumaterial wirken sich auf den erzielbaren Schallschutz aus. Gleichzeitig sind baupraktische Lösungen erforderlich, die dem steigenden privaten Interesse nach mehr Ruhe und somit mehr Wohnqualität Rechnung tragen. Bauordnungsrechtlich ist der geschuldete Schallschutz in der DIN 4109 verankert. Die hier festgesetzten Anforderungen entsprechen jedoch nicht – wie oftmals angenommen – den heute üblichen Qualitäts- und Komfortstandards. Laut Bundesgerichtshof (BGH) muss im Einzelfall vertraglich vereinbart werden, welcher Schallschutz erzielt werden soll und ob ein erhöhter Schallschutz erwünscht ist. Da es immer wieder zu Streitfällen aufgrund von Differenzen zwischen dem erwarteten und dem tatsächlich erzielten Schallschutz kommt, hat der BGH in seinem Urteil vom 4. Juni 2009 klargestellt, dass der Verweis „Schallschutz nach DIN 4109“ des Unternehmers im Vertrag nicht ausreichend ist: Vielmehr muss der Unternehmer den Erwerber über die Folgen der gewählten Bauweise für die Wohnqualität aufklären, wenn er von den üblichen Qualitäts- und Komfortstandards abweichen will.
Derzeit werden sowohl die Anforderungen an den Schallschutz als auch das Nachweisverfahren überarbeitet, um die Planungs- und Ausführungssicherheit zu erhöhen. Auf europäischer Ebene sind die neuen Bemessungsverfahren abgeschlossen und in der DIN EN 12354-1 [1] veröffentlicht. Das EU-Berechnungsverfahren soll auf nationaler Ebene in der DIN 4109 implementiert werden. Das Erscheinen wird im Frühjahr 2010 als Gelbdruck erwartet. Vor diesem Hintergrund werden die Entwicklungen im Schallschutz und deren Folgen in Bezug auf monolithische Außenwände dargestellt sowie realisierte Bauobjekte mit wärmedämmenden Hochlochziegeln vorgestellt.
Regelwerke für die Bemessung des baulichen Schallschutzes
Auf nationaler Ebene ist sowohl der Schallschutz als auch das rechnerische Nachweisverfahren durch die DIN 4109 im Bauordnungsrecht verankert. Eingeführt wurde die DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau, Anforderungen und Nachweise“ im Jahr 1989. In dieser Fassung sind Schallschutzanforderungen definiert, die das öffentlich-rechtliche Interesse widerspiegeln. Die Werte beschreiben damit lediglich die Anforderungen an den bauordnungsrechtlich geschuldeten Schallschutz und beziehen sich zudem nur auf den Schutz von Aufenthaltsräumen gegen Schallübertragung aus einem fremden Wohn- oder Arbeitsbereich und haustechnischer Anlagen sowie gegen Außenlärm.
Für einen „erhöhten Schallschutz“ sind aus dem Beiblatt 2 zur DIN 4109 Vorschläge und Empfehlungen heranzuziehen. Der erhöhte Schallschutz muss zwischen Bauherr und Planer zusätzlich im individuellen Fall vertraglich vereinbart werden. Zudem muss der Unternehmer, der vertraglich von den üblichen Qualitäts- und Komfortstandards abweichen will, den Erwerber deutlich darauf hinweisen und ihn über die Beschaffenheit der Wohnqualität ausreichend aufklären [2]. Als weiteres Regelwerk, das in zivilrechtlicher Hinsicht auch auf den eigenen Wohn- und Arbeitsbereich anwendbar ist, veröffentlichte der „Verein Deutscher Ingenieure“ 1994/2007 die VDI-Richtlinie 4100. Für die Beurteilung der Qualität des baulichen Schallschutzes definiert die Richtlinie drei Schallschutzstufen, wobei die Schallschutzstufe I den bauordnungsrechtlich geschuldeten Anforderungen der DIN 4109 gleichkommt. Bei Planern und Architekten hat sich die VDI-Richtlinie allerdings bis heute nicht durchsetzen können, da die Vorgaben dieser Richtlinie nur schwierig baupraktisch umsetzbar sind und deshalb nicht angestrebt werden.
Veränderungen im Nachweisverfahren
Nach DIN 4109 (1989) wird die Gesamtschalldämmung bei Gebäuden in Massivbauweise aus der flächenbezogenen Masse m‘ (kg/m2) berechnet. Demnach ist das bewertete Schalldämm-Maß (R‘w) für die Luftschall-Dämmung umso größer, je schwerer das Bauteil ist. Doch je nach Anwendung gerät dieses Prüfverfahren an seine Grenzen: Nach DIN 52 210 (Teil 2) wurde das bewertete Schalldämm-Maß (R‘w) im Prüfstand früher so ermittelt, dass die flankierende Übertragung im Prüfstandswert (R’w,P) enthalten war. Der Index „ ’ “ steht dabei für die Flankenübertragung. Im Prüfstand wurde von einer bauähnlichen Flanken-Übertragung ausgegangen. Von dem ermittelten Prüfstandwert ist dann das sogenannte Vorhaltemaß von zwei Dezibel abzuziehen – als Fehlertoleranz bei bauüblicher, mangelfreier Bauweise.
Ermittlung des Rechenwertes: R’w,R = R’w,P – 2dB
Das bewertete Bau-Schalldämm-Maß R’w,R musste dabei mindestens der vertraglich vereinbarten erforderlichen Anforderung (erf. R’w) entsprechen oder diese übertreffen. Der Einfluss der Nebenwegsübertragung für Gebäude in Massivbauart zieht sich in der Fassung von 1989 komplett durch das Verfahren. Das Bau-Schalldämm-Maß (R’w,R), ausschließlich über den Rechenwert ermittelt, spiegelte damit zwar pauschal die Bewertung der Einbausituation sowie der Dämmeigenschaften des Trennbauteils wider, ist aber dennoch auch kein „reiner“ Bauteilkennwert. Dies führte häufig zu Differenzen zwischen dem ermittelten R’w,R-Wert und der tatsächlich erreichten Schalldämmung im Bauwerk. Die konkrete Einbausituation wird dabei nur ungenügend berücksichtigt.
Seit 1997 werden Bauteile beziehungsweise Mauerwerke nach DIN EN ISO 140-1 in Prüfständen mit einer unterdrückten Flankenübertragung gemessen. [3] Es handelt sich bei dem Prüfwert um den Nachweis der reinen Bauteileigenschaft. Dieser Prüfwert kann näherungsweise mit dem Beiblatt 3 der DIN 4109 in R’w,R überführt werden, um wieder die Vergleichbarkeit zur Anforderung an das Schalldämm-Maß (erf. R’w) herzustellen. Beträgt die mittlere flächenbezogene Masse der Bauteile im nachzuweisenden Objekt etwa 300 kg/m2, ist eine Korrektur der in-situ Flankenübertragung nicht erforderlich. Bei abweichenden flächenbezogenen Massen der flankierenden Bauteile wird der R’w-Wert gemäß Beiblatt 1 der DIN 4109 für biegesteife Wände und Decken mit dem Korrekturwert KL1 beaufschlagt. Für trennende Wandbauteile beträgt der Malus maximal 1dB. Decken werden bei abweichenden flächenbezogenen Massen der flankierenden Bauteile von etwa 300 kg/m2 mit einem Bonus von maximal +2dB (m‘=400 kg/m2) beziehungsweise einem Malus von bis zu 4dB (m‘=100 kg/m2) beaufschlagt. Die Umrechnung wird allerdings von den Baubeteiligten und den Planern häufig nicht durchgeführt, was wiederum zu Schallschutzmängeln und zu Streitfällen führen kann.
Deutlich wird hier, dass dieses Verfahren über die flächenbezogene Masse an seine Grenzen stößt – besonders bei heute oftmals offenen und weniger raumteilenden Grundrissen. Bei neu entwickelten wärmedämmenden Hochlochziegeln mit Rohdichten ≤ 1,0 kg/dm3 und Wanddicken > 240 mm stößt das Verfahren ebenso an seine Grenzen: Ein Nachweis der schalldämmenden Eigenschaften kann bei diesen Produkten nicht über die flächenbezogene Masse ermittelt werden. Hierfür müssen Prüfzeugnisse der Hersteller herangezogen werden.
Neue Planungsanforderungen
Mit der neuen Nachweisführung nach DIN EN 12354-1 beziehungsweise dann der neuen DIN 4109 werden im Gegensatz zur jetzt gültigen DIN 4109 die Schallübertragungswege einzeln und ohne Korrekturwerte gemäß Abschnitt 3.2 im Beiblatt 1 zur DIN 4109 (KL1) berechnet.
Bei vier flankierenden Bauteilen und einem Trennbauteil erfolgt die Schallübertragung auf insgesamt 13 Wegen (ein Direktweg und zwölf Nebenwege) und für jeden dieser Wege lässt sich die übertragene Schallenergie einzeln berechnen. Das bedeutet, dass mit dem neuen Nachweisverfahren den flankierenden Bauteilen eine höhere Bedeutung zukommt. Zudem wird das neue Verfahren speziellen Grundrissen gerecht, indem das bewertete Bau-Schalldämm-Maß durch die bewertete Standard-Schallpegeldifferenz Dn,T,w,R (erf. Dn,T,w) in der neuen Nachweisführung (DIN EN 12354-1) ersetzt werden soll. Die Luftschalldämmung zwischen Räumen in Gebäuden wird dann aus den Schalldämm-Maßen der einzelnen Übertragungswege ermittelt und addiert. Wesentlich ist bei der neuen Bemessung dann auch das Stoßstellendämm-Maß (Kij). Bauteilkombinationen, wie beispielsweise der Deckenanschluss an die Außenwand, und ihre Auswirkung auf das Schalldämm-Maß können einzeln erfasst werden. Dabei wird der Nachweis des Schallschutzes insgesamt als Übertragungssystem betrachtet und in einer allgemeinen Bilanzierungsformel dargestellt:
R’w= -10 lg (10 –R Dd,w /10 +∑ 10 –Rij,w /10 )
Die Bilanzierungsformel beschreibt die energetische Summe aller 13 Übertragungswege. RDd,w kennzeichnet das bewertete Direktschalldämm-Maß des trennenden Bauteils und Rij,w die Schalldämm-Maße der flankierenden Bauteile.
Das Flankendämm-Maß setzt sich aus folgenden Parametern zusammen:
Die Direktschalldämm-Maße Ri,w und Rj,w müssen jeweils zur Hälfte berücksichtigt werden. Falls Vorsatzschalen vorhanden sind, werden diese mit ΔRij,w. und der Korrekturterm der gemeinsamen Kantenlänge I0 sowie die Trennwandfläche Ss berücksichtigt. Zudem wird das Flankenschalldämm-Maß vom Stoßstellendämm-Maß Kij beeinflusst. Besonders bei der flankierenden Übertragung über die Außenwand kann dies ein ausschlaggebender Faktor für das Erreichen einer guten Schalldämmung sein und muss konstruktiv gelöst werden. Ein gutes Flankendämm-Maß wird einerseits durch ein hohes Direktschalldämm-Maß des flankierenden Bauteils erreicht und gleichzeitig durch ein hohes Stoßstellendämm-Maß. Um gemäß dem europäischen Verfahren alle Bauteile separat zu erfassen (Beispiel Prüfstandswert Ziegel + Stoßstellendämm-Maß), müssen beim Nachweis der Übertragung in Mehrfamilienhäusern beziehungsweise im Geschosswohnungsbau die verschiedenen geometrischen Ausbildungen beachtet werden (>>2).
Vor allem Wohnungstrennwände sowie Außen- und Innenwände und deren Stoßstellen haben Einfluss auf die Qualität des Schallschutzes. Hier sind verlässliche Prognosen für einen guten Schallschutz erforderlich, die zu einer erhöhten Planungs- und Ausführungssicherheit führen. Kann das Luftschalldämm-Maß für hochwärmedämmende Hochloch‑Ziegel nicht über die flächenbezogene Masse ermittelt werden, wird dieses für solche Produkte anhand von Prüfzeugnissen der Hersteller ermittelt. Gleichzeitig muss das Stoßstellendämm-Maß ausreichend hoch sein, wobei die Art der Lagerung der Wände am Wandfuß die Flankenübertragung maßgeblich beeinflussen kann. Für einen ausreichenden und sogar erhöhten Schallschutz sind auf dem Markt entsprechende Mauerziegel-Produkte sowie konstruktive Lösungen vorhanden. So stehen zum Beispiel gefüllte Ziegel zur Verfügung, die nicht nur wärmetechnisch hoch wirksam sind, sondern auch die Dickenresonanz unterdrücken.
Konstruktive Lösungen im Massivbau
Horizontale Schall-Längsdämmung
Zunächst sollte bei hochwärmedämmenden Hochlochziegeln (Außenwand) ein Stumpfstoß vermieden und die schwere Wohnungstrennwand in die Außenwand eingebunden werden. Ein ausreichender Schallschutz der Wohnungstrennwand kann über die flächenbezogene Masse erreicht werden. Es ist also ein fester Verbund zwischen der hochwärmedämmenden Außenwand und der schweren Wohnungstrennwand sinnvoll.
Die flankierende Schallübertragung bei leichten Trennwänden kann durch eine Entkopplung reduziert werden. Die Ziegelindustrie bietet hier beispielsweise das patentierte Ziegel-Innenwand-System (ZIS) an: Das System besteht aus Ziegeln für leichte Trennwände und den sogenannten Entkopplungs-und Ansatz-Profilen (EAP-Profil) für Wände und Decken. Durch diese Profile werden die leichten Trennwände von den flankierenden Wänden schalltechnisch entkoppelt und die Übertragung wesentlich reduziert.
Vertikale Schall-Längsdämmung im Massivbau
Die Unipor-Ziegel-Gruppe bietet mit dem elastischen Wandlager "Schöck Tromur" für die vertikale Schall-Längsdämmung eine konstruktive Lösung an. Bei diesem Produkt handelt es sich um eine sechs Millimeter dicke Bahnware aus beschichtetem Elastomergranulat. Diese wird am Wandfuß eingebaut und kann sowohl bei tragenden als auch nicht-tragenden Wänden eingesetzt werden. Das Stoßstellendämm-Maß (Kij) wird durch Schöck Tromur um bis zu vier Dezibel verbessert ohne dabei die Statik der tragenden Wand nachteilig zu beeinflussen. Zudem zeichnet sich das optimierte Wandlager durch einen hohen Feuerwiderstand aus und ist damit auch bei Brandwänden einsetzbar.
München-Germering:
Schallschutznachweis am konkreten Bauobjekt
In München-Germering wurde die Schalldämmung eines Mehrfamilienhauses in nahezu bezugsfertigem Zustand gemessen. Das mehrgeschossige Objekt mit sieben Wohneinheiten wurde mit dem Mauerziegel „Unipor WS 12 Coriso“ in Kombination mit dem Wandlager Schöck Tromur gebaut und die Bemessung von einem unabhängigen Ingenieurbüro durchgeführt. Die Messungen für die Luftschalldämmung wurden für die ungünstige Raumsituation (Eckraum) zwischen dem oberen und dem unteren Eltern-Schlafzimmer durchgeführt. Die Prüfung ergab einen durchschnittlichen Wert von R‘W=57 Dezibel. Gemäß Beiblatt 2 zu DIN 4109 gilt ein Wert von R‘W=55 Dezibel oder größer als erhöhter Schallschutz. Somit erfüllt das geprüfte Objekt sogar einen „erhöhten Schallschutz“ bei einem sehr guten Wärmeleitwert von lR 0,12 W/(mK) und einem U-Wert von 0,30 W/(m2K).
Computergestützter Schallschutznachweis
Die Ziegelindustrie verwendet bereits in der Praxis den sogenannten Ziegel-Schallschutz-Rechner in der aktuellen und einheitlichen Version 1.7. Mit dem Programm kann insgesamt die Schalldämmung auch unter Berücksichtigung der Schalldämm-Maße hochwärmedämmender Lochsteine einfach und sicher prognostiziert werden. Für geplante Massivgebäude kann der Schallschutz einerseits für die horizontale Schallübertragung zwischen zwei nebeneinander liegenden Räumen als auch die vertikale Übertragung berechnet werden. Für die Berechnung benötigen Nutzer nur wenige Schritte: Direktdämm-Maße und Stoßstellendämm-Maße stehen in einer herstellerbezogenen Datenbank zu Verfügung oder können individuell zusammengestellt eingegeben werden. Über wenige Mausklicks wird die Raumgeometrie zugrunde gelegt, wobei die jeweiligen Räume auch gegeneinander versetzt angeordnet sein können. Der mit dem Ziegel-Schallschutz-Rechner ermittelte Planungswert ist in guter Übereinstimmung mit den Rsitu-Werten in München-Germering. Insgesamt erleichtert der Ziegel-Schallschutz-Rechner nicht nur die Arbeit, sondern erhöht zudem die Planungssicherheit – gemäß der bald harmonisierten DIN 4109.
Mit einer Novellierung der DIN 4109 auf Grundlage des EU-Berechnungsverfahren können realistisch zu erwartende Schalldämm-Werte ermittelt werden. Die deutsche Mauerziegelindustrie hat frühzeitig konstruktive Lösungen auf den Markt gebracht, die sogar einen erhöhten Schallschutz möglich machen und gleichzeitig für eine optimale Wärmedämmung sorgen. Ein guter Schallschutz bei gleichzeitig hoher Wärmedämmung fördert nicht nur das Wohlbefinden, sondern wird zunehmend auch vom Gesetzgeber verlangt. Der Bau von Mehrfamilienhäusern wie in München-Germering werden – zumindest bei der Unipor-Ziegel-Gruppe – nicht die Ausnahme bleiben.
Literatur
[1] DIN EN 12354-1: Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften, Teil 1: Luftschalldämmung zwischen Räumen, Dezember 2000, Beuth Verlag GmbH, Berlin
[2] Hinweis: DIN 4109, Tabelle 3 und 4 entsprechen gemäß o.g. BGH-Urteil nicht mehr den üblichen Qualitäts- und Komfortansprüchen.
[3] EN ISO140; Teil 1: Anforderungen an Prüfstände mit unterdrückter Flankenübertragung.
Unipor-Ziegel Marketing GmbH
Landsberger Straße 392 I D-81241 München
T +49 (0) 89 74 98 670 I F +49 (0) 89 74 98 67 11
marketing@unipor.de I www.unipor.de