82. Euroconstruct-Konferenz, Barcelona/Spanien

Europäische Baubranche wird weiter wachsen

Die letzte Euroconstruct-Konferenz hatte noch wenige Tage vor dem Referendum in Großbritannien stattgefunden, sodass die Konferenz im November 2016 in Barcelona nun die erste Gelegenheit bot, dessen Auswirkungen auf die europäische Baubranche zu bewerten. Der Brexit hat vielleicht noch keine direkte Katastrophe für die europäische Wirtschaft ausgelöst, er hat jedoch bereits dazu geführt, dass die mittelfristigen Erwartungen heruntergeschraubt wurden, wobei natürlich eine ganze Reihe anderer Faktoren eine Rolle gespielt haben: Konjunkturrückgänge in China und in Deutschland, Unsicherheit in den USA, die immer noch vorhandenen Probleme der europäischen Banken, vermutlich ansteigende Zinssätze, usw. Da die Baubranche stark von mittelfristigen Prognosen abhängt, ist es kaum verwunderlich, dass die neuen Vorausberechnungen weniger optimistisch ausfallen als noch vor einem halben Jahr.

1 Produktionsleistung der Baubranche

Die neuesten Schätzungen für die Leistung der Baubranche in den Euroconstruct-Ländern gehen für 2016 von einem Wachstum um 2 % aus. Das eigentliche Problem ist jedoch nicht dieses Wachstum, das nun wohl nicht ganz so wie erwartet eintreten wird, sondern die Tatsache, dass sich hinter diesem immer noch recht gesund wirkenden europäischen Durchschnittswert viel zu viele Ausnahmen verstecken: mangelndes Wachstum im Tiefbau sowie zu geringes Wachstum in fünf Ländern (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und mit einem geringen Abstand auch Großbritannien), »1.

2017 startet ohne sehr ermutigende wirtschaftliche Erwartungen (nur 1,4 % BIP-Wachstum), die Baubranche hat jedoch das Potenzial für ein etwas höheres Wachstum (2,1 %). Durch die Kombination von billigen Krediten und einer positiveren Wahrnehmung des Bauens als sichere Investition ergeben sich hier günstige Gelegenheiten. Diese Entwicklung könnte jedoch recht kurzlebig sein und nicht längerfristig als Antrieb dienen. Der wichtigste Faktor zur Stärkung der Baubranche ist die Nachfrage auf dem öffentlichen Sektor, die nach den Einschätzungen von Euroconstruct zwar weiter steigen wird, allerdings nur unwesentlich und lediglich in einigen Ländern. Aufgrund dieses so wackligen Fundaments liegen die Wachstumsschätzungen für 2018 und 2019 zwischen 2,1 und 2,2 %. Dennoch wird die europäische Baubranche bei Eintreten der Prognosen das Jahr 2019 mit ununterbrochenem Wachstum über sechs aufeinanderfolgende Jahre erreichen. Damit würde das Produktionsleistungsniveau nur 3 % unter dem Durchschnitt der Jahre 1995-2015 liegen.

2 Leistungsniveau der Hauptsegmente

2.1 Wohnungsbau

Die Prognosen für den Wohnungsbau sind die einzigen, die gegenüber den vorangegangenen Schätzungen nach oben korrigiert wurden und eine substanzielle Verbesserung der Vorhersagen für 2016 beinhalten (3,9 %). Insbesondere der Neubau von Wohnungen hat die Aufgabe übernommen, das Aufschwungstempo der gesamten europäischen Bauindustrie aufrechtzuerhalten. Spanien und Italien werden wahrscheinlich auch künftig weit unter ihren Durchschnittswerten produzieren, doch Frankreich, Deutschland und sogar Großbritannien kehren zu ihrer Komfortzone zurück. Die Produktionszahlen verbessern sich auch in anderen kleineren Ländern, häufig weil hier die Nachfrage wiederbelebt wurde und aufgrund der schwachen Produktionsleistungen der letzten Jahre zu wenige Wohnungen zur Verfügung standen. Die Kredite bleiben möglicherweise nicht mehr sehr lange so günstig wie derzeit, daher liegt der Trend für 2018-2019 bei vorsichtigen 2 % (»2).

2.2 Gewerbliche Gebäude

Das gewerbliche Bauen ist immer noch im Anfangsstadium seines Erholungsprozesses, da hier der Bereich der Neubauten noch bis 2016 im Rückgang befindlich war. Daher kommt die derzeitige Abwertung der Konjunkturaussichten für dieses Segment auch zu einer überaus ungünstigen Zeit, weil sie die ohnehin schon schwache Nachfrage nach Anlagegütern im Bereich der Industrie und des Dienstleistungssektors noch weiter abkühlt. Euroconstruct erwartet hier keine schnellen Veränderungen und schätzt daher das Wachstum für 2016-2017 auf ca. 1,5 % und für 2018-2019 auf 1,8 %. Der Bau von Bürogebäuden wird etwas über diesen Durchschnittswerten liegen, weil dieser gerade eine Zeit erheblicher Schrumpfung durchschritten hat. Besorgniserregend ist, dass der Bau von Industrie- und Lagerhallen sich unter dem Durchschnittsniveau der gewerblichen Gebäude einpendeln wird, was ein Zeichen für geringe Erwartungen an die Nachfrage (auf Inlands-, europäischer und weltweiter Ebene) ist. Großbritannien hat eine Abwertung im gewerblichen Segment erfahren, und die Wachstumserwartungen aus der Zeit vor dem Referendum gehen dahin. Der gewerbliche Bau in Deutschland bestätigt seinen Abwärtstrend im Zusammenhang mit einem Klima der Zurückhaltung im Bereich der Investitionen. Die schlechten Ergebnisse in diesen beiden Hauptmärkten können durch die Verbesserungen in Märkten wie den Niederlanden, Belgien und Dänemark nicht in vollem Maße wettgemacht werden.

3 Leistungsniveau nach Ländern

Der Anstieg der Bauleistung im Jahr 2016 wird hauptsächlich aus Deutschland kommen. Doch die deutsche Zugwirkung auf die europäische Baubranche wird langsam nachlassen: 2017 wird Deutschland auf Position zwei zurückrutschen und 2018 gar aus der Reihe der Topländer herausfallen. Damit wird Frankreich zum Haupterzeuger von zusätzlicher Produktionsleistung über den gesamten Prognosezeitraum.

Italien leistet ebenfalls zuverlässig seinen Beitrag und liegt in jedem Jahr auf Platz 3 oder 4; ebenso die Niederlande, die zwischen den Positionen 3 und 5 hin- und herschwanken.

Auffallend ist das Fehlen von Großbritannien unter den Topländern in den Jahren 2016 und 2017, doch 2018 kehrt es in die Liste zurück und belegt 2019 Platz 2 mit annähernd der gleichen Bauleistung wie Frankreich.

Der geringe Umfang des irischen Marktes ist kein Hinderungsgrund dafür, Irland in jedem Jahr unter den Top Ten wiederzufinden, mit Ausnahme von 2018, wo es diese Liste nur knapp verfehlt und auf Position 11 zurückfällt.

Die Sommer-2017-Konferenz der Euroconstruct wird am 8. und 9. Juni in Amsterdam stattfinden und vom niederländischen Euroconstruct-Mitglied EIB organisiert werden.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 7/2016

81. Euroconstruct-Konferenz über den Bausektor in Europa

Die erste Euroconstruct-Konferenz im Jahr 2016 wurde am 9. und 10. Juni 2016 in Dublin, Irland veranstaltet. Die Konferenz ist Teil der zweimal im Jahr stattfindenden Tagungsreihe des...

mehr
Ausgabe 1/2019 Euroconstruct

Bauproduktion wächst in allen 19 Euroconstruct-Ländern

Da alle 19 Euroconstruct-Länder erstmals seit Jahren wieder gleichzeitig ein Wachstum der Bauproduktion verzeichneten, gab es in 2017 einen Zuwachs von 4,1% (Volumen). Der Baumarkt sollte 2018 mit...

mehr
Ausgabe 5/2018 Euroconstruct

Die Baubranche in Europa wird in den nächsten Jahren weiter wachsen

Laut der Euroconstruct-Prognose vom Juni 2018 wird das europäische Baugewerbe in diesem Jahr um 2,7?% wachsen, gegenüber dem Vorjahr aber deutlich langsamer (+3,9?%). Der Anstieg gegenüber dem...

mehr
Ausgabe 2/2020

Euroconstruct erwartet Abschwächung der Wachstumstrends im europäischen Bauwesen

Die Bauproduktion belief sich, nach fünf Jahren Wachstum, im Jahr 2018 auf fast 1600 Mrd. €, wobei es zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede gibt. Von den EG-15-Ländern erreichten zehn im...

mehr
Talsohle durchschritten - Euroconstruct prognostiziert Erholung der Baukonjunktur ab 2011

Mit dem Startschuss zur Bau 2011 nimmt auch Europas Bauwirtschaft wieder Fahrt auf

Internationalisierung des Baumarkts schreitet weiter voran

Die globale Wirtschaftskrise schlug 2009 auch auf die Bauwirtschaft durch – nachdem bereits 2008, aufgrund eines heftigen Einbruchs im Wohnungsbau, die Bautätigkeit rückläufig war. Die...

mehr