Neubau im historischen Umfeld

Modernes Ziegelmauerwerk eingebettet in denkmalgeschützte Hofanlage

Der Ausbildungshof des Jugendwerks Birkeneck gehört zum denkmalgeschützten Schloss Birkeneck und befindet sich direkt gegenüber dem Schlossgebäude aus dem Jahr 1706. Seit 1925 sind Schloss und Hof im Besitz des Ordens der Herz-Jesu-Missionare. Gemäß dem Geist des Gründers Pater Julius Chevalier hilft der Orden seitdem durch vielfältige Ausbildungs- und Betreuungsmöglichkeiten in Not geratenen Jugendlichen. Diesem Anliegen sieht sich die Einrichtung auch nach der im Jahr 2000 erfolgten rechtlichen Umwandlung in einen gemeinnützigen freien Träger der Jugendwohlfahrt verpflichtet.

 

Teilneubau erforderlich

Die u-förmig angeordneten Hofgebäude wurden in den vergangenen Jahren teilweise zu Werkstätten und Schulungs-räumen umgebaut. Dies wird beispielsweise am Kopfbau des Gebäudes deutlich. Ausgespart blieb im Wesentlichen der südliche Gebäudetrakt. Eine im Jahr 2002 durchgeführte detaillierte Untersuchung der Bausubstanz stellte erhebliche statische Mängel der Holzbalkendecken sowie zahlreiche Durchfeuchtungsschäden an Wänden und am Dachtragwerk fest. Für die geplante Nutzung als sozialtherapeutisches Wohnhaus hätten erhöhte Lasten ins Bauwerk eingebracht werden müssen. Dafür waren die bestehenden Wände und Decken jedoch nicht ausgelegt. Ein Umbau war angesichts des erforderlichen Umfangs der Baumaßnahmen wirtschaftlich nicht vertretbar. Der Altbestand wurde deshalb im Erdgeschoss auf eine Länge von circa 35 Meter und im Ober- sowie Dachgeschoss auf eine Länge von 56 Metern abgebrochen.

 

Viel Glas im Dach

Die durch den Abbruch entstandene Baulücke wurde durch einen Ersatzneubau in Ziegelbauweise geschlossen. Um das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Gebäude-Ensembles nicht zu beeinträchtigen, passt sich der errichtete Neubau mit zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss in seinen Abmessungen profilgleich der Hofsituation an. Die Fensterhöhen und die Höhe des Firstes entsprechen denkmalgerecht den erhalten gebliebenen Gebäudetrakten.

Die für die Planung und Bauüberwachung zuständigen Architekten Mathias und Stefan Rentz setzen neben den denkmalgerechten Vorgaben auf moderne Gestaltungs-elemente, um so die Eigenständigkeit des Neubaus bewusst zu betonen. Besonders auffällig sind die großen Glas-gaubenfenster und der eingepasste Glasfirst des Satteldaches. „Die Glaselemente sorgen für eine hohe Tageslichtdurchflutung im Dachgeschoss und tragen zu einem angenehm hellen Ambiente der Räume bei“, erklärt Stefan Rentz. Einer Überhitzung der Räume wird durch eine massive wärmespeichernde Dachkonstruktionen aus Ziegeln, eine den Sonnenenergiedurchgang reduzierende Folienbeschichtung der Glaselemente sowie eine energiesparende Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgebeugt.

 

Hoher Wärmeschutz ohne Zusatzdämmung

Die Wände des abgebrochenen Gebäudeteils bestanden aus Vollziegel-Mauerwerk. Da lag es nahe, für den Neubau ebenfalls Tonziegel zu verwenden. „Die Orientierung am historischen Wandbaustoff war allerdings nicht der ausschlaggebende Faktor. Denn moderne Tonziegel unterscheiden sich in Aussehen und insbesondere in ihrer bau-physikalischen Qualität deutlich von ihren historischen Vorgängermodellen“, so der Architekt. „Der eingesetzte porosierte Unipor-W14-Planziegel überzeugte durch seine hohe Wärmedämmung und Tragfähigkeit ebenso wie durch seine leichte Verarbeitbarkeit.“

Die geringe Wärmeleitfähigkeit (λR = 0,14) des Ziegels (Rohdichte 0,9) geht nicht zu Lasten der zulässigen Druckspannung. Sie beruht auf einem ausgeklügelten Ziegel-Lochbild und den bei der Herstellung erzielten Luftporen. Die Wärmedämmung des 36,5 Zentimeter dicken Mauerwerks erreicht inklusive Putz einen U-Wert von 0,35 W/m²K. Dadurch kann kostensparend auf zusätzliche Dämmstoffe in den Außenwänden verzichtet werden. Ein weiterer ökonomischer Vorteil ist – dank der planeben geschliffenen Lagerflächen – die zeitsparende Verarbeitung mit Dünnbettmörtel. Sie ermöglicht Qualitätsmauerwerk mit nur einen Millimeter breiten Lagerfugen und spart rund 85 Prozent Mörtel gegenüber der herkömmlichen Verarbeitung.

 

Junges Maurerteam

Eine Besonderheit des Projekts stellte das besonders junge „Maurerteam“ dar. Die Lehrlinge der Ausbildungsabteilung „Maurerei“ des Jugendwerks Birkeneck übernahmen nach einer öffentlich beschränkten Ausschreibung die Teilausführung des Ziegelmauerwerks. „Der Umgang mit modernem Mauerwerk und das Erlernen von klassischen sowie rationellen Arbeitsweisen standen dabei im Vordergrund“, erläutert Rentz. Das gute Handling des Ziegels lernten die jungen Maurer bald zu schätzen. Den Lehrlingen wurde zudem sehr schnell der zeit- und kräftesparende Vorteil von rationellen Arbeitstechniken vor Augen geführt. So war beispielsweise durch den Einsatz von Mörtelschlitten (unimaxX) die Erstellung gleichmäßiger Lagerfugen (1 mm) praktisch ein Kinderspiel.

 

Plangeschliffene Verfüllziegel

Die Nutzung der neuen Räume als Wohn- und Schlafbereich sowie für lärmintensive Sport- und Freizeitbeschäftigungen erforderte eine entsprechend hohe Schalldämmung der meisten Trennwände. Handwerklicher Individualunterricht in Form einer Arbeitstherapie wurde als eine weitere störende Lärmquelle berücksichtigt. Da die Luftschalldämmung einer einschaligen Wand maßgeblich vom Flächengewicht abhängt, musste der eingesetzte Ziegel möglichst schwer sein. Schwere Ziegel sind jedoch aus brenntechnischen Gründen kleinformatig, was wiederum die Verarbeitungszeit erhöhen kann.

Statt eines kleinformatigen schweren Ziegels fiel deshalb die Wahl auf den großformatigen Unipor-Verfüllziegel (12 DF) mit Hohlkammern. Der gelieferte Planfüllziegel (Rohdichte 0,9) der Wöhrl GmbH – einem Mitglied der Unipor-Ziegel-Gruppe – ist mit seinen vier Verfüllkammern verhältnismäßig leicht. Dank seiner hohen Maßhaltigkeit und der plangeschliffenen Lagerflächen konnte er – ebenso wie der Außenwandziegel – von den Lehrlingen sehr zügig in Dünnbettmörtel verlegt werden.

Die 24 Zentimeter dicken Trennwände verfügten nach dem Vermauern der Ziegel durch die anschließende Normal-betonverfüllung der Füllkammern bei einer Rohdichte von 1,8 kg/dm³ über ein Flächengewicht von 486 kg/m². Damit wird ein Schalldämmmaß (Rw) der Wände von 54 Dezibel erreicht.

 

Offener und geschlossener Bereich

Seit der Fertigstellung im März 2006 dient der Neubau vorrangig als Wohnhaus für ganztägig sozialtherapeutisch zu betreuende Gruppen. Die Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 16 Jahren, die psychosozial betreut werden. In einigen Erdgeschossräumen ist zudem die Verwaltung des Jugendwerks untergebracht.

Ein Teilbereich des Neubaus wird als sogenannte Clearing-Stelle genutzt. Hier werden nicht strafmündige Kinder in einem abgeschlossenen Bereich individuell psychologisch betreut. Das Setting der Clearing-Stelle erfordert daher gesicherte Türen und Fenster.


Planung und Projektbetreuung: Architekten und Ingenieure Mathias Rentz und Stefan Rentz,
Ziegellieferant: Wöhrl GmbH Ziegelwerk-Deckensysteme, Berghaselbach 5, Wolfersdorf

 

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