Kristina Egbers

Preisgekrönter Schulbau

Das Projekt „Rising-Star-Schule“ von Ingenieure ohne Grenzen zeigt, dass ehrenamtliche Entwicklungshilfe und ausgezeichnete Ziegelarchitektur durchaus gut zusammenpassen. Das von Kristina Egbers entworfene Gebäude erhielt 2019 den Sonderpreis für soziales Engagement bei der Verleihung des Deutschen Ziegelpreises.

„Haus aus Stein“ – das bedeutet der Landesname Simbabwe in der Sprache der Shona. Er geht zurück auf Groß-Simbabwe, eine Siedlung, die vom 11. bis zum 15. Jahrhundert Hauptstadt des bedeutenden Munhumutapa-Reiches war. In der heutigen Ruinenstätte sind mörtellos gemauerte, hohe Steinwände zu besichtigen, die viele runde Formen aufweisen. Die Bautypologie der Rising-Star-Schule hat diese Formen entlehnt und in das Simbabwe des 21. Jahrhunderts übertragen.

Eine Schule für Harare

Seit 2016 baut „Ingenieure ohne Grenzen“ gemeinsam mit lokalen Partnern ein Schulgebäude am Rande von Simbabwes Hauptstadt Harare. Der Stadtbezirk mit dem verheißungsvollen Namen Hopley ist vor 15 Jahren durch politisch motivierte Zwangsumsiedlungen entstanden und verfügt immer noch nicht über grundlegende Infrastruktur. So leben bis heute Zehntausende in einfachen Häusern ohne Strom- und Wasserversorgung.

Die Einwohner hatten zwar schon früh eine Schule gegründet, ein Gebäude fehlte aber, sodass der Unterricht unter freiem Himmel stattfand und witterungsbedingt oft ausfiel. Mit dem neuen Schulgebäude ist ein regelmäßiger, ganzjähriger Unterricht möglich. Das vollständig aus Spenden und Stiftungsgeldern finanzierte Projekt umfasst den Bau einer zweizügigen Grundschule für die Klassen 1 bis 7 (simbabwisches Schulsystem) und eines Verwaltungstraktes für die Schulleitung und das Lehrerkollegium.

Jahr für Jahr ein neuer Gebäudeteil

Seinen Anfang nahm das Vorhaben 2013, als die Stuttgarter Architektin Kristina Egbers den Entwurf in ihrer Diplomarbeit entwickelte. Der gesamte Campus, der einmal Platz für 800 Schüler bieten wird, besteht aus vier Gebäuderiegeln mit Längen von 61 bzw. 75 m, die einen rechteckigen Innenhof bilden. Zwei dieser Riegel wurden in den Jahren 2016 bis 2019 gebaut. In zehn Klassenräumen wird mittlerweile unterrichtet und der zwischen den Gebäuden liegende Innenhof als Pausenbereich genutzt. Die gesamte Schule ist modular konzipiert, sodass sie entsprechend der wachsenden Einwohnerzahl der Siedlung erweitert werden kann.

Die einstöckigen Gebäude sind im Grundriss rechteckig und besitzen ein Pultdach. Hauptbaustoff sind Ziegel, die von lokalen Herstellern bezogen werden. Das zentrale Trag- und gleichzeitig Gestaltungselement ist der gemauerte Rundbogen. Dieser wurde einerseits gewählt, um die Klassenräume ohne weitere Konstruktionselemente überspannen zu können. Andererseits steht der Bogen metaphorisch für Kontinuität und Beständigkeit – Prinzipien, die für die gesamte Schule als Institution gelten sollen.

 

Traditioneller Baustoff Ziegel schafft Identifikation

Für die Wahl von Ziegeln als Hauptbaustoff sprach auch, dass Mauerwerk in Simbabwe traditionell weit verbreitet ist und es ausreichend Handwerker mit entsprechenden Kenntnissen gibt. Denn ein ganz zentraler Bestandteil des Konzeptes ist es, dass die Schule von einheimischen Arbeitern gebaut wird.

So sind in Hopley derzeit etwa 20 Handwerker auf der Baustelle aktiv, die aus der unmittelbaren Umgebung stammen. Die meisten sind bereits seit dem ersten Bauabschnitt dabei und viele haben einen direkten Bezug zum Projekt, weil ihre Kinder dort zur Schule gehen oder ihre Frauen als Lehrerinnen angestellt sind.

Die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung begann aber schon in der Planungsphase. In Workshops und Befragungen wurden die Erwartungen von Schülern, Eltern und Lehrkräften an die neue Schule ermittelt und später in den Entwurf eingearbeitet. So wird versucht, über die reine Akzeptanz hinaus eine echte Verbundenheit der Menschen mit dem Projekt zu schaffen.

Angenehmes Raumklima dank Ziegelmauern

Es wurden Vollziegel verwendet, die mit Maßen von 23 cm x 11 cm x 7 cm etwas kleiner als das bei uns gebräuchliche Normalformat sind. Sie besitzen eine Festigkeit von 20 N/mm² und werden als tragende Ziegel sowie gleichzeitig als Sichtziegel eingesetzt. Gemauert wird im Blockverband mit einem handgemischten Mörtel, der dem „General Purpose Masonry Mortar“ des British Standard entspricht.

Während die Außenwände eine Stärke von 23cm aufweisen, haben die Wandscheiben mit den Rundbögen als Haupttragelement eine Stärke von 35 cm. Zwischen diesen Wandscheiben spannen Holzbalken, auf denen die Dachdeckung aus Trapezblechen befestigt ist. Darunter befindet sich eine zweite Dachebene aus Holz, sodass dazwischen ein „Klimapuffer“ entsteht. In diesem Bereich herrscht durch Öffnungen im Mauerwerk ein ständiger Luftzug. So bleiben die Temperaturen in den Klassenräumen auch an heißen Tagen angenehm, was einen effektiven Unterricht möglich macht.

 

Testbau für Bauzeitenabschätzung

Bevor der Bau in Simbabwe begann, hat das Team von „Ingenieure ohne Grenzen“ in Stuttgart 2015 einen Prototyp der Wandscheiben mit Rundbogen im Maßstab 1:1 (Radius 3,0 m) errichtet. Die Ziegel für diesen Probebau wurden kostenfrei von einer Ziegelei zur Verfügung gestellt. Während des Tests wurden die benötigten Bauzeiten ermittelt, die für die Planung der Bauabläufe grundlegend waren.

Die wesentliche Randbedingung für die Bauplanung in Simbabwe ist die Witterung. Denn gebaut wird hauptsächlich in der Trockenzeit. Zu deren Beginn steht das Grundwasser aber noch sehr hoch an, denn es steigt in der Regenzeit bis knapp unter die Erdoberfläche. Deswegen werden die Fundamente des jeweiligen Bauabschnitts immer schon im Vorjahr hergestellt, vor Beginn der Regenzeit. Alle Planungen müssen danach ausgerichtet werden.

Mobiliar aus eigener Herstellung

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts ist die Einrichtung der Klassenräume. Für die jüngsten Schüler wurden eigens Stühle und Tische entworfen, um auch beim Mobiliar dem selbstgestellten Anspruch gerecht zu werden, eine außergewöhnliche Schule zu bauen.

Die Stühle müssen zahlreichen Anforderungen des Alltags genügen und stabil, stapelbar und bequem sein. Es gab verschiedene Entwürfe, die erst als Pappmodell, dann als Prototyp gefertigt und anschließend verschiedenen Tests unterzogen wurden, von denen der wichtigste das Probesitzen der Kinder war.

Das Ergebnis ist der „Hopley Chair“. Wie die Schule ist er modular aufgebaut und besteht nur aus vier verschraubten Sperrholzteilen, von denen drei identisch sind. So kann der Stuhl in großer Stückzahl kostengünstig auf der Baustelle angefertigt werden. Mittlerweile sind die Möbel in den Klassen der Jüngsten im Einsatz und haben sich unter Alltagsbedingungen bewährt.

Ehrgeiziges Ziel für 2020

Im Frühsommer 2020 wurde nun der fünfte Bauabschnitt begonnen. Mit seiner Fertigstellung wird ein U-förmiger Hof entstehen, der in den kommenden Jahren noch zu einem Rechteck geschlossen werden soll. Aufgrund der Corona-Pandemie steht dieser Bauabschnitt unter ungewohnten Vorzeichen. Denn auch in Simbabwe gelten Abstands- und Hygieneregeln. Außerdem ist die Einreise momentan nicht möglich, sodass Projektleiterin Kristina Egbers die Arbeiten von Deutschland aus koordinieren muss. Aber aufgrund des eingespielten Teams, der Erfahrung der Arbeiter vor Ort und enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen läuft auch unter diesen schwierigen Bedingungen bislang alles relativ reibungslos.

Authentisch und ortsverbunden

Die Schule wird von den Bewohnern von Hopley sehr gut angenommen. Das zeigt sich auch an der ständig steigenden Anzahl der Schüleranmeldungen. Darüber hinaus ist sie aufgrund der besonderen Ziegel-Architektur, die authentisch und ortsverbunden ist, zu einem Identifikationsobjekt für die gesamte Siedlung geworden.

Das Projekt wurde 2019 zum Gesamtsieger des Heinze ArchitektenAWARD gewählt und gewann die Auszeichnung „ICONIC AWARDS 2020: Innovative Architecture – Best of Best“. Außerdem steht es auf der Shortlist des DAM-Preises 2021.

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