04.01.2010 News: Durch Sparen allein wurde noch kein Betrieb erfolgreich - Interview mit Jens-Uwe Meyer, dem Autor des Buchs "Das Edison-Prinzip"

Viele Unternehmer sehen dem Jahr 2010 mit gemischten Gefühlen entgegen. Und mancher bangt sogar um den Fortbestand seines Betriebs. Kreativtrainer Jens-Uwe Meyer behauptet: Am wichtigsten sind neue Ideen um nicht nur das Jahr 2010 erfolgreich zu meistern.

Herr Meyer, Sie behaupten die aktuelle Krise vieler Betriebe sei „hausgemacht“. Warum?

Meyer: Viele Unternehmen überlegen – nicht nur in der aktuellen Wirtschaftssituation – permanent, wie sie ihre Prozesse effektiver machen und ihre Kosten senken können. Doch durch Sparen allein wurde noch kein Unternehmen erfolgreich. Denn hierbei wird in der Regel etwas Entscheidendes vergessen: der Erfolg von morgen. Hierfür brauchen die Unternehmen neue Ideen – für neue Geschäftsmodelle, Produkte, Dienstleistungen und so weiter. Daran mangelt es vielen Betrieben.

Was ist die Ursache hierfür?

Meyer: In den meisten Betrieben ist die Corporate Creativity – also die Fähigkeit, erfolgreich neue Ideen zu generieren – nur gering ausgeprägt. Sie stellen sich viel zu selten die Frage: Wie können wir das kreative Potenzial unserer Organisation besser nutzen? Wenn Unternehmen zum Beispiel ihre Mitarbeiter nach neuen Ideen fragen, staunen sie oft, wie viel ungenutztes Potenzial in den Köpfen ihrer Mitarbeiter steckt.

Und bei dieser Ideenfindung unterstützen Sie die Betriebe als Unternehmensberater?

Meyer: Ich verstehe mich nicht als Unternehmensberater, sondern als Kreativtrainer.

Warum?

Meyer: Unternehmensberater bewegen sich mit ihrem Denken und Tun oft in den Bahnen, in denen sich die Unternehmen schon immer bewegt haben. Und sie versuchen meist, ihre Konzepte auf alle Firmen zu übertragen – unabhängig von deren Struktur, Kultur, Geschäftsfeld, Marktposition usw.. Wirklich Neues entsteht in der Zusammenarbeit mit ihnen zumeist nicht. Wichtig wäre es aber, dass die Unternehmen nach Lösungswegen suchen, die bislang noch nicht beschritten wurden; Wege, die auf den ersten Blick oft ungewöhnlich und zuweilen sogar schräg erscheinen, aber den Erfolg von morgen bringen. Dabei unterstütze ich Unternehmen.

Welchen Rat geben Sie Unternehmen für das Jahr 2010?

Meyer: Verfallt nicht, in eure klassischen Reaktionsmuster auf Krisen: nämlich die Kosten senken, um jeden Preis! Denn Kostensenkungsprogramme verschaffen Unternehmen zwar oft kurzfristig finanzielle Luft zum Atmen, weshalb sie auch berechtigt sind. Sie führen aber meist nicht aus der Krise. Erfolgsversprechender ist es, die Geschäftsmodelle und Produkte zu überprüfen und sich zu fragen: Wie stellen wir sicher, dass wir für unsere Kunden auch in ein, zwei oder gar fünf Jahren noch attraktive Partner sind?

Warum ist dies so wichtig?

Meyer: Weil in Folge der Krise auch viele Kunden der Unternehmen ihre bisherigen Strategien und Vorgehensweisen auf den Prüfstand stellen. Das heißt: Sie erwarten auch von ihren Lieferanten neue Lösungen. Nur wer diese seinen Kunden bietet, bleibt für diese ein attraktiver Partner. Deshalb lautet mein Appell: Entwickeln Sie jetzt Ideen, die Ihr Unternehmen fit für die Zukunft machen!

Aber können Unternehmen, wenn ihre Umsätze wegbrechen, überhaupt noch wirklich Neues entwickeln? Fehlen ihnen hierfür nicht die nötigen Budgets?

Meyer: Gerade kleine Budgets und knappe Ressourcen erfordern doch Kreativität. Mit einer prall gefüllten Kriegskasse kann jeder erfolgreich sein. Anders ist es, wenn die Budgets sozusagen auf Diät gesetzt sind. Dann zeigt sich, wer die wahren Könner sind. Kreativität ist meines primär eine Sache der mentalen Einstellung. Ideen sind wichtiger als große Budgets.

Welche Eigenschaften braucht man, um neue Ideen zu entwickeln?

Meyer: Hierfür müssen man kein Genie sein. Und selbst wenn Sie eines wären, würden Sie die Ideen nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Sieht man sich die Biografien großer Erfinder und erfolgreicher Kreativer an, dann stellt  man fest: Sie waren alle vielseitig interessiert, also weit weg davon, Fachidioten zu sein. Sie hatten Spaß daran, Neues zu entwickeln. Und sie waren tolerant gegenüber ihren Fehlern. Das Wichtigste aber: Sie waren mit dem Bestehenden unzufrieden. Sie wollten Dinge verändern und verbessern.

Lässt sich der Erfolg einer Idee vorhersagen?

Meyer: Erfolgreiche Ideen haben folgendes gemeinsam: Sie sind aus Empfängersicht gedacht. Sie sind keine technischen oder kreativen Spielereien und nicht verrückt um der Verrücktheit willen. Sie bieten den Kunden zudem einen einzigartigen Nutzen, weshalb sie bei ihnen Begeisterung auslösen, und sie werden – auch das gehört dazu – gut vermarktet. Eine Idee ohne Marketing hat heute kaum noch eine Chance. Dazu sind die Märkte zu übersättigt. Bei vielen erfolgreichen Ideen – das sehen Sie zum Beispiel an solchen Produkten wie Bionade – ist das Marketing ein Teil der Idee.

Sie haben die Arbeit des Glühbirnen-Erfinders Thomas Edison untersucht. Wie kam er auf neue Ideen?

Meyer: Er ging sehr strukturiert an die Ideenfindung heran. Sein Leitspruch lautete: „Was sich nicht verkauft, möchte ich nicht erfinden.“ Er suchte nach Problemen von Menschen und analysierte schonungslos die Schwächen der bestehenden Lösungen. Daraus leitete er dann für sich Suchfelder ab.

Sind Ihre Vorschläge zum Entwickeln neuer Geschäftsideen und Lösungswege, eine Alternative zu den klassischen Wegen auf Krisen zu reagieren, wie Kosten senken oder den Vertrieb stärken, oder eine Ergänzung?

Meyer: Ich wehre mich gegen ein Entweder-Oder-Denken. Alle von Ihnen genannten Lösungsansätze und viele weitere sind gut und ich habe sie als Manager selbst oft angewendet. Was ich den Unternehmensführern aber deutlich machen möchte, ist: Wenn Ihr nur auf diese Standardlösungen setzt, die letztlich stets auf ein Optimieren des Bestehenden abzielen, dann greift Euer Lösungsansatz zu kurz. Parallel dazu solltet Ihr nach ganz neuen Ideen und Lösungen suchen.

Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftssituation auf Ihre Geschäftstätigkeit aus? Glauben Sie, dass Ihr Rat 2010 seltener gefragt sein wird als 2009 und in den Jahren zuvor?

Meyer: Nein, häufiger – obwohl schon 2009 für mich ein sehr gutes Jahr war. Denn es gibt einen Unterschied zwischen der aktuellen Wirtschaftskrise und der Krise 2001/2002. Damals haben viele Unternehmen erkannt: Mit einem Cost-Cutting allein kommen wir nicht weit. Im Gegenteil: Ein zu starkes Sparen rächt sich meist mittelfristig. Deshalb reagieren sie auf die aktuelle Krise anders als auf die Krise vor acht Jahren. Das heißt, sie ergreifen zwar auch Akutmaßnahmen, um die Krise zu meistern, parallel dazu begeben sich aber auf die Suche nach ganz neuen Ideen – und das werden die Unternehmen auch 2010 tun.

Herr Meyer, danke für das Gespräch.

Jens-Uwe Meyer ist Geschäftsführer der Ideeologen – Gesellschaft für neue Ideen GmbH, Baden-Baden, Deutschlands erster Beratungsfirma für unternehmerische Kreativität (Tel.: 0700/4333-6783; meyer@ideeologen.de). Der Autor des Buchs „Das Edison-Prinzip: Der genial einfach Weg zu erfolgreichen Ideen“ hat an Handelshochschule Leipzig den ersten Lehrauftrag in Deutschland für „Corporate Creativity“. Link: http://www.ideeologen.de

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