19.08.2009 News: Abgrabungsgesetz Nordrhein-Westfalen – Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt
Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform, Vereinfachung bzw. Verschlankung sind Schlagworte, die in der Politik dazu dienen, Dinge zu ändern. Manchmal sollen wirklich Gesetze auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie wirklich noch sinnvoll oder aber überflüssig sind. Manchmal soll vielleicht auch nur politisch zurzeit nicht Gewünschtes abgeschafft werden. Wie auch immer. Auf jeden Fall hat das sogenannte „Evaluierungsgespräch zur Integration des Abgrabungsgesetzes in das Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen“ ergeben, dass sowohl die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände als auch der Naturschutzverbände, des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie sowie des Umweltministeriums dem Petitum unserer Industrie gefolgt sind, das Abgrabungsgesetz NRW uneingeschränkt beizubehalten.
Bedeutung des Abgrabungsgesetzes – Anwendungsbereich Das Abgrabungsgesetz ist wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung unseres Wirtschaftszweiges der Steine- und Erden-Industrie eingeführt worden. Gesetzliche Zielsetzung ist der Schutz vor Landschaftsveränderung, die örtliche planerische Lenkung der Gewinnung von Bodenschätzen und die Gewährleistung der Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung des Geländes sowie die Beschränkung der durch Abgrabung verursachten Landschaftsschäden. Es regelt die Gewinnung von Kiesen, Sanden, Ton, Lehm, Kalkstein, Dolomit und sonstigen Gesteinen. Geregelt sind also nicht nur „Trockenabgrabungen“ der Kies- und Sand-Industrie sondern auch Gewinnungsvorhaben „der Hartgesteins-Industrie“, also etwa der Kalk- oder Dolomit-Industrie sowie der Natursteingewinnung, soweit nicht gesprengt wird. Ebenso unterliegen Tonvorkommen dem Abgrabungsgesetz, soweit keine spezialgesetzlichen Vorschriften greifen. Auch für die Steine- und Erden-Industriezweige, die anderen spezialgesetzlichen Vorschriften, wie etwa den Anspruchsgrundlagen des Wasserhaushaltsgesetzes oder dem Bundesimmissionsschutzgesetz unterliegen, gelten die Voraussetzungen in Verbindung mit anderen Vorschriften. Das Abgrabungsgesetz wurde auf Initiative der nordrhein-westfälischen Steine- und Erden-Industrie eingeführt. Das rohstoffreiche Nordrhein-Westfalen trägt mit erheblichen Vorkommen wesentlich zur Versorgung des Staates und der Bevölkerung mit mineralischen Rohstoffen bei. Die Betriebe der Sand- und Kies-Industrie in Nordrhein-Westfalen liefern rund 22 % der in Deutschland produzierten Menge an Sand und Kies. Rund 12 % der bundesdeutschen Natursteinproduktion finden in Nordrhein-Westfalen statt. Über 60 % der deutschen Kalkstein- und Dolomit-Produktion der Kalk-Industrie werden in Nordrhein-Westfalen realisiert und die Zement-Industrie gewinnt Kalk- und Mergelstein für die Herstellung von Zement. 30 % der in Deutschland gefertigten Ziegel stammen aus Nordrhein-Westfalen.
Insgesamt sind in Nordrhein-Westfalen über 12.147 Betriebe mit 351.000 Beschäftigten direkt oder indirekt mit der Veredelung und Verarbeitung von mineralischen Rohstoffen beschäftigt. Der Gesamtumsatz macht 16 % des Brutto-Inlandproduktes von Nordrhein-Westfalen aus.
Konzentrationswirkung
Das Besondere am nordrhein-westfälischen Abgrabungsgesetz ist, dass es in § 7 Abs. eine beschränkte Konzentrationswirkung enthält. Diese Konzentrationswirkung bedeutet, dass vor der Erteilung der Genehmigung Stellungnahmen der Bezirksplanungsstelle, der Unteren Forstbehörde, der Straßenbaubehörde, der Unteren Naturschutzbehörde etc. verpflichtend einzuholen sind (Verwaltungsvorschrift zu § 7). Die Konzentrationswirkung dient der Rechtssicherheit der Unternehmen. So heißt es in der Gesetzesbegründung, dass „die Konzentration der Beschleunigung und der Rechtssicherheit dient; einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Behörden werden verhindert.“
Eine nicht gebundene Entscheidung führt zu Verfahrensverzögerungen.
Mit der Abschaffung des Abgrabungsgesetzes würde man also nicht eine Entbürokratisierung sondern eine Bürokratisierung und Verfahrensverzögerungen forcieren.
Gebundene Entscheidung durch Abgrabungsgesetz
Das derzeitige Abgrabungsgesetz gibt den Unternehmen Rechtssicherheit, da die Genehmigungsbehörde bei Erfüllen der Voraussetzungen durch den Antragsteller eine gebundene Entscheidung zu treffen hat. Bei einer Integration des Abgrabungsgesetzes in das nordrhein-westfälische Landschaftsgesetz wäre aus dieser gebundenen Entscheidung eine Ermessensvorschrift geworden. Damit wären weitere inhaltliche Verschlechterungen, die sich im Falle eines Klageverfahrens gegen einen ablehnenden Bescheid ergeben würden, verbunden gewesen: Das Gericht kann im Ermessensfall nur „Eckpunkte“ des Ermessens (Ermessensfehler) überprüfen. Der Behörde verbleibt immer ein eigener Entscheidungsspielraum, in den das Gericht, selbst bei anderer Auffassung, nicht hinein kann (siehe § 114 VwGO). Nachteile ergeben sich auch bei der Art des Urteils. Selbst im Falle eines vollen Klageerfolges ergeht im Ermessensfall immer nur ein Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); (der Ausnahmefall einer „Ermessensreduzierung auf Null“ dürfte wohl in unseren Fällen nie gegeben sein). Das bedeutet, dass das Gericht die Behörde nur anweisen kann, einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen. Inhalt und Ergebnis dieses neuen Verwaltungsaktes (zur Erteilung einer Genehmigung) sind aber offen - gegebenenfalls erfolgt, mit anderen Gründen, erneut eine Ablehnung und das Klageverfahren beginnt von Neuem. Bei der derzeitigen im Abgrabungsgesetz vorhandenen gebundenen Verwaltung hingegen ergeht immer ein Verpflichtungsurteil, das heißt, der Fall ist abschließend gemäß der Rechtsaufassung des Gerichtes entschieden und die Behörde wird verurteilt, den beantragten Bescheid zu erlassen. Der Fall ist erledigt. Es bleibt kein Spielraum für die Behörde mehr. Dies dient der Rechtssicherheit unserer Unternehmen.
Fazit
Das Abgrabungsgesetz ist ein System in sich. Es stellt einen Vorteil für die Unternehmen in punkto Rechtssicherheit, Entbürokratisierung und Verfahrensbeschleunigung dar und hält gleichzeitig Verpflichtungen für die Unternehmen vor. Damit profitieren alle Beteiligten Kreise von diesem Gesetz. Eine Abschaffung wäre damit kontraproduktiv für Alle gewesen.
Dies mag der Grund gewesen sein, dass auch Naturschutzverbände und die kommunalen Spitzenverbände unserer Initiative gefolgt sind, das Abgrabungsgesetz beizubehalten. Es bleibt zu hoffen, dass auch der nordrhein-westfälische Landtag das so sieht, dem am 30. Oktober von der Landesregierung neu berichtet werden soll. Das Gesetz wurde auf Initiative unserer Industrie eingeführt und wird nach umfassender argumentativer Überzeugungsarbeit durch uns nun wohl auch beibehalten werden.
„Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.“
Raimo Benger, Geschäftsführer Wirtschaftsverband Baustoffe - Naturstein e. V., Sprecher der nordrhein-westfälischen Steine- und Erden-Industrie
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