Rückblick auf das IZF-Seminar 2024
Die Herausforderungen bei der Ziegelherstellung und -anwendung standen auf dem Programm des Seminars des Instituts für Ziegelforschung Essen e. V. (IZF) im vergangenen September. Rund 50 Angehörige der Ziegel- und Keramikindustrie versammelten sich am 24. und 25. September im Vortragssaal des Essener Hofes in Essen, um den Vorträgen der IZF-Mitarbeiter und ihrer Gäste zu folgen. Wie in den vergangenen Jahren war der erste Tag der Ziegelherstellung unter besonderer Berücksichtigung energetischer Themen gewidmet. Am zweiten Tag stand die Ziegelanwendung im Mittelpunkt. Die Gastredner waren Timo Vicktorius (QSM: Qualitätssicherung und Materialprüfung GmbH) und Heiner Kruse, Lukas Helm und Daniel Chaker von der RPTU Kaiserslautern.
Tag 1 – Energie, CO2 und Ziegelherstellung
Im ersten Vortrag des Seminars, „Energieberatung und Energieeffizienzgesetz“, informierte Marzieh Nourbakhsh B. Sc. über den aktuellen Stand der gesetzlichen Bestimmungen und Förderprogramme. Sie ging u.a. auf die Pflichten gemäß § 8 Energieeffizienzgesetz (EnEfG), die Einführung des Energiemanagementsystems DIN ISO 50001:2018 und des Umweltmanagementsystems ISO 14001 ein. Dabei wird zu Nachweiszwecken ein Transformationskonzept gefordert. Dies sollen Unternehmen, die bis zum 17.11.2023 gegründet wurden, bis zum 18.07.25 erstellen, jüngere Unternehmen haben 20 Monate nach Gründung Zeit. Alle Unternehmen müssen bis zum 01.07.2027 ein Managementsystem einführen und auditieren.
Darüber hinaus erläuterte Nourbakhsh die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz (BAFA-Module), Modul 5 Transformationskonzept, die Steuerliche Forschungszulage (Fzul) sowie die seit dem 30.08.2024 neu geltende Förderrichtlinie für die Bundesförderung für Industrie und Klimaschutz.
Im Anschluss diskutierte Dipl.-Ing. Eckhard Rimpel Emissionshandel und weitere gesetzliche Vorgaben. Die Benchmarks für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten liegen ab 2026 bei rund 50 Prozent der Werte von 2020. Für prozessbedingte und schwierig zu reduzierende Emissionen soll die kostenlose Zuteilung von 97 auf 91 Prozent ab dem 01.01.2028 gesenkt werden. Die Weiterentwicklung der Industrie-Emissions-Richtlinie (IE-RL) mit der Stärkung der BVT-Merkblätter (Beste verfügbare Technik) kritisierte Rimpel als technisch ahnungslos. In Ergänzung zum vorherigen Vortrag ging er auf die Abwärme und Informationspflicht in §§16f. EnEfG ein. Zum Schluss verglich Rimpel die o.g. Managementsysteme unter Einbeziehung des Umweltmanagementsystems nach EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) und diskutierte die Frage, welches Managementsystem die richtige Wahl für Unternehmen ist.
Über die Rekarbonatisierung von Ziegeln sprach Dipl.-Ing. Alexander Winkel. Karbonatisierung ist eine bekannte Eigenschaft von Beton. Das im Zement enthaltene Kalziumhydroxid reagiert mit in der Luft vorkommendem CO2 zu Kalziumkarbonat (vgl. DIN 16757:2022, Anhang G). Auch Ziegel können, wie Winkel erläuterte, CO2, dass sie im Brennprozess verlieren, später wieder aufnehmen. Die Aufnahmefähigkeit wird durch Kristallisierung und Mineralphasenbildung verringert. Die Fähigkeit zur Rekarbonatisierung ist also von der Brenntemperatur der Ziegel abhängig.
Alexander Winkel hielt auch den folgenden Vortrag und diskutierte die Einsparung von Energie und CO2 durch den Einsatz carbonatfreier Rohstoffe. Wie die Roadmap 2050 der Ziegelindustrie darlegt, erfordert eine CO2-neutrale Herstellung von Ziegeln carbonatfreie Tone. Das würde die Betriebskosten allerdings massiv erhöhen. Energiebedarf und CO2-Emissionen beim Brand werden durch die dabei ablaufenden chemischen Reaktionen, also die Mineralogie des Tones, bestimmt. Simulationen und Berechnungen zeigen, dass stark carbonathaltige Tone zur Zersetzung einen sehr hohen Wärmefluss benötigen. Alternative Rohstoffe können die Carbonatzersetzung verringern, müssen aber auf ihre Eignung im Einzelfall geprüft werden. Eine Zugabe von 30 Prozent Basaltmehl bspw. reduziert Pressfeuchte und CO2-Emissionen bei gleichbleibender Wärmeleitfähigkeit des Produkts und höherer Biegefestigkeit.
Die Verbesserung von Materialeigenschaften durch Zugabe von Monophosphaten diskutierte Eckhard Rimpel. Brand und Trocknung verbrauchen je 18 Prozent des Energiebedarfs eines Ziegelwerks, die Formgebung 27 Prozent. Versuche, mittels Additiven die Menge Anmachwassers sowie den Presskopfdruck zu verringern, führten zu Energieeinsparungen bis 9 Prozent. Auch beim Trocknen können Additive Feuchteleitfähigkeit und Trocknungsgeschwindigkeit und damit Energieeffizienz erhöhen. Beim Brennen können Phosphate den Gesamtenergiebedarf und die Emissionen verringern. Das Additiv Cera-Sint ermögliche bspw. Einsparungen beim Gasverbrauch zwischen 15 und 25 Prozent sowie bei CO2-Emissionen durch verringerte Spitzentemperatur und kürzeres Temperaturplateau. Darüber hinaus verbessere das Additiv die physikalischen Parameter von Ziegeln, wie Druckfestigkeit, und verhindere Ausblühungen. Auch Windmühlenflügel können gemahlen als Hilfsmittel für Sinterung und Porosierung genutzt werden.
Dr.-Ing. Rigo Giese diskutierte unter dem Titel „Wasserstoff und Energieeffizienz in der Ziegelindustrie“ die Hürden beim Einsatz von Wasserstoff als Brennstoff. Geringere Dichte und geringerer Luftbedarf von Wasserstoff bedeuten geringere Gasstrahlung und machen größere Brennstoffströme als bei Erdgas erforderlich. Veränderte verbrennungstechnische Eigenschaften stellen besondere Anforderungen an den Tunnelofen. Zu beachten sind eine sinkende Taupunkttemperatur durch steigenden Wasserdampfgehalt, steigender Volumenstrom des Brennstoffs und steigende Flammentemperatur am Brenner. Versuche mit 0 bis 100 Prozent Wasserstoff ergaben keine Auswirkungen auf die Produktqualität und die Temperaturverteilung im Besatz. Richtlinien für den Einsatz von Wasserstoff in Thermoprozessanlagen sind: DVGW G 260 Eingruppierung der Gase und Zumischungen, DVGW G 265 Anlagen für die Einspeisung von H2, DVGW G 655 Leitfaden H2-Readiness Gasanwendungen.
Erdem Kanbak B. Sc. stellte das Forschungsprojekt „Ammoniak als erneuerbar erzeugter Energieträger für die Ziegelindustrie“ vor. Am Vortag hatte in Essen das 1. Meeting des Projekts stattgefunden. (vgl. Projektbericht in ZI 6/24, S. 20ff.).
Möglichkeiten der Bereitstellung von klimaneutraler Energie für Ziegelwerke diskutierte Marius Rimpel. In einer Fallstudie wurden sieben verschiedene Kombinationen von Prozesstypen, Energieträgern und Bereitstellungsweisen auf Emissionseffekt und Investitions- sowie Energieträgerkosten verglichen: Gasbrand mit Erdgas (Nullszenario), Gasbrand mit Wasserstoff aus Leitung, aus Tank oder aus Elektrolyseur mit Netzstrom oder mit selbsterzeugtem Solarstrom betrieben, Elektrobrand mit Netzstrom oder mit selbsterzeugtem Solarstrom. Mit Wasserstoff und erneuerbarer Energie ist eine weitgehende Reduzierung von Emissionen und Emissionskosten möglich. Elektrifizierung und erneuerbare Energien erlauben eine fast vollständige Eliminierung der Emissionen in Abhängigkeit von der Energiequelle. Dabei ist die Energiequelle der entscheidende Faktor in der Kosten- und Emissionsbilanz.
Dr.-Ing. Denny Mathew Alex sprach über den Einfluss der Energiequelle auf die Wärmeübergangskoeffizienten in Tunnelöfen. Der effektive Wärmeübergangskoeffizient im Tunnelofen ist abhängig von der Weise der Wärmeübertragung (Konvektion und/oder Strahlung), den Wärmeströmen im Ofen und der Besatzdicke. Unterschiede in der Strahlungswärme können ein ungleichmäßiges Temperaturprofil in vertikaler Richtung erzeugen. Umwälzer können bei der Homogenisierung der vertikalen Temperaturverteilung helfen, wie Alex anhand von Versuchsergebnissen an MZ70 und W10 sowie Klinkern zeigte.
Darüber hinaus stellte Alex das Projekt elithe: Electrification of ceramic industries high temperature heating equipment vor. Ziel ist, das Ziegelbrennen zu hybridisieren. Dazu wird halbindustrieller Tunnelofen mit Heizelementen, einem internen Hochtemperatur-Umwälzgebläse und einem hybriden FLOX-Brenner nachgerüstet.
Über die Möglichkeiten von numerischen Methoden in der Ziegelindustrie sprachen im letzten Vortrag des ersten Tages Dr. Denny Mathew Alex und Akash Nagaraj, M. Sc.. Die Prozess-Simulation erlaubt Änderungen am Status quo des Betriebs im Vorhinein zu untersuchen. Das Verfahren stößt aber an Grenzen, wenn es um die Gasverteilung in Ofen und Besatz geht, wie bspw. bei Temperaturinhomogenität in vertikaler Richtung oder Ermittlung der Druckverteilung. Strömungssimulationen anhand von Computational fluid dynamics (CFD), die ein detailliertes Verständnis der Gasgeschwindigkeit und -temperatur im Ofen vermitteln, können diese Lücke füllen.
Die Finite-Elemente-Methode (FEM) erlaubt, Eigenschaften von Festkörpern zu berechnen bzw. zu simulieren und so Produktqualität und Herstellung zu optimieren und Materialkosten zu verringern. Nagaraj erläuterte die Prinzipien und erörterte Anwendungsbereiche. Mit der Struktursimulation lassen sich die Resonanzfrequenz von Ziegeln ermitteln, deren strukturellen Festigkeit untersuchen, Versagensarten für verschiedene Belastungen bestimmen und, in Folge, diese strukturell optimieren. Analog zielen die thermische Simulation auf die Wärmeübertragung in Ziegeln und deren thermische Optimierung, die akustische Simulation auf die Schallübertragung und Optimierung des Schalldämmmaßes in Ziegeln.
Zur Verdauung der teils schweren theoretischen Kost lud das IZF zu Umtrunk und Büffet auf das Institutsgelände in Essen-Kray. Die Institutsmitarbeiter boten, wie immer, Führungen durch die Werkstätten und Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte an. Gemütlich ging der Tag zu Ende, während die Nacht gelassen an Land stieg.
Tag 2: Anwendungen von Ziegeln
Im ersten Vortrag des zweiten Tages informierte Timo Vicktorius, Leiter Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der QSM, über den aktuellen Stand von Normen und Prüfungen. Im Einzelnen erläuterte er die EN 771-1 Anforderungen der U-/P-Ziegel und der Prüfnormen EN 772-xx, DIN 20000-401 nationale Anforderung für U-/P-Ziegel, EN 1344 Pflasterziegel, EN 1304 Dachziegel, EN 14411 Fassadenplatten und der Prüfnormen EN ISO 10545-xxx auch für Riemchen, EN 15037-3 Deckenziegel und DIN 20000-129 deutsche Anforderung, DIN 4159 sowie DIN 18945 Lehmsteine. Zum Abschluss berichtete Vicktorius über aktuell stattfindende und anstehende Acquis-Prozesse, in denen die nationalen Anforderungsnormen für Bauprodukte in eine harmonisierte europäische Norm gebracht werden sollen.
Dipl.-Ing. Sandra Petereit stellte in ihrem Vortrag die mikroskopische Analyse von Oberflächenfehlern bei Ziegelmaterialien vor. Übliche Schäden an Ziegeloberflächen wie Ausblühungen, Risse etc. auf ihre verschiedenen Ursachen zu untersuchen, gewährleistet die Funktionalität und erhält die ästhetische Attraktivität von Ziegeln. Als Alternative zum Rasterelektronenmikroskop stellte Petereit einen kombinierten Ansatz aus hochauflösender Digitalmikroskopie und Materialanalyse vor. Vorteile des Verfahrens seien einfachere Probenaufgabe als beim REM, eine einfache Identifizierung von Materialien mittels interner Datenbank und die Benennung der erkannten Elemente und Materialien. So erwiesen sich weiße Ausblühungen an einem First-Dachziegel als CaSO4, Gips, was wiederum auf zu schnelle Trocknung zurückzuführen sein könnte.
Mit dem Vortrag „Feuerwiderstand bei teilflächig belasteten Außenwandkonstruktionen“ setzte Heiner Kruse M Sc. seinen im vergangenen Jahr gehaltenen Bericht zum Projekt „Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten von monolithischem wärmedämmendem Ziegelmauerwerk bei teilflächig belasteten Außenwandkonstruktionen“ fort (vgl. ZI 6/23, S. 53). Weitere Versuche zeigen, dass sich geringere Feuerwiderstandsdauern bei exzentrischer Lagerung und/oder Belastung im Vergleich zu den Referenzversuchen ergeben. Die Versuchsergebnisse wiesen große Streuungen auf. Das soll Gegenstand weiterer Forschung werden.
Daniel Chaker M. Sc. sprach in seinem Vortrag über energiebasierte Erdbebenauslegung von Mauerwerksstrukturen. Erdbebeningenieurwesen gehe von Tragwerksidealisierungen und konservativen Annahmen aus, um Berechnungen zu vereinfachen. Beispiele dafür sind kraftbasierte und verschiebungsbasierte Bemessungsmethodik. Die energiebasierte Bemessungsmethodik hat dagegen zur Grundlage: einwirkende Energie, aufnehmbare Energie und Umsetzung der Energiespektren in eine Bewegungsgleichung. Chaker erläuterte die Methoden zur Feststellung einwirkender und aufnehmbarer Energie und stellte die Berechnungen anhand dreier Fallbeispiele vor. Das Ziel des Projekts ist, ein wirtschaftliches energiebasiertes Bemessungsverfahren zu entwickeln. Zum Abschluss umriss Chaker weitere Forschungsfelder, wie die Planung zyklischer Wandversuche zur Ergänzung bestehender Datenbanken.
Denselben Themenbereich berührte auch Lukas Helm mit seinem Vortrag „Wirtschaftliche Bemessung von nicht-tragenden Innenwänden für die „out-of-plane“-Tragfähigkeit unter Erdbebenbelastung“. Verschiedene verbreitete Modelle zur Nachweisführung nach u.a. DIN 4149, EC 8 und KTA 2201.3 liefern sehr konservative Ergebnisse. Wichtige Einflussfaktoren, welche die Tragfähigkeit maßgebend erhöhen, wie bspw. vertikale Steifigkeit und Knickhöhe, bleiben unberücksichtigt, ebenso ein nicht-vertikaler Lastabtrag. Das erschwert eine wirtschaftliche und genaue Nachweisführung. Dem entgegen zielt eine wirklichkeitsnahe Beurteilung der „out-of-plane“-Tragfähigkeit auf ein wirtschaftliches Bemessungskonzept und Abbau von Konservativitäten. Die dazu nötigen analytischen, experimentellen und numerischen Untersuchungen erläuterte Helm im Einzelnen. Es soll auch ein Rechentool entstehen, dass nach Eingabe von Geometrie, Randbedingungen, Gebäudeeigenschaften sowie Erdbebeneinwirkung (Spektrum) das Etagenantwortspektrum, Kraft-Verformungskurve der Wand und den Nachweis ausgibt.
Über die Gestaltung funktionaler Ziegeloberflächen zur Beeinflussung des urbanen Mikroklimas sprach Akash Nagaraj. Das gleichnamige Projekt, eine Kooperation von IZF und MFPA Weimar, lief von April 2022 bis September 2024 (Vgl. dazu in ZI 1/24, S. 45, und in ZI 4/24, S. 42). Die neuesten Experimente am Dachprüfstand, u.a. zur Nachbildung der äußeren Wetterbedingungen, ergaben, dass trotz bis zu 70 Grad Celsius Oberflächentemperatur am Dachziegel die Temperatur von Innenraum und innerer Oberfläche konstant bei 25 Grad verharrten. Eine hygrothermische Gebäudesimulation mit der Software WUFI (Wärme und Feuchtigkeit Instationär) bestätigte die experimentellen Ergebnisse: Je höher der Reflexionsgrad der Dachziegel, desto niedriger ist das Oberflächentemperaturprofil; Mit abnehmendem Emissionsgrad steigt die Oberflächentemperatur der Dachziegel an.
Den letzten Vortrag des IZF-Seminars hielt Sandra Petereit: „Bildanalyse für die Sortierung von Ziegel- und Mauerwerksbruch“. Zwar werden rund 89 Prozent Bau- und Abbruchabfälle wiederverwendet, aber häufig downgecycelt. Dabei bildet Bauschutt, also gemischter mineralischer Abfall und Baumaterial eine große Hürde. Um Ziegelmaterial in der Ziegelherstellung verwenden zu können, muss es möglichst komplett sortenrein sein. Petereit stellte als Verfahren die automatisierte Bildanalyse für die Sortierung von Ziegel- und Mauerwerksbruch unter Verwendung von Verfahren des maschinellen Lernens vor.
Dr. Giese bedankte sich bei den Teilnehmern zum Abschluss und lud sie zum kommenden IZF-Seminar am 9. und 10. September 2025 ein. Das traditionelle gemeinsame Mittagessen beendete die Veranstaltung.