Baudenkmal neben Regensburger Dom erhielt umfängliche Dachsanierung

Biberdeckung setzt einstigem Residenzgebäude „naturrote Krone“ auf

Verantwortung für Instandsetzung und Erhalt historisch wertvoller Baudenkmäler beweisen trotz hoher Auflagen an Authentizität und Material immer mehr private Eigentümer – auch in Regensburg. Ganz aktuell profitiert von diesem Engagement das ehemalige Residenzgebäude am „Domplatz 6“, in direkter Nachbarschaft zum Regensburger Dom. Einst vom fürstlichen Baudirektor Joseph Sorg 1795 aus Domherrenhöfen zu einer Dompropstei umgestaltet, residierte hier von 1802-1810 der Kurfürst und Reichserzkanzler Carl Theodor von Dalberg. Kurzzeitig diente der frühklassizistische Bau auch Kaiser Napoleon als Hauptquartier. Heute geben denkmalgerechte Fassaden- und Dachrestaurierung dem jetzigen Geschäftshaus die ihm eigene optische Relevanz für die Domplatz-Bebauung wieder zurück. Vor allem die Neu-Eindeckung des mächtigen Mansardwalmdaches aus  ca. 17.000 Biberschwanzziegeln vom Hersteller Walther Dachziegel unterstreicht die Bedeutung für das Stadtbild.

 

Die umfängliche Dachsanierung stellte besondere Anforderungen an alle Beteiligten. „Denn das Gebäude verbirgt eine Baugeschichte, die selbst die Denkmalbehörde der Stadt Regensburg nicht vermutete“, so Architektin Dipl.-Ing. Lena Stecker, seit 20 Jahren in der Denkmalpflege engagiert und für die Baumaßnahme verantwortlich. Akribische Untersuchungen sowie Prüfung der Dachstuhlsubstanz ließen erkennen,

dass es sich ursprünglich um einen gotischen Komplex mit spätgotischem Dachstuhl in Form eines spitzgiebligen Steildaches handelte. Zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieser allerdings überformt.

 

Die Gründe für den Umbau der einstigen Dompropstei lagen, so die Historiker, „im Nutzerwechsel. Der Fürstprimas wollte für sich eine ansehnliche, zu diesem Zeitpunkt ‚moderne’ barocke Residenz vor dem Dom entstehen lassen“. Dazu wurde der Dachbereich über dem 1. Dachgeschoss „abgebrochen“ und unter Nutzung der alten Hölzer ein barockes Mansarddach errichtet. Die Fußpunkte des ursprünglichen Dachstuhls, der ein gewaltiges Traufgesims aus Holz hatte, wurden mit der barocken Balustrade überbaut. Diese bekränzt noch heute das Dach im Traufbereich mit dahinter liegender, innerer Grabenrinne.

 

Für die Statik der gesamten Sanierungsmaßnahme zeichnete das Ingenieurbüro Hofmann & Mann GmbH, Regensburg, unter Leitung von Dipl.-Ing. Friedrich Hofmann verantwortlich. Mit der Dachsanierung be­auftragt wurde das traditionsreiche, in 4. Generation geführte Familienunternehmen Holzbau Semmler GmbH, Hemau. Der Zustand der Dachstuhl-Konstruktion war so marode, dass die vorgesehene Neueindeckung keine ausreichende Sanierungs-Lösung darstellte. Gravierend waren auch die Schäden durch den luftdichten Überbau der Fußpunkte der Balustrade. Defekte Anschlussbleche sowie beständiger Feuchtigkeitseintrag hatten zu erheblichen Substanzverlusten geführt, welche die Tragfähigkeit der Konstruktion stark beeinträchtigten.

 

Um Standfestigkeit und Sicherheit von Dachstuhl und Dachgeschossdecken wieder herzustellen, wurde das Dach abschnittsweise ausgedeckt und der Schutt entsorgt. Je nach Schadensbild mussten vor allem die Balkenköpfe der Balkenlagen auf einer Länge von 2 bis 4 Meter erneuert werden. Als besondere Herausforderung bezeichnete Thomas Semmler den Einbau von Stahl-Tragwerken zur Gewährleistung der erhöhten statischen Anforderungen. Doch - das Faszinierende des über 500 Jahre alten Dachstuhls waren für den Firmenchef die von den barocken Stuckdecken überformten, von oben aber sichtbar belassenen historischen Bohlen-Balken-Decken, die einst einen großen Saal überspannten. Im Querschnitt wiesen sie teilweise eine Höhe von 40 cm auf, bei einer Breite von 35-36 cm und einer Länge von 18 bis 19 Metern. „Und zwar von Hand behauen, ohne größere Risse - eine Meisterleistung damaliger Handwerkskunst.“

 

Nach Ausbesserung und Verstärkung der Dachstuhl-Konstruktion wurden der Dachaufbau erneuert und eine 24 mm Schalung mit Schalungsbahn aufgebracht, anschließend Konterlattung, Dachlattung und Ziegeldeckung. Entgegen ursprünglicher, mehrfarbiger Biberdeckung fiel in Abstimmung mit dem Denkmalamt die Entscheidung für Biber Premio natur plus von Walther Dachziegel, einem Tochter-Unternehmen der Jacobi-Firmengruppe, Bilshausen/Langenzenn. Bei natur plus handelt es sich um eine spezielle Engobe, die den naturroten Farbton des Ziegels beibehält und zudem besseren Schutz vor Umwelteinflüssen bietet. Eine Veredelung in naturroter, seidenmatt glänzender Optik, die auch die Denkmalpflege überzeugte. Rund 17.000 Biber wurden für das ca. 510 m2 Fläche umfassende Mansardwalmdach per Kran zur Einsatzstelle transportiert. Die Eindeckung der Biber am 58° geneigten Mansard- und 34° geneigten Oberdach erfolgte problemlos. Den Übergang vom Ober- zum Mansarddach bildet das historische hölzerne Traufgesims, welches keiner weiteren Sanierung bedurfte.

 

Nach Ausbesserung und Neuanstrich von Putzfassade, Architekturgliederung und Balustrade in einem im Sandsteinton gebrochenen Weiß setzt das neu gedeckte Dach mit seiner naturroten Biberdeckung dem ehemaligen Residenzgebäude eine reizvoll kontrastierende „Krone“ auf. Als beredtes Zeugnis der Vergangenheit zeigt sich der sorgfältig restaurierte Frontispiz (Giebeldreieck) an der Nordfassade zum Domplatz – mit prächtig stuckiertem Wappen und der Inschrift des Erbauers. An der Westfassade kündet eine - vergleichsweise bescheidene - Tafel von dem wohl berühmtesten Bewohner des Hauses: „Hier in der damaligen fürstprimatischen Residenz befand sich das Hauptquartier des Kaisers Napoleon 24. und 25. April 1809.“

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