Romantik-Biber zieren historische St. Jakobus-Kirche in Ilmenau
Gerade in Zeiten knapper Kassen bei Kommunen, Ländern und Behörden stimmt es zuversichtlich, wenn finanzielle Anstrengungen unternommen werden, unter Denkmalschutz stehende Gebäude in Substanz und Originalerscheinungsbild zu erhalten. Dies gilt auch für die das Stadtbild prägende St. Jakobus-Kirche im thüringischen Ilmenau. Dominierende Merkmale des Bauwerks mit dem knapp 50 Meter hohen Turm sind neben barockem Äußeren das gewaltige Hauptdach und das durch Kehlen und Grate gestaltete Chordach. Komplett neu eingedeckt wurde die 1.300 m2 Fläche umfassende Dachlandschaft mit Romantik Bibern des Unternehmens Walther Dachziegel GmbH im fränkischen Langenzenn. Unter dem Schutz des fertig gestellten neuen Ziegeldaches dient St. Jakobus heute als Kultur- und Begegnungszentrum.
Bereits das „Vorleben“ der Kirche war sehr bewegt, gründet sich ihr Fundament doch auf zwei romanische Vorkirchen aus dem 12. bzw. 14. Jahrhundert, deren Grundmauern im Rahmen der Rundumsanierung freigelegt wurden und jetzt in Schaukästen sowie in Form von Zeichnungen dokumentiert sind. Unverkennbar deuten zudem Mauerreste auf die im 15. Jhd. an gleicher Stelle errichtete gotische Hallenkirche hin, die 1752 einem großen Stadtbrand zum Opfer fiel. Nach Vorentwürfen von G.H. Krohne, Hofbaumeister am herzöglichen Hof zu Sachsen-Weimar, entstand 1762 unter Leitung von Baumeister A.F. Straßburger, Eisenach, die neue St. Jakobus-Kirche. 1769 erfolgte die Komplettierung durch die Errichtung des neuen Turmes.
Die über die Zeitläufe erfolgten verschiedenen Reparaturen, Erneuerungen und Rekonstruktionen an Turm, Dachstuhl und -deckung sowie den Fassaden machten dennoch die umfassende restauratorische Außen- und Innensanierung des Gotteshauses nach der Wende erforderlich. Dabei wurde und wird von Denkmalschutz und Förderkreis Stadtkirche Ilmenau das Ziel verfolgt, „aus den vorgefundenen unterschiedlichen Baustilfassungen mit klarer Dominanz barocker Elemente die von Baumeister Krohne entworfene und von Straßburger vollendete Hallenkirche in ihrer barocken Prägung wieder herzustellen“. Mit planerischer Verantwortung und Betreuung der Baumaßnahmen ist seit 1992 das heimische Architektur- und Ingenieurbüro Gert Schaser betraut, das langjährige Erfahrung und Kompetenz bei der Sanierung historischer Bauwerke vorweisen kann. Liebe zum Denkmal praktizierte der Architekt auch beim eigenen Büro- und Wohnhaus, einem historischen Zechenhaus, errichtet als Sitz des Bergamtes um 1691. Als berühmtesten Besucher des Hauses im barocken Architekturstil verzeichneten die Geschichtsschreiber Johann Wolfgang von Goethe, der sich lange Jahre für die Wiederbelebung des in Ilmenau seinerzeit heimischen Kupferbergbaus einsetzte.
Zur St. Jakobus-Kirche: Der 1. Bauabschnitt mit Sanierung von Turm, Treppentürmen und gesamter Westfassade ist bereits erfolgreich abgeschlossen. Die notwendige Dachsanierung wurde als Vorleistung für die Außenfassade dem 2. Bauabschnitt vorangestellt. „Der Zustand der Dachhautbeschaffenheit erwies sich schlechter als erwartet. Auch die Unterkonstruktion musste großflächig erneuert werden, so dass heute mit neuer Lattung, Konterlattung und Unterspannbahn in der gesamten Konstruktion ein gesundes Kaltdach für Jahrzehnte Funktionalität und Sicherheit gewährleistet“, erläutert Architekt Schaser. Abweichend von vergleichbaren Kirchengebäuden zeigt sich dieses Kirchendach mit einer Vielzahl abgewinkelter Dachflächen, zwei Hauptdach- sowie Steildachflächen, die der Kontur des Kirchengebäudes folgen. Grate und Kehlen in steiler Neigung wechseln einander ab. Hinzu kommt ein „Kranz“ von zwölf Gauben, die bereits aus der Entstehungszeit der Kirche datieren. Sie dienen der von der 2. Empore bis ins Mittelschiff reichenden Belichtung.
Die Authentizitäts-Frage der Ziegeldeckung wurde anhand historischer Unterlagen und in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege Thüringen geklärt. Den Ausschlag für die zum Einsatz gelangenden Romantik-Biber von Walther gab das außergewöhnliche Farbbild des Dachziegels mit Schattierungen von Naturrot bis zum rot-gelblichen Ton. „Mit nuancenreichem Farbspektrum harmoniert die Dachziegeloberfläche zur umgebenden gewachsenen Bausubstanz und bringt bereits Patina in die Fläche“, so die einhellige Meinung der Verantwortlichen. Anklang und Zustimmung findet die neue Dacheindeckung auch bei der Bevölkerung.
Nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen entschied man sich für die Realisierung eingebundener Biberschwanzkehlen. Bislang waren Blechkehlen verlegt, die Undichtigkeiten aufwiesen und ebenso wie die teils unsauberen Schnitte der Anschlussziegel Durchfeuchtungsschäden beim Dachstuhl verursachten. Zwar bereiteten die neu einzudeckenden und über die volle Sparrenlänge von 13 bis 16 m reichenden Kehlen dem Verarbeiter zunächst Kopfzerbrechen. Doch Dachdeckermeister Dirk Hopf und sein Team aus dem benachbarten Elgersburg konnten das „Hohe C“ der Dachdecker-Kunst mit handwerklicher Sorgfalt und Fingerspitzengefühl lösen.
Das Problem lag darin, dass alle vier Kehlen in der Neigung ungleichhüftig sind. „Deshalb kam es besonders darauf an, beim Einbinden des letzten Kehlziegels in die andere Dachseite keine Kreuzfugen zu erhalten. Es musste schon getüftelt werden, um die Ziegel links und rechts der Dachfläche im richtigen Maß zuzuschneiden“, erläutert Dirk Hopf. Bei einer Dachneigung von ca. 46 ° wurden die Kehlen den Regeln entsprechend verschraubt. Die acht Grate mit einer Länge von insgesamt 116 lfd. Meter wurden geklammert und First- sowie Lüfterziegel trocken verlegt. Die stehenden Gauben auf dem 50° geneigten Hauptdach erhielten eine Biberdeckung. Die Gaubenwangen wurden mit thüringischem Schiefer bekleidet. Die Anschlüsse an das Hauptdach wurden mit Kupferkehlen ausgeführt und die Anschlussziegel geschraubt, damit sich im Winter der Schnee nicht unter die Ziegel schieben kann.
Dachdeckermeister Dirk Hopf, der zahlreiche Denkmalschutzobjekte zu seinen Referenzen zählt, ist Spezialist originalgetreuer Dachrestaurierung und fühlt sich altdeutscher Dachdeckertradition verpflichtet, ohne sich jedoch modernen Technologien zu verschließen. Bei dem neuen Dach der St. Jakobus-Kirche überzeugt ihn nicht nur die originalgetreu wieder hergestellte Dachlandschaft, sondern vor allem das reizvoll-lebendige Erscheinungsbild der Ziegeldeckung aus Romantik-Bibern.
Nach erfolgreicher Dachsanierung wird in Kürze der zweite Bauabschnitt gleichfalls unter Leitung von Architekt Gert Schaser in Angriff genommen. Dazu gehört die Restaurierung der Süd-, Nord- und Chorfassade mit denkmalgerechter Erneuerung der Putzstruktur und Farbgebung. Die Bürger von Ilmenau jedenfalls freuen sich schon heute, dass das Gotteshaus bald als Stätte der Begegnung zu neuem Leben erwacht.