Erst die Stadt, dann das Haus
Mehr als dreihundert Gäste, darunter Architekten aus Polen, Litauen, Russland, Dänemark und den Niederlanden, waren der Einladung der ABC-Klinkergruppe zum ABC-Architektentag am 4. März 2015 nach Ibbenbüren/Osnabrück gefolgt.
Seit nunmehr acht Jahren findet die erfolgreiche Veranstaltungsreihe in der kontemplativen Atmosphäre des ehemaligen Zisterzienserinnen-Klosters Gravenhorst statt. Nach einer kurzen Begrüßungsrede durch Hermann Berentelg, geschäftsführender Gesellschafter der ABC-Klinkergruppe, führte Dipl.-Architekt Andreas Krys durch die Veranstaltung.
Prof. Arno Lederer, LRO Lederer, Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart, regte mit seinen grundlegenden Ansichten zur heutigen Architektur zur Reflexion an. Vorgetragen in einem bestechend klaren Duktus erzielten seine Ausführungen im Auditorium eine gespannte, andächtige Aufmerksamkeit. In unserer heutigen Fortschrittsgläubigkeit seien wir eindimensional darauf gepolt, dass mit dem Fortschritt automatisch auch das Bessere komme. Daran äußerte er erhebliche Zweifel: „Es gibt Dinge, die sind einfach so.“ Was sich in diesem Kontinuum tatsächlich ständig verändere, sei die Technik. Dem heutigen Postulat, dass sich Architektur, jedes Gebäude deutlich von allem bisher Dagewesenen unterscheiden muss, widersprach er heftig: „Erst kommt die Stadt, dann das Haus.“ Dem Bauherren müsse klar sein, dass er nur zur Hälfte für sich baue, das Äußere baue er für die Stadt.
Prof. Hilde Léon, Büro Léon Wohlhage, Berlin, eine der renommiertesten Architektinnen Deutschlands, hatte die Materialität bei ihrem Vortrag im Blick. Die Wahl des Fassadenmaterials entwickelt sich nach ihrer Meinung aus Historie und Lage des Objekts und müsse die Sinne des Betrachters ansprechen. Sie betonte, dass es für jeden Bau das richtige Material gebe.
Abgerundet wurde der ABC-Architektentag 2015 durch den Beitrag von Udo Garritzmann, Garritzmann Architecten, Rotterdam. Er schilderte einerseits die Ansicht von Carl Bötticher, dass Tektonik mit dem Lasttragen zu tun hat. Im Gegensatz dazu vertrat Gottfried Semper die Ansicht, dass die Bekleidung im Vordergrund stehe. Sehr interessant waren auch seine Ausführungen, dass Mauerwerksverbände textilen Mustern sehr ähnlich seien und oft auch ein textiles Muster entwickeln. Dabei sei das Potenzial der Verbände unerschöpflich. Besonders spannend war es, als Udo Garritzmann die Dehnungsfuge ins Spiel brachte und dafür plädierte, sie als Teil des ästhetischen Konzepts eines Gebäudes zu verstehen.
Die abwechslungsreichen Vorträge eröffneten anschließend Raum für intensive Diskussionen.